Rufe nach AfD-Überwachung werden lauter - Seehofer sagt «Nein»

Die AfD geht gemeinsam mit der islam- und fremdenfeindlichen Pegida auf die Straße. Kritiker sehen die Partei in den Rechtsextremismus abdriften. Ein Fall für den Verfassungsschutz?

Nach der AfD-Beteiligung an fremdenfeindlichen Demonstrationen in Chemnitz werden die Rufe nach einer stärkeren Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz immer lauter. Laut einer repräsentativen Umfrage ist eine Mehrheit der Deutschen dafür, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Auch aus den Reihen von CDU, SPD und Grünen kamen entsprechende Forderungen und der Appell für eine schärfere politische Abgrenzung. Innenminister Horst Seehofer  sieht aber aktuell keine Grundlage für eine flächendeckende Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz.

«Derzeit liegen die Voraussetzungen für eine Beobachtung der Partei als Ganzes für mich nicht vor», sagte Innenminister und CSU-Chef den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. «Natürlich muss man immer genau hinschauen, und das tut der Verfassungsschutz, ob es sich bei Aussagen von Parteimitgliedern oder Zusammenarbeit mit bestimmten Gruppen um Einzelmeinungen oder parteipolitische Linie handelt.»

Zugleich empfahl Seehofer «allen politischen Kräften, die sich in der Verantwortung für unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat sehen, sich von Aufstachelung und Gewaltanwendung deutlich zu distanzieren und von jeglichem Versuch einer Legitimierung Abstand zu nehmen».

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) verlangte eine schärfere politische Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten. «Rechtsradikalismus wird aus einer Bundestagspartei heraus mehr oder weniger offen unterstützt. Das ist schon eine neue besorgniserregende Qualität», sagte er der «Welt am Sonntag». Die Politik müsse sich deutlicher mit der AfD auseinandersetzen, «aus der heraus Beihilfe zum Rechtsradikalismus geleistet wird». Man müsse die «AfD-Wähler schon fragen: Schämen Sie sich nicht, einer solche Partei die Stimme zu geben?» Kauder verlangte auch, es müsse herausgefunden werden, wer die AfD mit Millionen im Bundestagswahlkampf unterstützt habe.

Der CDU-Sicherheitsexperte Patrick Sensburg sagte NDR Info, er sei schon lange der Meinung, dass die AfD vom Verfassungsschutz überwacht werden müsse. Der CDU-Innenexperte Armin Schuster hatte die Verfassungsschutzbehörden der Länder kürzlich aufgefordert, die AfD genauer unter die Lupe zu nehmen. Die AfD werde «immer mehr ein Fall für den Verfassungsschutz», zumal sich Parteichef Alexander Gauland inzwischen «mindestens einmal im Monat von einer Entgleisung eines seiner Parteimitglieder distanzieren» müsse.

Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka plädierte dafür, Teile der rechtspopulistischen Partei zu überwachen. «Wer über Jahre hinweg Teile der Linken beobachtet, darf nicht auf dem rechten Auge wegsehen», sagte er der «Augsburger Allgemeinen» (Samstag). Auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner plädierte für eine teilweise Überwachung. Teile der AfD und einige ihrer Mandatsträger bekämpften offen die liberale Ordnung, sagte er der «Rheinischen Post» (Montag). «Dann muss man sie beobachten.»

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte am Rande der «Herz statt Hetze»-Demonstration in Chemnitz, angesichts des Verhaltens der AfD sei ihre Überprüfung durch den Verfassungsschutz «dringend geboten». Die AfD habe offen mit zu den Ereignissen in der sächsischen Stadt aufgerufen und zur Hetze beigetragen. «Ihre Strukturen sind eng vernetzt mit denen der Rechtsextremen und Hooligans, die auf Menschen Jagd gemacht haben.»

Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, lehnte eine Beobachtung dagegen ab. «Mit der AfD muss man sich politisch auseinandersetzen», sagte sie der «Rheinischen Post». Anders sieht das ihre Parteichefin Katja Kipping. Im «Sommerinterview» der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin» sprach sie sich für eine Beobachtung aus - meinte aber auch, dass dies in der Auseinandersetzung mit der Partei allein nicht ausreichen werde.

In einer repräsentativen Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Onlineportale der Funke Mediengruppe vom Freitag sagten mehr als 57 Prozent der Befragten, die AfD solle «auf jeden Fall» (42,7 Prozent) oder «eher ja» (14,5 Prozent) vom Bundesamt für Verfassungsschutz beleuchtet werden. Dagegen meinten knapp 36 Prozent, eine Überwachung sei «auf keinen Fall» (23,7 Prozent) oder eher nicht erforderlich. Rund 7 Prozent waren unentschieden. Die Quote der Ostdeutschen, die für eine Überwachung sind, ist mit rund 48 Prozent deutlich niedriger als die der Westdeutschen (66 Prozent).

Jüngst in die Kritik geraten war der AfD-Politiker Markus Frohnmaier, der mit Blick auf die rechtsextremen und ausländerfeindlichen Übergriffe in Chemnitz auf Twitter geschrieben hatte: «Wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen kann, gehen die Menschen auf die Straße und schützen sich selber. Ganz einfach!» (dpa)