Inhaftierter "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel ist frei

Nach über einem Jahr in Haft in der Türkei ist der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel aus dem Gefängnis entlassen worden. Das bestätigte das Auswärtige Amt.

Die Bundesregierung hat die Freilassung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel in der Türkei bestätigt. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte in Berlin: "Jetzt müssen wir natürlich abwarten, was in den nächsten Minuten, Stunden passiert." Er dankte der türkischen Justiz und sagte, Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) habe sich in den letzten Tagen "intensiv bemüht, zu einer Lösung beizutragen". Es habe aber keine "schmutzigen Deals" gegeben. Die Unterstützung sei konsularischer Natur. Zuvor hatte die Zeitung "Die Welt" auf ihrer Internetseite unter Berufung auf Yücels Anwalt berichtet, der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel sei aus der Haft in der Türkei entlassen worden.

Deniz Yücel war am Mittwoch vor einem Jahr in Istanbul von der Polizei festgenommen worden. Er hatte sich freiwillig bei den Behörden gemeldet. Ihm wurde "Terrorpropaganda" in der Türkei vorgeworfen.

Yücel, 1973 in der Nähe von Frankfurt am Main als Sohn türkischer Eltern geboren, hat als Korrespondent der deutschen Tageszeitung "Die Welt" aus der Türkei berichtet. Am 14. Februar 2017 nahm ihn die Polizei in Gewahrsam. Ein Haftbefehl folgte, seit März 2017 saß der 44-Jährige mit deutschem und türkischem Pass im Hochsicherheitsgefängnis Silivri Nr. 9 - bis heute ohne Anklageschrift. Er galt vielen als Geisel der türkischen Regierung.

Die scharfe Kritik an der türkischen Regierung sei Yücel zum Verhängnis geworden, erklärte dazu Kristian Brakel, Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul: "Ob ursprünglich damit erreicht werden sollte, dass Deutschland irgendetwas herausgibt, ist schwierig zu sagen, aber man hat auf jeden Fall den Versuch gemacht, etwas mit ihm zu erpressen." Im Hafturteil warf man ihm "Volksverhetzung" und "Terrorpropaganda" vor. Acht journalistische Texte, die er für "Die Welt" geschrieben hat, wurden genannt.

In Yücels neuem Sammelband "Wir sind ja nicht zum Spaß hier" - mit dem Untertitel "Reportagen, Satiren und andere Gebrauchstexte" - sind zwei davon nachzulesen: ein Interview mit dem Vizechef der PKK, der einräumt: "Ja, es gab interne Hinrichtungen", und "Der Putschist", ein Text darüber, wie der türkische Präsident seine Macht ausgebaut hat. Doris Akrap, Herausgeberin und Freundin Yücels, schreibt im Vorwort: "In anderen Ländern kriegt man für solche Texte Journalistenpreise. In der aktuellen Türkei kriegt man dafür Knast."

Nach dem Putschversuch im Sommer 2016 wurden in der Türkei massenweise Menschen inhaftiert, mit Deniz Yücel waren mindestens 28 deutsche Staatsbürger darunter. Bis auf sechs Personen wurden nach Angaben des Auswärtigen Amtes alle entlassen, darunter der Menschenrechtler Peter Steudtner sowie die Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu.

Die türkische Regierung pocht immer wieder darauf, dass ihre Justiz unabhängig sei. Davon könne keine Rede sein, sagt der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung. Nach politischer Einflussnahme blieben kürzlich zwei Gefangene in Haft, obwohl der oberste türkische Gerichtshof ihre Freilassung verfügt hatte. Ähnliches geschah im Fall des Vorsitzenden von Amnesty International in der Türkei, ein Gericht zog seine Haftentlassung binnen Stunden wieder zurück.

Im Fall Yücel mischte sich Präsident Recep Tayyip Erdogan selbst ein: "Er ist wahrhaftig ein Agent und Terrorist. Von wegen Journalist. Und einen ganzen Monat lang hat ihn die deutsche Botschaft in ihrer Sommerresidenz in Istanbul versteckt." Für Brakel steckt hinter solchen Aussagen eine Paranoia in Teilen der Staatsführung, "die Idee, dass Europäer und Amerikaner gemeinsam die Türkei zerschlagen wollen". (dpa/KNA/AP)