Blick in die Wahlprogramme der Parteien

Pflicht zum Deutschkurs, doppelte Staatsangehörigkeit, Begrenzung der Zuwanderung: Welche Ausländerpolitik die Parteien in Deutschland umsetzen wollen, sollten sie die nächste Wahl gewinnen, hat Daphne Antachopoulos zusammengetragen.

Deutschunterricht für Ausländer; Foto: AP
Verpflichtender Deutschunterricht für Ausländer fordern alle Parteien in ihren Programmen

​​Es besteht Handlungsbedarf - darin sind sich alle Parteien einig. "Wir haben die Zuwanderung der vergangenen zehn, fünfzehn Jahre noch nicht gut bewältigt. Wir müssen die Menschen, die hierher gekommen sind, die sich rechtmäßig aufhalten, besser integrieren. Wir müssen das fördern und fordern", fasst Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) fasst.

Eine Forderung und gleichzeitige Förderung, die alle Parteien aussprechen, sind die Sprachkurse für Einwanderer. Menschen, die nach Deutschland kommen, aber auch solche, die bereits hier leben, sollen verpflichtet werden, Deutsch zu lernen. Dies schreibt allerdings das nach vielen Diskussionen Anfang 2005 beschlossene Zuwanderungsgesetz bereits vor.

Darüber hinaus soll nach dem Willen der Sozialdemokraten ausländischen Jugendlichen der Übergang ins Berufsleben und der Zugang zu Bildung erleichtert werden. Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, sollen schneller eingebürgert werden.

Einen besonderen Schwerpunkt setzen die Sozialdemokraten bei der muslimischen Bevölkerung in Deutschland. Es soll islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache geben, die Zwangsheirat soll per Gesetz verboten werden.

In letzterem stimmen sie im Übrigen mit der CDU/CSU überein. Diese hat nach den Anschlägen von London übrigens auch ein besonderes Augenmerk auf die muslimische Bevölkerung: Sie fordert die Überwachung von Moscheen im Hinblick darauf, ob dort Jugendliche radikalisiert werden.

Zuwanderung gefordert

Bündnis90/DieGrünen wollen dagegen eindeutige Regelungen zum Bleiberecht schaffen. Von den derzeit weit über sieben Millionen Menschen mit ausländischem Pass haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes knapp eine Million einen ungeklärten Aufenthaltsstatus. Außerdem soll nach dem Willen der Grünen die Einbürgerung erleichtert werden - auch im Hinblick auf die Überalterung der deutschen Gesellschaft.

"Jeder weiß, dass wir 5,2 Millionen Arbeitslose haben. Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, wenn wir uns die Entwicklung anschauen, dass wir in Zukunft Zuwanderung wieder brauchen werden. Und zwar nicht zu knapp", so Bundesaußenminister Joschka Fischer von den Grünen.

Außerdem wollen die Grünen die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft großzügiger handhaben. Bislang ist es nur unter bestimmten Umständen möglich, eine oder mehrere Staatsangehörigkeiten neben der deutschen zu besitzen.

Tausende türkisch-stämmige Deutsche hatten ihre deutsche Staatsangehörigkeit vor einigen Monaten verloren, weil sie nachträglich wieder die türkische angenommen hatten. Etwa 2,6 Millionen ausländische Staatsbürger wurden seit 1972 eingebürgert. Seit dem Jahr 2000 allerdings sind die Zahlen der Einbürgerungen rückläufig.

So weit wollen die Sozialdemokraten nicht gehen: Die doppelte Staatsbürgerschaft soll restriktiv gehandhabt werden, ebenso wie die Zuwanderung. Steuerung, Begrenzung und Integration liest man in ihrem Wahlprogramm eher unbestimmt. Auch die FDP will an den bestehenden Regelungen zur Einbürgerung und Zuwanderung festhalten. Die Linkspartei aus PDS und WASG spricht von menschenrechtlich geprägter Einwanderungspolitik und aktiver Integrationspolitik. Wie sie gestaltet sein soll, ist bislang unklar.

Einbürgerungsfeiern für Ausländer

Am restriktivsten gehen die Unionsparteien an die Zuwanderung heran. Der Unionsfraktionsvize und innenpolitischer Sprecher Wolfgang Bosbach meint dazu: "Es wird oft dahingehend argumentiert, dass wir noch mehr Zuwanderung benötigen würden zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme. Diese Argumentation übersieht allerdings, dass wir ja nicht nur neue Beitragszahler bekommen, sondern auch viele neue Leistungsempfänger."

Ausländische Arbeitnehmer dürften nach dem Willen der Union nur nach Deutschland ziehen, wenn sie in Bereichen arbeiten, in denen Arbeitskräfte fehlen, oder wenn sie als Spitzenkräfte eingesetzt werden können. Die Kinder der Einreisenden sollen früher nachkommen können, um schneller am Deutschunterricht teilnehmen zu können. Außerdem verspricht die Union Einbürgerungsfeiern, in denen sie Ausländer als Mitbürger in die Mitte der Gemeinden aufnehmen möchte.

Daphne Antachopoulos

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005

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