Schwächung der pakistanischen Demokratie

Das tragische Attentat auf Benazir Bhutto weist auf das zentrale Problem der pakistanischen Politik hin: Die demokratischen Kräfte des Landes sind weiterhin auf die Unterstützung des Westens angewiesen. Ein Kommentar von Thomas Bärthlein

Benazir Bhutto kurz vor dem tödlichen Anschlag; Foto: AP
Benazir Bhutto ist tot. Das Attentat führte zu Protesten und Gewalteskalationen im ganzen Land.

​​Pakistan steht nach der Ermordung Benazir Bhuttos vor schweren Zeiten. Das Attentat auf die Oppositionsführerin ist kein Ausnahmefall, sondern der Gipfel einer ständigen Eskalation der politischen Gewalt während der letzten Monate.

Auch wenn es zu früh wäre, hier von einem Bürgerkrieg zu sprechen – denn klare Fronten fehlen weitgehend -, so steht doch fest: Die vom Militär dominierte Regierung hat versagt, denn sie kann die öffentliche Sicherheit nicht mehr gewährleisten.

Wer sind die Hintermänner?

Bislang kann über die Hintermänner dieses Anschlags nur spekuliert werden. Einerseits hatte es Anschlagsdrohungen gegen Benazir Bhutto von Seiten islamistischer Militanter gegeben. Benazir Bhutto hatte sich in den vergangenen Monaten stets pro-amerikanisch geäußert und eine harte Linie gegen Taliban und El Kaida gefordert.

Andererseits hatte sie selber nach dem ersten Anschlag gegen sie bei ihrer Rückkehr aus dem Exil nach Karatschi Teilen des Establishments die Schuld gegeben – führenden Persönlichkeiten aus den Geheimdiensten und aus der Partei von Präsident Musharraf.

In jedem Fall ist es bedenklich, dass Benazir Bhutto in Rawalpindi getötet wurde, wo das pakistanische Militär sein Hauptquartier hat. Wenn man dort nicht mehr sicher ist, wo dann?

Aus für die Wahlen wahrscheinlich

Dass die Wahlen in Pakistan wie geplant am 8. Januar stattfinden, ist im Moment schwer vorstellbar. Die Sicherheitslage ist im ganzen Land prekär. Am Donnerstag wurden, nur kurz vor dem Anschlag auf Bhutto, auch vier Mitarbeiter der Partei von Nawaz Sharif getötet.

Die pakistanische Gesellschaft ist in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend durch Gewalt und Militär geprägt worden. Eine Entwicklung, die aus Afghanistan herübergeschwappt ist.

Der vom Westen geförderte Krieg gegen die Sowjets in Afghanistan hat das Militär, die Geheimdienste und die militanten Islamisten in Pakistan nachhaltig gestärkt. Waffen und Gewaltbereitschaft breiteten sich immer weiter aus. Militanz als Mittel der politischen Auseinandersetzung gehört heute leider zum Alltag in Pakistan – ob nun zwischen religiösen, ethnischen oder politischen Gruppen.

Ein Ausweg: Stärkung der Zivilgesellschaft

Der Weg heraus aus dieser Gewaltspirale ist mit Sicherheit nicht einfach. Aber er müsste anknüpfen an Entwicklungen der vergangenen Monate, in denen die Zivilgesellschaft stark geworden ist in Pakistan, in denen sich Anwälte und Journalisten als politische Kräfte etabliert haben und der Unmut über die Militärherrschaft gewachsen ist.

Pakistan braucht glaubwürdige zivile Institutionen. Notstand, Kriegsrecht und noch mehr Vollmachten für die Sicherheitskräfte werden die Gewaltspirale nicht zurückdrehen können. Auch die internationale Gemeinschaft sollte daher darauf drängen, dass Pakistan endlich eine wirkliche Demokratie wird.

Thomas Bärthlein

© DEUTSCHE WELLE 2007

Qantara.de

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