Politischer Aufbruch oder neue Konfrontation?

Mit den Wahlen ist Bangladesch zur Demokratie zurückgekehrt. Die säkular ausgerichtete "Awami League" hat gesiegt, beide Volksparteien lassen Kompromissbereitschaft erkennen. Dennoch bleibt die politische Lage fragil. Aus Dhaka berichtet Jasmin Lorch.

Mit den Wahlen ist Bangladesch, das drittgrößte mehrheitlich muslimische Land der Welt, zur Demokratie zurückgekehrt. Die säkular ausgerichtete "Awami League" hat gesiegt, beide Volksparteien lassen Kompromissbereitschaft erkennen. Dennoch bleibt die politische Lage fragil. Einzelheiten aus Dhaka von Jasmin Lorch.

​​Am 29. Dezember 2008 konnten die Bürger Bangladeschs, eines der ärmsten Länder der Welt, zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder ihre Repräsentanten wählen. Fast zwei Jahre lang war eine vom Militär gestützte Interimsregierung im Amt, die mit Notstandsverordnungen operierte.

Mit einer Wahlbeteiligung von weit über 80 Prozent haben sich die Bürger klar für eine Rückkehr zum demokratischen System ausgesprochen. Nach Angaben internationaler Beobachter verliefen die Wahlen frei und fair.

Wahlniederlage der Konservativen und Islamisten

Das Bündnis der linksgerichteten, säkular ausgerichtete "Awami League" konnte 262 von 300 Mandaten erringen. Das Wahlbündnis der eher rechtskonservativen "Bangladesh Nationalist Party" (BNP), die von 2001 bis 2006 mit der islamistischen "Jamaat-e-Islami" (JI) regierte, konnte lediglich 32 Sitze erringen. Die JI selbst stürzte von 17 Sitzen im Wahljahr 2001 auf zwei Mandate ab.

Im Wahlkampf hatte die Führerin der AL Sheikh Hasina auf den Slogan Wandel gesetzt und zudem versprochen, die Preise für Grundnahrungsmittel zu senken und gegen islamistische Militanz vorzugehen. Die BNP führte eine stark emotional und ideologisch aufgeladene Kampagne. Immer wieder hatte die Parteivorsitzende Khaleda Zia zur Wahl ihrer "nationalistisch-islamistischen" Koalition aufgerufen, um das Volk und den Islam zu retten.

Marktszene in Dhaka; Foto: Jasmin Lorch
Eine der wichtigsten Aufgaben für die Regieung ist die Armutsbekämpfung. Mehr als die Hälfte der etwa 160 Millionen Bangladescher lebt von weniger als einem Dollar am Tag.

​​Das Ergebnis zeigt, wie bereits die letzten Wahlen, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung islamistische Staatskonzepte ablehnt. Allerdings blieb der Stimmenanteil der islamistischen Parteien im Vergleich zu 2001 nahezu unverändert.

So konnte die JI zwar nur zwei Wahlkreise gewinnen, ihren Stimmenanteil mit rund 4,6 Prozent aber halten. Die kleine islamistische Partei "Islami Andalon" kam auf etwa ein Prozent der Stimmen. Im Jahr 2001 hatte die islamistische "Islami Oikya Jote" (IOJ) rund 0,7 Prozent geholt. Auch die AL hatte sich im Wahlkampf bemüht, die religiösen Wähler nicht zu vergraulen.

Zum Auftakt ihrer Kampagne betete Sheikh Hasina an muslimischen Schreinen. Zudem ließ die AL verlauten, in ihrer Regierungszeit keine "anti-islamischen" Gesetze zu erlassen. Der wichtigste Koalitionspartner der AL ist die "Jatiya Party" (JP). Sie wird von dem ehemaligen Militärmachthaber General Ershad geführt, der in seiner Amtszeit den Islam zur Staatsreligion machte.

Zwischen Kooperation und neuer Konfrontation

Bangladesch ist ein politisch gespaltenes Land. Die miteinander verfeindeten Führerinnen der

Begum Khaleda Zia; Foto: DW
Immer wieder hatte die BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia zur Wahl ihrer "nationalistisch-islamistischen" Koalition aufgerufen, um das Volk und den Islam zu retten.

​​ beiden großen Parteien nehmen beide für sich in Anspruch, das Erbe der jungen Nation zu verkörpern. Sheihk Hasina (AL) ist die Tochter des Staatsgründers Mujib. Khaleda Zia (BNP) ist die Witwe des ehemaligen Militärpräsidenten General Zia.

Die "zwei Damen", wie sie in Bangladesch genannt werden, hatten von 1991 bis 2006 immer abwechselnd das Amt der Premierministerin inne. Der Konflikt zwischen der AL und der BNP hat das Land schon oft lahm gelegt. Massendemonstrationen, Generalstreiks und Parlamentsboykotte gehörten seit vielen Jahren zur Tagesordnung. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen AL und BNP waren der Hauptgrund für das Einschreiten des Militärs im Januar 2007.

Nach dem eindeutigen Sieg der AL hatte Khaleda Zia das Wahlergebnis zunächst für inakzeptabel erklärt und behauptet, die Interimsregierung habe die Wahlen zugunsten der AL gefälscht.

Doch die AL sendete schon sehr bald versöhnliche Signale an die BNP. So erklärte Sheikh Hasina, sie betrachte die Opposition als einen Teil der Regierung. Bereits im Wahlkamp hatte die AL vorgeschlagen, den stellvertretenden Sprecher des Parlaments künftig von der Opposition stellen zu lassen. Mittlerweile hat die BNP angekündigt, an der ersten Parlamentssitzung teilzunehmen.

Dies macht Hoffnung, dass die beiden Parteien in Zukunft konstruktiver zusammenzuarbeiten werden. Aber die alten Rivalitäten können nur allzu leicht wieder aufbrechen, denn das Land bleibt gespalten.

Bangladesch hat Mehrheitswahlrecht. Die Anzahl der Parlamentsmandate spiegelt die Stimmenanteile der Parteien nur begrenzt wieder. Zusammen haben BNP und JI immerhin über 37 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigt.

Sollte die AL die Opposition politisch marginalisieren, fände die BNP zweifellos genug Anhänger, um ihren Protest auf die Straße zu tragen. Nach den Wahlen kam es zu mehreren gewaltsamen Konflikten zwischen Sympathisanten der beiden Parteien, vor allem zu Übergriffen von AL-Aktivisten auf BNP-Anhänger. Dies kann alte Feindsseligkeiten schüren.

Bescheidene Erfolge im Kampf gegen die Korruption

Nach ihrem Amtsantritt hatte die vom Militär gestützte Interimsregierung angekündigt, mit der grassierenden Korruption in Bangladesch aufzuräumen. Zwei Jahre später sind die Erfolge auf diesem Gebiet eher bescheiden.

Szene vor einem der Wahllokale in Dhaka; Foto: Jasmin Lorch
Rückkehr zur Demokratie? Die Wahlen in Bangladesch verliefen korrekt und professionell, die Beteiligung lag bei mehr als 70 Prozent.

​​In ihrem ersten Amtsjahr hatte die Interimsregierung die beiden dynastischen Parteiführerinnen Khaleda Zia (BNP) und Sheikh Hasina (AL) aufgrund von Korruptionsvorwürfen verhaftet.

Am Ende musste sie beiden Damen die Rückkehr auf die politische Bühne ermöglichen, um die Parteien dazu zu bewegen, an den Wahlen teilzunehmen. Die Interimsregierung hat durchaus einige alt bekannte Korruptionssünder unter den Politikern verurteilt und sie so von den Wahlen ausgeschlossen. Korruptionsfälle im Militär wurden allerdings kaum geahndet.

Neue Gesichter im Kabinett

Bei der Bildung ihres Kabinetts hat Sheikh Hasina weitgehend auf die Ernennung korrupter Politiker verzichtet. Die meisten der 31 Minister sind neue Gesichter. Doch war die neue politische Führung nicht nur an einem "sauberen Image" gegenüber der Öffentlichkeit interessiert. Auch schloss Sheikh Hasina bewusst so genannte Reformer aus, die sich in der Zeit ihrer Inhaftierung von ihr abgewandt hatten.

Die Korruption ist im politischen System Bangladeschs endemisch, und auch die Legislaturperiode der AL von 1996 bis 2001 war von massiver Korruption geprägt. Die jetzige Zusammensetzung des Kabinetts birgt auch Risiken. Die neue Regierung ist mit hohen Erwartungen konfrontiert, und um diese erfüllen zu können, braucht sie fachliche Expertise.

Kleine Wegbereiter für den Neuanfang

Die AL hat angekündigt, die islamistischen Kriegsverbrecher, die während des Unabhängigkeitskrieges mit der pakistanischen Armee kollaborierten, vor Gericht zu stellen. Bei der Mehrheit der Bevölkerung stößt dieses Versprechen auf großen Zuspruch. Auch Führungsmitglieder der JI gelten als Kriegsverbrecher.

Traditionell pflegt die AL ein besseres Verhältnis zum Nachbarland Indien als die BNP. Delhi hat Bangladesch mehrfach beschuldigt, auf indischem Territorium agierende Aufstandsgruppen und militante islamistische Vereinigungen zu beherbergen.

Sheikh Hasina hat nun öffentlich zugesichert, militanten Gruppen keinen Unterschlupf auf bangladeschischem Staatsgebiet zu gewähren. Zudem hat sie die Einrichtung einer regionalen Task Force zur Bekämpfung des Terrorismus in Südasien gefordert.

Die größte Hoffnung müssen die Bürger Bangladeschs allerdings auf die sich abzeichnende Bereitschaft der Parteien setzen, ihre Konflikte künftig im Parlament auszutragen. Eine Rückkehr zur Konfrontation auf der Straße würde das Militär wohl kaum dulden.

Jasmin Lorch

© Qantara.de 2009

Jasmin Lorch ist Doktorandin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Sie promoviert über die Auswirkungen schwacher Staatlichkeit auf die nationale Zivilgesellschaft in Bangladesch und auf den Philippinen.

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