UN sorgen sich um Unabhängigkeit der tunesischen Justiz

Genf. Die Vereinten Nationen haben sich besorgt über Einschränkungen der Unabhängigkeit der Justiz in Tunesien geäußert. Der UN-Sonderberichterstatter Diego García-Sayán kritisierte die Entlassung von mehreren Richtern und die Auflösung des Obersten Justizrates durch den Präsidenten Kais Saied. Die Schritte beeinträchtigten das Recht auf ein faires Verfahren, sagte García-Sayán am Freitag in Genf.



Anfang Juni hatte Saied auf einen Schlag 57 Richter und Staatsanwälte entlassen, knapp vier Monate nach der Auflösung des Obersten Justizrates, der für die Nominierung und Versetzung von Richtern zuständig war.



Nach internationalen Standards müssten alle Disziplinar- oder Abberufungsverfahren gegen Richter von einer unabhängigen Behörde geführt werden, sagte García-Sayán. Der UN-Experte für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten zeigte sich auch besorgt über den Gesundheitszustand von mehreren Richtern, die aus Protest in einen Hungerstreik getreten seien.



Kais Saied war im Oktober 2019 mit fast drei Viertel der abgegebenen Stimmen im zweiten Wahlgang zum Präsidenten gewählt worden. Der parteilose pensionierte Juradozent hatte im Juli 2021 den Notstand ausgerufen und zunächst Regierungschef Hichem Mechichi entlassen und das Parlament kaltgestellt. Seit seiner Machtübernahme hat er schrittweise demokratische Institutionen und Teile der tunesischen Verfassung sowie die Gewaltenteilung außer Kraft gesetzt.



Am 25. Juli 2022, ein Jahr nach der Verkündung des Notstands, soll die tunesische Bevölkerung über eine Verfassungsreform abstimmen. (epd)