Ringen um Abkommen: Netanjahu will nicht auf derzeitige Hamas-Forderungen eingehen

Viele Familien von Geiseln fordern von ihrer Regierung, sich zuerst um die Freilassung der Geiseln zu bemühen.
In Israel fordern Familien von Geiseln immer wieder von ihrer Regierung, sich zuerst um die Freilassung der Geiseln zu bemühen. (Foto: Nir Alon/ZUMA Press Wire/picture alliance)

Jerusalem. Im Ringen um ein neues Abkommen zur Freilassung von Geiseln aus dem Gazastreifen will Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu nicht auf die derzeit von der radikalislamischen Hamas gestellten Bedingungen eingehen. "Die Hamas hat Forderungen, die wir nicht akzeptieren werden", sagte Netanjahu am Montag vor Abgeordneten seiner Likud-Partei. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unterstrich derweil in einem Telefonat mit Netanjahu "die dringende Notwendigkeit, den Zugang und die Versorgung mit humanitärer Hilfe" für die Bevölkerung des Gazastreifens zu verbessern.

Mit Blick auf die Bedingungen einer neuen Vereinbarung mit der Hamas sagte Netanjahu, diese müssten denen des Abkommens vom vergangenen November ähneln. Hinsichtlich des weiteren militärischen Vorgehens im Gazastreifen sagte Netanjahu zudem laut seinem Büro, ein vollständiger Sieg Israels in dem Palästinensergebiet werde nicht nur der Hamas, sondern auch dem Iran und den von ihm unterstützten Milizen in der Region einen "tödlichen Schlag" versetzen, darunter der Hisbollah im Libanon und den Huthi im Jemen. Wenn ein Sieg jedoch nicht gelinge, sei die Sicherheit Israels gefährdet.

Unterdessen ging die israelische Armee weiter gegen Hamas-Ziele vor. Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP von Artilleriebeschuss in den Gebieten östlich von Rafah und Chan Junis im südlichen Gazastreifen, wo Israel die Verstecke hochrangiger Hamas-Funktionäre vermutet.

Die israelische Armee meldete später, dass sie im Norden und im Zentrum des Gazastreifens "gezielte Angriffe" ausgeführt habe. Ihre Einheiten töteten demnach "dutzende Terroristen" in der Hamas-Hochburg Chan Junis, die "Hinterhalte gelegt" hätten.

In seinem Telefonat mit Netanjahu habe Scholz betont, "dass aus Sicht der Bundesregierung nur eine verhandelte Zweistaatenlösung die Perspektive einer nachhaltigen Lösung des Nahostkonfliktes öffnen würde", erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Abend.

Nach gut vier Monaten Krieg zwischen Israel und der Hamas wächst international der Druck auf beide Seiten, ein neues Abkommen zu besiegeln, das von hochrangigen Vertretern der USA, Israels, Ägyptens und Katars Ende Januar in Paris ausgehandelt worden war. Dabei geht es um eine zunächst sechswöchige Feuerpause, die zu einer Freilassung weiterer Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Palästinenserorganisation führen soll.

Zunächst könnten 35 bis 40 israelische Geiseln im Austausch für 200 bis 300 palästinensische Häftlinge und 200 bis 300 Lkw-Hilfslieferungen für den Gazastreifen freikommen, hieß es aus Hamas-Kreisen. Ende November waren im Zuge einer von Katar, Ägypten und den USA vermittelten einwöchigen humanitären Feuerpause mehr als hundert der von der Hamas verschleppten Geiseln im Gegenzug für 240 palästinensische Gefängnisinsassen freigekommen.

Auf seiner mittlerweile fünften Nahost-Reise seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas will sich US-Außenminister Antony Blinken für den Abschluss eines neuen Abkommens starkmachen.

Neben der Freilassung der Geiseln im Gegenzug für eine Feuerpause geht es Blinken dabei nach Angaben seines Ministeriums auch um die "humanitären Bedürfnisse" im Gazastreifen.

Zuletzt war das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA massiv unter Druck geraten, weil zwölf Mitarbeiter im Verdacht stehen, aktiv am Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober beteiligt gewesen zu sein. Mehrere Staaten, darunter auch Deutschland, setzten ihre Zahlungen an das Hilfswerk aus. Spanien kündigte dagegen am Montag eine zusätzliche Zahlung von 3,5 Millionen Euro an. Die UN-Organisation selbst gab an, ein anhaltender Stopp ihrer internationalen Finanzierung würde sie zwingen, ihre Aktivitäten "Ende Februar" einzustellen. 

UN-Generalsekretär António Guterres kündigte eine unabhängige Untersuchung zur Bewertung der Neutralität der Organisation an. Diese erfolge parallel zu einer internen UN-Untersuchung zu den schweren Vorwürfen gegen ihr Palästinenserhilfswerk.

Israels Außenminister Katz begrüßte den Schritt. Seine Regierung werde dem Gremium "alle Beweise vorlegen, welche die Verbindungen des UNRWA zum Terrorismus und seine schädlichen Auswirkungen auf die regionale Stabilität aufzeigen", schrieb Katz im Onlinedienst X, vormals Twitter.

Der beispiellose Hamas-Großangriff auf Israel am 7. Oktober hatte den Krieg im Gazastreifen ausgelöst. Israelischen Angaben zufolge hatten Kämpfer der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas und weiterer militanter Palästinensergruppen etwa 1160 Menschen getötet, darunter viele Zivilisten. Rund 250 Menschen wurden zudem als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Als Reaktion auf den Angriff startete Israel einen massiven Militäreinsatz in dem Palästinensergebiet. Nach jüngsten Hamas-Angaben, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seit dem Beginn der israelischen Offensive mehr als 27.400 Menschen im Gazastreifen getötet. (AFP)