Kritik nach Ausweisung europäischer Gewerkschafts-Chefin aus Tunesien

Brüssel/Tunis. Nach Ausweisung der Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes ETUC, Esther Lynch, aus Tunesien übt die Organisation scharfe Kritik an der Regierung in Tunis. Der Schritt sei «nur die Spitze des Eisbergs» bei der Unterdrückung von Gewerkschaften in Tunesien, teilte die ETUC am Sonntagabend mit.



Diese «autoritären Taktiken» hätten «keinen Platz in einem demokratischen Land». Tunesiens Präsident Kais Saied müsse seine Angriffe auf  Gewerkschaftler beenden und demokratische Rechte respektieren.



Lynch hatte sich am Freitag in Tunesien zunächst mit Noureddine Taboubi getroffen, Generalsekretär des einflussreichen tunesischen Gewerkschaftsverbands UGTT. Am Samstag nahm sie an einem Protest in der Küstenstadt Sfax teil, zu dem Tausende auf die Straße zogen, um unter anderem wegen der schlechten Wirtschaftslage zu demonstrieren.



Daraufhin ordnete Präsident Saied die Ausweisung Lynchs an wegen der «offenkundigen Einmischung in interne Angelegenheiten Tunesiens».



Saied hat das tunesische Parlament aufgelöst und eine neue, deutlich geschwächte Volksvertretung wählen lassen. Außerdem baute er seine Macht mit einer umstrittenen neuen Verfassung aus. In den vergangenen Wochen wurden unter Korruptionsvorwürfen zudem Politiker, Geschäftsleute und ehemalige Richter festgenommen. Die Opposition sieht darin Schritte, Kritiker des Präsidenten einzuschüchtern. Auch der Chef des für kritische Berichte bekannten Radiosenders Mosaique FM, Noureddine Boutar, wurde festgenommen.



Der mächtige Gewerkschaftsverband UGTT hatte lange zu Saied gehalten, verliert aber zunehmend die Geduld mit Blick auf dessen Alleingänge. Vergangenes Jahr legte er das öffentliche Leben Tunesiens mit einem Generalstreik lahm. Der ETUC spricht von laufender Einschüchterung gegen Gewerkschafter in dem nordafrikanischen Land, etwa mit Gerichtsverfahren sowie der Überwachung und Einschränkung von Gewerkschaftsarbeit. (dpa)