Kein klarer Sieger bei Parlamentswahl in Pakistan

Anhänger von Imran Khan auf dem Highway von Peschawar nach Islamabad
Obwohl die Partei von Ex-Präsident Imran Khan, Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), nicht an den Wahlen teilnehmen durfte, traten Vertreter der PTI als unabhängige Kandidaten an und gewannen die meisten Sitze im Parlament. (Foto: Abdul Majeed/AFP)

* Unabhängige Kandidaten aus dem Khan-Lager vorne
* Partei von Sharif stärkste Einzelkraft, aber weit von Mehrheit
* Regierungsbildung wird schwierig werden
* Am Ende könnte auch die Armee eingreifen

Islamabad. Bei der von Gewalt überschatteten Parlamentswahl in Pakistan haben die von dem inhaftierten Ex-Ministerpräsidenten Imran Khan unterstützten Kandidaten offiziellen Daten zufolge die meisten Sitze erhalten. Sie gewannen 93 von 264 Mandaten, wie die Wahlkommission am Sonntag mitteilte. Auf die Partei des ebenfalls früheren Regierungschefs Nawaz Sharif entfielen 75 Sitze. Seine Partei ist damit die größte im neuen Parlament. Die von Khan unterstützten Parlamentarier sind als Unabhängige angetreten, da seine Partei von der Wahl ausgeschlossen war. Zwei Sitze können erst zu einem späteren Zeitpunkt zugeordnet werden. 

Das vorläufige Endergebnis wurde erst mehr als 60 Stunden nach Schließung der Wahllokale am Donnerstag veröffentlicht, was Zweifel an der Auszählung aufkommen ließ. Sowohl Khan als auch Sharif - seit längerem erbitterte Rivalen - hatten bereits den Sieg für sich reklamiert. Der populäre ehemalige Cricket-Spieler Khan sitzt im Gefängnis. Er war Ende Januar zu zehn Jahren Haft wegen der Preisgabe von Staatsgeheimnissen verurteilt worden.

Bereits früher erhielt er in einem Korruptionsfall eine dreijährige Haftstrafe. Der 71-Jährige beschuldigt das Militär, für seinen Sturz verantwortlich zu sein. Sein Rivale Sharif hat Gespräche mit anderen politischen Kräften in dem südasiatischen Staat angekündigt, um eine Koalition zu schmieden. Khans Partei PTI hatte mit landesweiten, aber friedlichen Protesten gedroht, weil das Ergebnis so lange ausstand. In der Nacht gab es bereits einige kleinere Demonstrationen und Straßenblockaden im Norden des Landes. Aus Polizeikreisen verlautete, dass rund 300 PTI-Anhänger die wichtigste Autobahnverbindung zwischen Peschawar und der Hauptstadt Islamabad blockierten.

Die Interimsregierung verwies auf Kommunikationsprobleme verursacht durch Internetausfälle am Wahltag. Laut PTI gibt es in einigen Wahllokalen Bedenken, ob es bei der Auszählung Unregelmäßigkeiten gegeben habe.

Schwierige Regierungsbildung erwartet

Bei der Regierungsbildung haben die Unabhängigen einen strukturellen Nachteil. 70 Sitze im Parlament werden nach Parteistärke verteilt. Hier werden die Unabhängigen nicht berücksichtigt. Die Partei von Sharif könnte bis zu 20 dieser Sitze bekommen.

Insgesamt hat das Parlament 336 Abgeordnete. Von den 70 reservierten Sitzen werden 60 auf Frauen entfallen und zehn auf Nicht-Muslime, verteilt je nach Stärke der Parteien. 128 Millionen der 241 Millionen Einwohner - alle über 18 Jahren - waren am Donnerstag aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Mit einfacher Mehrheit von mindestens 169 Abgeordneten wählt die Nationalversammlung dann den neuen Ministerpräsidenten, der die nächste Regierung für fünf Jahre anführen soll. Zu den wirtschaftlichen Herausforderungen der Atommacht gehört, möglichst schnell ein neues Hilfsprogramm mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auszuhandeln.

Die Partei von Sharif könnte sich nun mit der Pakistanischen Volkspartei (PPP) verbünden, die ihrerseits 53 Sitze hat. Sie sind dann aber immer noch auf die Unterstützung kleiner Parteien angewiesen. Sharif oder sein Bruder Shehbaz könnten Ministerpräsident werden, andere Schlüsselposten an die Partner gehen. Die unabhängigen Abgeordneten aus dem Khan-Lager könnten ihrerseits einer kleineren Partei beitreten und so doch einige der reservierten Sitze bekommen. So könnten sie näher an die nötige Mehrheit kommen. Sie können sich auch mit kleineren Parteien auf einen Kompromisskandidaten für den Regierungschef einlassen. Zudem könnte die PPP einen Versuch unternehmen, selbst den Ministerpräsidenten zu stellen.

Sollte es keine politische Verständigung geben, könnte die einflussreiche Armee des Landes einschreiten. Dies ist bereits mehrfach geschehen, zuletzt 1999, als Sharif aus dem Amt gedrängt wurde. Die Armee hat die politischen Parteien aufgerufen, Reife und Geschlossenheit zu zeigen. (Reuters)