Jüdisch-arabische Organisation will Hilfsgüter nach Gaza bringen

Menschen in Rafah stehen Schlange, um ein paar Kalorien zu ergattern.
Menschen in Rafah, südlicher Gazastreifen, stehen Schlange, um ein paar Kalorien zu ergattern. (Foto: Mohammed Salem/REUTERS)

Hilfe für Zivilisten in Gaza steht auf der Tagesordnung in Israels Öffentlichkeit weit unten. Nicht so bei den jüdischen und arabischen Aktivisten von "Standing together". Die schnürten ihr eigenes Hilfspaket gegen den Hunger in Gaza.

Nir Jitzchak. Ihre Hilfe wäre ein Tropfen auf dem heißen Stein – und doch ein Symbol in einem polarisierten Konflikt: Am Donnerstag versuchten Freiwillige der arabisch-jüdischen israelischen Organisation "Standing Together", eine kleine Menge Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen. Dort leiden nach Angaben von UN und Hilfswerken die Menschen zunehmend unter Hunger und mangelnder humanitärer Hilfe. Am südisraelischen Kibbuz Nir Jitzchak, zwölf Kilometer vor dem Grenzübergang Kerem Schalom, war jedoch Schluss für den Konvoi. Drei Minuten gab Israels Grenzpolizei der Menge, die Zufahrtsstraße zu räumen.

Zucker, Mehl, ein paar Konserven und Reis, Spenden aus Tel Aviv, Haifa, Jerusalem und Beerscheba: Die für Gaza bestimmten Hilfsgüter bedecken gerade den Boden des kleinen LKW, dahinter knapp 20 Autos mit den lilafarbenen Fahnen von "Standing together" und den gelben Bändern, die für die israelischen Geiseln im Gazastreifen stehen. Rula Daoud, Ko-Leiterin der Organisation, ist zufrieden mit dem Zuspruch. "Wir haben den Hilfsaufruf erst vor 20 Stunden veröffentlicht, um zu verhindern, dass uns die radikale Rechte Probleme macht", so Daoud. Drohanrufe und -nachrichten gehören für die linken Aktivisten zur Tagesordnung, sagt sie, und dass es sehr wahrscheinlich sei, dass rechte Siedler den Konvoi zu behindern versuchen.

Nicht provozieren, sich nicht provozieren lassen, und unter keinen Umständen Gewalt, lauten entsprechend eindringlich die Anweisungen für die Anwesenden. "Unsere Botschaft ist positiv", sagt Aktivist Suf Patischi. "Es ist im Interesse aller, die hier leben, in Frieden zu leben zu können - und ganz sicher nicht, dass Menschen in Gaza vor Hunger sterben. Unser Ziel ist, dass unser LKW ankommt."

Sie sei hier, um den Menschen in Gaza zu zeigen, dass "es Menschen gibt, denen sie nicht egal sind", sagt Einat aus dem Süden Israels. Die Situation mit "viel Hass auf beiden Seiten" mache sie traurig. "Ich hoffe sehr, dass aus dieser ganzen Dunkelheit etwas Neues entstehen kann - und wir eines Tages die Mauern und Zäune einreißen können", sagt sie. Dann werde man hoffentlich auch "Frieden mit der Erde" schließen können und genug Bäume und Gemüse pflanzen, damit die Palästinenser nicht mehr von Hilfe von außen abhängig sein werden. "Es ist ein Volk, das über Generationen in und mit dem Land gelebt hat, und das viel besser als unsere Kibbuzim."

Dass das Erreichen von Kerem Schalom ein unrealistisches Ziel für diesen Tag ist, wissen die Organisatoren, wissen die Teilnehmer. Die schleppende humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen ist ein Dauerthema auf der Agenda. Hilfsorganisationen werfen Israel Behinderung der Hilfslieferungen und gezieltes Aushungern der Bevölkerung als Kriegstaktik vor. Israel wiederum macht die Vereinten Nationen für Lieferschwierigkeiten verantwortlich.

Auch Konvois, die es bis Gaza schaffen, kommen nicht immer beim Empfänger an. Erst am Dienstag waren ein für die Menschen im Norden Gazas bestimmter Lebensmittelkonvoi des UN-Welternährungsprogramms (WFP) überfallen und seine 200 Tonnen Ladung geplündert worden, nachdem Israels Armee die Lastwagen über Stunden an einem Kontrollpunkt festgehalten hatte. Wenige Tage davor war es um einen Hilfskonvoi für den Norden Gazas zu einer Katastrophe gekommen, als unter anderem durch israelische Schüsse Dutzende Palästinenser starben. Während Palästinenser und auch Jerusalemer Kirchenführer von mutwilliger Tötung sprachen, machte die israelische Armee eine Bedrohungslage geltend.

Im Fall des lilabeflaggten Hilfskonvois machte die Armee am Dienstag eine militärische Sperrzone geltend. "Die Polizei lässt uns unsere Hilfe nicht ausliefern, während die anderen reindürfen", sagt Suf Patischi. Gemeint sind rechte Siedler-Aktivisten, die trotz Betretungsverbots für das Sperrgebiet in den vergangenen Wochen wiederholt Hilfskonvois am Übergang Kerem Schalom blockierten, unter den Augen der Sicherheitskräfte. "Wir werden nicht schweigen, und wir werden nicht stoppen - bis wir sicherstellen, dass die Menschen in Gaza nicht verhungern", deklariert Patischi, bevor die Organisatoren zum Rückzug rufen.

Das Kernteam wird vielleicht selben Tags noch am ägyptischen Grenzübergang Nizzana versuchen, ihre Hilfe über Dritte nach Gaza zu bekommen. So oder so sind sie längst im Kontakt mit lokalen und internationalen Hilfsorganisationen wie Unicef und Save the Children. Am Ende, glauben Daoud, Parischi und die anderen, werde es ihnen gelingen, die Nahrung zu den Hungernden zu bringen – und die Botschaft in die Welt: "Es gibt eine andere Stimme in Israel; eine Stimme, die sich dagegen wehrt, dass in Gaza Menschen verhungern und dass Israels Regierung Hilfe verhindert", so Daoud. (KNA)