26 verletzte Polizisten bei Eritrea-Festival - Debatte um Zukunft

Gewaltsame Ausschreitungen rund um das umstrittene Eritrea-Festival haben eine Debatte um die Zukunft der Veranstaltung ausgelöst, die zahlreiche Strafanzeigen nach sich zog. Nach der Gewalt vom Samstag blieb es am Sonntag friedlich.



Gießen. Bei Ausschreitungen am Rande des umstrittenen Eritrea-Festivals in Gießen sind am Wochenende 26 Polizisten verletzt worden. Gegner der Veranstaltung attackierten am Samstag Beamte mit Stein- und Flaschenwürfen und zündeten Rauchbomben. Sie durchbrachen Absperrungen und versuchten, auf das Festivalgelände zu gelangen. Die Polizisten setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Auch in der Stadt kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Am Sonntag blieb die Lage friedlich.



Veranstalter des Festivals war der Zentralrat der Eritreer in Deutschland, der wegen seiner Nähe zu dem Regime in dem Land am Horn von Afrika als umstritten gilt. In Eritrea regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Auch Menschenrechtsorganisationen haben wiederholt von schweren Missständen berichtet. Schon im August 2022 war es bei der vorangegangenen Veranstaltung zu gewaltsamen Ausschreitungen mit verletzten Besuchern und Polizisten gekommen.



Die Stadt Gießen hatte vergeblich versucht, gerichtlich ein Verbot des Festivals durchzusetzen, auch weil die Polizei zuvor Kenntnis bekommen hatte, dass womöglich gewaltbereite Störer anreisen werden.



Am Samstag waren mehr als 1000 Polizisten in Gießen im Einsatz, zwischenzeitlich wurden weitere Kräfte aus ganz Hessen alarmiert. Auch ein Wasserwerfer stand bereit. Wie die Polizei in einem vorläufigen Resümee ihres viertägigen Einsatzes rund um das Festival am Sonntagabend mitteilte, wurden nach den Ausschreitungen bislang 125 Strafanzeigen erstattet. Dabei sei es fast ausschließlich um Landfriedensbruch gegangen. 131 Personen seien in Gewahrsam genommen worden. In mehr als 1800 Fällen seien Personen kontrolliert oder ihre Identität festgestellt worden.



Die Regierung Eritreas sprach in einer Mitteilung am Sonntag mit Blick auf das Festival von einem bunten Fest mit Vorführungen und Kinderprogramm, ohne die Ausschreitungen zu erwähnen.



Von den 26 verletzen Beamten trugen sieben schwerere Verletzungen davon wie einen Knochenbruch, offene Schürfwunden und Bänderrisse. Es sei nicht bekannt, dass Besucher oder Gegner der Veranstaltung schwerer verletzt worden seien oder unbeteiligte Dritte Verletzungen erlitten hätten, teilte die Polizei mit.



Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte die Gewalt. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) forderte die Bundesregierung auf, den Botschafter des Landes einzubestellen. «Der eritreischen Regierung muss deutlich gemacht werden, dass eritreische Konflikte nicht auf deutschem Boden ausgetragen werden dürfen», sagte er am Samstag. «Unsere Polizistinnen und Polizisten sind nicht der Prellbock für Konflikte von Drittstaaten.»



Der Parlamentsgeschäftsführer der CDU/CSU im Bundestag, Thorsten Frei, forderte ein «Ende der Naivität in der Migrationspolitik». Er sagte der dpa: «Wer ungesteuerte Migration akzeptiert oder - wie die Grünen - sogar regelmäßig befördert, sollte sich über die Konsequenzen nicht wundern.» Der AfD-Vizevorsitzende Stephan Brandner kritisierte, dass das Eritrea-Festival in Deutschland stattfinden dürfe. «Die Diktatur möge sich selbst in Eritrea feiern. So etwas hat in unserem Land nichts verloren.»



Das Festival war nach Angaben der Stadt vor mehr als zehn Jahren von Frankfurt nach Gießen gezogen, wohl wegen der zentralen Lage der mittelhessischen Stadt und der für das Fest geeigneten Halle, die außerhalb der Innenstadt liegt.



Das Polizeipräsidium Mittelhessen wies darauf hin, dass unmittelbar nach der Anmeldung der Veranstaltungen mit Vorbereitungen begonnen worden sei, in die auch die Erfahrungen der Vorgänger-Veranstaltung im vergangenen August eingeflossen seien. In diesem Jahr habe es in sozialen Medien Aufrufe gegeben, das Festival gewaltsam zu verhindern, die sich gegen Besucher der Veranstaltung sowie gegen die Polizei gerichtet hätten. Bei Beratungen mit der Stadt habe man die Gefahrenprognose im Zuge der Anreise gewalttätiger Störer auch aus dem europäischen Ausland skizziert. «Die polizeiliche Gefährdungslagenbewertung wurde durch den Verlauf des gestrigen Tages leider bestätigt», so die Polizei.



Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im hessischen Landtag, Heike Hofmann, sprach sich dafür aus, nicht nur das Sicherheitskonzept, sondern den Fortbestand des Festivals insgesamt kritisch zu hinterfragen. Es stelle sich die Frage, «ob die als «Familienfest» deklarierte Veranstaltung, die von Kritikerinnen und Kritikern als Propagandaveranstaltung des diktatorischen Regimes in Eritrea eingeordnet wird, noch einmal stattfinden» könne.



Auch der Gießener Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) fordert eine Aufarbeitung. «Die Bilder, die aus unserer Stadt am Wochenende durch die Welt gingen, sind unerträglich», wurde Becher in einer Mitteilung der Stadt zitiert. Tausende Unbeteiligte seien in ihrem alltäglichen Leben mehr als einen ganzen Tag massiv eingeschränkt worden. «Man muss angesichts dessen tatsächlich die Frage stellen: Stehen diese Einschränkungen noch im richtigen Verhältnis zu dem Wunsch des Veranstalters, ein Fest zu feiern? Diese Frage gehört auf allen Ebenen - politisch wie juristisch - aufgearbeitet.»



Die Stimmung war in sozialen Netzwerken teils aufgeheizt. Die Polizei hatte vor Falschmeldungen gewarnt. Ein Sprecher sagte, dass ein Teil der im Internet kursierenden Videos, die Ausschreitungen zeigten, mutmaßlich aus dem Vorjahr stammten. (dpa)