
Wenn der Wahnsinn regiert
Ein Hinfiebern auf den Krieg ist unübersehbar. Als wenn es davon nicht schon genug gäbe, scheinen die Vereinigten Staaten es gar nicht erwarten zu können, einen neuen, größeren Krieg im Mittleren Osten zu entfachen.
Donald Trump hat den Ausstieg aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran erklärt und die Wiederverhängung scharfer Wirtschaftssanktionen gegen den Erzfeind angeordnet. Als er mit seiner Erklärung fertig war, konnte man sehen, wie er an der Saaltür von seinem neuen Sicherheitsberater John Bolton empfangen wurde.
Bolton, nun einer der mächtigsten Männer der amerikanischen Administration, ist im Juli 2017 in Paris bei einem Treffen der exiliranischen "Volksmodschahedin" aufgetreten. Dort proklamierte er vor einigen tausend begeisterten Zuhörern das Ziel seiner Iran-Politik: "Regime Change." Wörtlich sagte Bolton: "Es gibt nur eine Lösung. Wir müssen das Regime austauschen. Wir werden noch vor 2019 gemeinsam in Teheran feiern."
Als wäre der inzwischen zum Sicherheitsberater des Präsidenten aufgerückte Außenpolitiker beeindruckt von der schiitischen Zahlenmystik: die Islamische Republik solle ihren 40. Geburtstag nicht mehr feiern, der in den Februar 2019 fiele. Die Zahl "40" hat im Schiitentum eine besondere Bedeutung.
Eine desaströse Politik der Illusionen
Um es kurz zu sagen: was hier passiert, ist Wahnsinn. Amerika wird von moralisch Verwahrlosten regiert. Das Schlechteste der amerikanischen Gesellschaft hat sich durch die Institutionen nach oben gespült. In der Iran-Politik zeigt es sein hässliches Gesicht. Bolton, der neue Außenminister Pompeo und Verteidigungsminister Mattis ziehen die Fäden der Iran-Politik. Trump ist nur ihr Lautsprecher nach außen.
Wie immer beruht die Politik von Wahnsinnigen auf Illusionen. Die Machthaber in Washington glauben, durch neue Sanktionen die Wirtschafts- und Währungskrise im Iran so verschärfen zu können, dass die Bevölkerung sich erhebt, das Regime in einem Aufstand stürzt und die Amerikaner als Befreier feiert.
Die über allem schwebende Drohung der Vereinigten Staaten: Wenn es sein muss, werden wir mit militärischen Mitteln noch ein wenig nachhelfen. Diese politische Logik hat Trumps ehemaliger Sicherheitsberater Michael Flynn, General im Ruhestand, in seinem Buch "Field of Fight" unverhohlen formuliert.
Die Obama-Regierung habe es 2009 versäumt, die damalige Protestwelle im Iran militärisch und geheimdienstlich zu unterstützen. Hätten die Vereinigten Staaten nur robust genug zu Gunsten der Demonstranten eingegriffen, so Flynn, dann würden "die Mullahs" heute nicht mehr in Teheran regieren.
Das Illusionäre daran erklärt sich schon durch den Hinweis, dass die iranische Nation nicht aus ein paar tausend in Paris versammelten halluzinierenden "Jubelpersern" besteht, sondern aus beinahe 80 Millionen Menschen. Eine nicht unerhebliche Minderheit steht treu zum Regime. Die Mehrheit liebt die "Islamische Republik" keineswegs. Aber sie hofft genauso wenig darauf, dass Amerika mit Wirtschaftssanktionen und Krieg das Regime beseitigt.

Die überwältigende Mehrheit der Iraner ist überzeugt, dass Chaos die Folge wäre. Die iranische Bevölkerung ist nicht auf Regierungspropaganda angewiesen, um zu wissen, dass in den Ländern nebenan, in denen die USA "eingegriffen" haben, Chaos herrscht: in Afghanistan, im Irak, in Syrien und anderswo.
Moralisch im Recht
Angesichts der politischen Klasse, die jetzt in Washington regiert, fällt es "dem Mullah" Hassan Rohani nicht schwer, seine geistig-moralische Überlegenheit zu zeigen. In seiner Antwort auf Trumps Erklärung bekräftigte der iranische Präsident, sein Land halte sich an das Atom-Abkommen, sei dem Multilateralismus verpflichtet und setze auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit den übrigen Vertragsparteien. Die amerikanische Regierung habe, so Rohani, offenbar ihre Hausaufgaben in Geschichte nicht gemacht. Diese habe gezeigt, dass die Iraner eine amerikanische Politik "des Staatsstreichs und des Krieges" gegen ihr Land ablehnten.
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