
Neue Friedensinitiativen im Nahost-KonfliktZwei Staaten, eine Heimat
Langsam füllt sich die Ana Lu-Lu-Bar. Sie liegt in einer versteckten Altstadtgasse in Jaffa, der arabischen Zwillingsstadt von Tel Aviv, und gilt als Geheimtipp für Nachtschwärmer, schräge Vögel und die alternative Szene. Aber das Thema dieses Abends zieht auch ältere Semester und brav gekleidete Jugendliche mit Häkelkippa auf dem Kopf an.
An der rohen Backsteinwand blinkt ein Neonherz, bunte Glühbirnen baumeln über dem Tresen. Dort, wo sonst die Musik aufgelegt wird, klopfen zwei Oldies, beide Mitte fünfzig und in Hemdsärmeln, zum Test aufs Mikrofon. Der eine ist Israeli, der andere Palästinenser aus dem Westjordanland. Was sie verbindet, ist eine Friedensinitiative, die beiden Völkern gerecht werden soll und frappierend einfach klingt.
Sie nennt sich "Zwei Staaten, eine Heimat" und beruht auf dem Gedanken, dass keine Seite verlieren soll, keiner groß verzichten muss. Jüdische Siedler dürfen, wenn sie wollen, als Residenten in einem Staat Palästina leben. Palästinensische Flüchtlinge können in gleich großer Zahl, entsprechend einer festzusetzenden Quote, ein Wohnrecht in Israel bekommen. Aber beide Gruppen bleiben jeweils Bürger ihres eigenen Staates, dessen Regierung sie auch wählen – ähnlich wie ein Auslandsdeutscher in Frankreich oder Spanien.
"Zwei Staaten plus"
"Pragmatische Utopie" nennt Meron Rapoport das Konzept "Zwei Staaten plus". Er ist ein israelischer Journalist, der für ein TV-Erziehungsprogramm arbeitet. Sein politischer Partner aus Bethlehem, ein studierter Politologe, der als junger Palästinenser jahrelang hinter israelischen Gittern saß, drückt es anders aus. Auni al-Mashini nennt die Idee "Zwei Staaten, eine Heimat" eine Kombination "bei der beide Seiten gewinnen".

Das Publikum im "Ana Lu-Lu" lauscht hingerissen. Ihm gefällt die Vorstellung einer Friedenslösung, die ohne Zwangsräumung von Siedlungen auskommt.
"Uns Palästinensern ist alles recht, was die Besatzung beendet", sagt Mashni. Auch dieser Satz kommt bei den Zuhörern gut an. "Endlich mal frische Ideen", meint Omer Krieger, ein Künstler aus Tel Aviv. "Zwei Staaten mit offenen Grenzen, die das Selbstbestimmungsrecht und die nationale Identität respektieren, damit können wir leben."
Jede Nation hat das Bedürfnis, unabhängig zu leben
Den gängigen politischen Programmen entspricht das Modell allerdings nicht. Die linksorientierte Arbeitspartei ist zwar für eine Zwei-Staaten-Lösung, aber aus dem Bedürfnis nach klarer Abtrennung heraus. Wir hier, die dort. Man will die besetzten Gebiete los sein und von Palästinensern nicht weiter belästigt werden. Das nationalrechte Lager wirbt indessen für eine Annexion von "Judäa und Samaria", so der biblische Name für das Hügelland westlich des Jordans. Die palästinensischen Bewohner sollen sich mit ihren Autonomiezonen begnügen. Premier Benjamin Netanjahu wiederum will, wie er beteuert, eine Zwei-Staaten-Lösung verbunden mit einem großen Aber. Keine Räumung von Siedlungen, weil dies nach seinem Dafürhalten einer ethnischen Säuberung gleichkomme. Und schon gar keine Partnerschaft mit den Palästinensern auf Augenhöhe.
Dennoch gibt es unter jüdischen Siedlern eine Minderheit, die ihre arabischen Nachbarn als Gleichberechtigte sieht. Zu ihnen gehört Elias Cohen, 44. Er ist von Beruf Poet, lebt mit seiner Familie in einem schmucken Eigenheim in der Siedlung Kfar Zion südlich von Bethlehem und sagt: "Ich hatte schon immer eine sozialistische Ader und von früher Jugend an begriffen, dass wir uns das Land mit den Palästinensern teilen müssen".