Streit um Ruhm und Ehre

Ein Film-Projekt aus Hollywood sowie ein gemeinsamer Vorstoß Irans und der Türkei, das Hauptwerk Rumis bei der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe anzumelden, sorgen derzeit für politischen Wirbel, vor allem in Afghanistan. Von Waslat Hasrat-Nazimi

Von Waslat Hasrat-Nazimi

Was bewegt die Afghanen derzeit? Ausgerechnet ein Dichter und Sufi-Mystiker aus dem 13. Jahrhundert, wenn auch einer der berühmtesten: Rumi. Auch nach 800 Jahren sind seine Gedichte im persisch-sprachigen Raum, also in Afghanistan, Iran, Tadschikistan und Aserbaidschan vielen geläufig.

Der Grund für die Aufregung, die sich naturgemäß vor allem "im Netz" abspielt, ist zweifach: Zum einen will ausgerechnet Hollywood das Leben des hochverehrten Dichters verfilmen. Und Leonardo die Caprio ist im Gespräch für die Hauptrolle, wie Drehbuchautor David Franzoni (Oscar für "Gladiator") den Medien mitteilte.

Offenbar gibt es viele, die die Darstellung eines muslimischen Mystikers und Dichters mit einem westlichen nicht-muslimischen Schauspieler ablehnen. Der enstprechende Hashtag lautet: #RumiWasntWhite . Der iranische Künstler Shahab Jafarnejad veröffentlichte eine Karikatur, die di Caprio als Rumi zeigt und hunderte Male geteilt wurde.

"Für uns ist das Thema neu und wir sammeln noch Informationen zu dieser Angelegenheit", sagte Haroon Hakimi, Sprecher des afghanischen Ministeriums für Information und Kultur. "Sobald wir mehr wissen, werden wir unsere Haltung den Filmemachern mitteilen."

Türkisch-iranischer Vorstoß

Wie es der Zufall will, ist Rumi derzeit noch aus einem anderen Grund in Afghanistan Gesprächsthema, und zwar ganz offiziell. Was ist geschehen? Offenbar wollen die Türkei und der Iran gemeinsam das Hauptwerk Rumis bei der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe anmelden. Darüber informierte die afghanische Botschaft in Teheran die Regierung in Kabul.

Twitter-Meldung Omidhq: Can you imagine @LeoDiCaprio as #Rumi?
Can you imagine @LeoDiCaprio as #Rumi? - Der iranische Künstler Shahab Jafarnejad veröffentlichte eine Karikatur, die Schauspieler Leonardo di Caprio als Rumi zeigt und hunderte Male geteilt wurde.

Dort war man über den dreisten Coup der beiden Länder erzürnt, die sich so ohne weiteres Rumis Erbe und Ruhm unter dem Deckmantel des Weltkulturerbes auf die Fahnen schreiben lassen wollen. Schließlich liege Rumis Geburtsort in Balkh, einer Provinz des heutigen Afghanistan, und deshalb sei er vor allem ein afghanischer Dichter!

Allerdings hat Rumi den größten Teil seines Lebens in der heutigen Türkei verbracht, er starb in Konya. Sein Grab gilt als die zweitbeliebteste Touristenattraktion der Türkei. Und da Rumi sein Werk auf Persisch verfasste, beansprucht der Iran ihn als einen der Seinen.

"Sobald wir von der Sache gehört hatten, haben wir die Vertreterin der UNESCO kontaktiert und unsere Besorgnis geäußert", so Hakim. "Jalal al-Din Muhammad Balkhi (wie Rumi in Afghanistan genannt wird) ist unser Stolz und wir lassen uns diese Ehre von keinem anderen Land wegnehmen". McPhillips versprach, die Bedenken Kabuls an den Hauptsitz weiterzuleiten. Jedoch teilte die UNESCO mit, dass bisher von keiner Seite ein offizieller Antrag eingegangen sei.

Proteste geplant

Um gegen das Vorgehen des Irans und der Türkei zu protestieren, sind Demonstrationen an der Ruine der Geburtsstätte von Rumi in der nördlichen Provinz Balkh in Afghanistan geplant. "Rumi hat eigentlich drei Heimatländer", sagt Sadeq Osyani, Professor für Literatur an der Universität Balkh. "Das eine ist die ganze Welt, das andere die Sprache, und das dritte sein Geburtsort Balkh, der in Afghanistan liegt", so Osyani.

Mausoleum von Mevlana Celaleddin Rumi und die Hadschi-Bektasch-Moschee in Konya; Foto: picture alliance/blickwinkel/imagesandstories
Rumis Grab im türkischen Konya: Viele der Ideen großer Mystiker wie Jalāl ad-Dīn Rūmī, Omar Chayyām oder Fariduddin Attar gelangten durch Kontakte zwischen der islamischen und der christlichen Welt nach Europa – sei es in den Kreuzfahrerstaaten, während der normannischen Epoche auf Sizilien oder auf der iberischen Halbinsel und beeinflussten mit ihren Vorstellungen namhafte Persönlichkeiten des Okzidents.

Natürlich ist das Thema auch in den sozialen Medien präsent, einige User machten ihrem Ärger auf der UNESCO-Facebook Seite Luft. Der Journalist Frud Bezhan teilte ein Foto der Geburtsstätte.

Sayed Zafar Hashemi, stellvertretender Sprecher des afghanischen Präsidenten, rief "international bekannte" afghanische Autoren auf, sich zu der Angelegenheit zu äußern.

Es gab allerdings auch Stimmen, die argumentierten, dass Rumi keinem Land sondern der ganzen Welt gehöre.

Auch Osyani teilt diese Meinung. "Es gab bisher keinen Grund, Rumi für Afghanistan zu reklamieren. Seine Kunst und sein Einfluss gehören der Welt, aber wenn man es wirklich darauf ankommen lassen will, dann muss man anerkennen, dass Jalal al-Din Muhammad Balkhi zu Balkh gehört".

Der Dichter aus dem 13. Jahrhundert gilt auch heute als einer der namhaftesten Persönlichkeiten der islamischen Geschichte und der persischsprachigen Literatur. Sein Einfluss reicht jedoch über die islamische Welt hinaus. In den USA gilt Rumi sogar als der am meisten gelesene Dichter des Landes. Die UNESCO hatte 2007 anlässlich des 800. Geburtstags von Rumi das "internationale Rumi-Jahr" ausgerufen.

Waslat Hasrat-Nazimi

© Deutsche Welle 2016