Mehr als hundert Verletzte nach Protesten gegen Parlamentswahl in Kirgistan

Nach der Parlamentswahl in Kirgistan sind Proteste gegen das Wahlergebnis am Montag gewaltsam aufgelöst worden. Mindestens 120 Menschen wurden bei Zusammenstößen mit der Polizei in der Hauptstadt Bischkek verletzt und mussten in Krankenhäusern behandelt werden, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Vertreter der Opposition forderten die Annullierung der Wahl, bei der am Sonntag dem Präsidenten Sooronbai Scheenbekow nahestehende Parteien den Einzug ins Parlament gelungen war.

Bis in die Abendstunden setzte die Polizei Schall- und Blendgranaten sowie Tränengas gegen Hunderte von Demonstranten ein, die sich im Stadtzentrum versammelt hatten. Die Demonstranten warfen Steine auf die Beamten, einige versuchten zudem, über die Gitter vor dem Amtssitz von Präsident Scheenbekow zu klettern, wie Aufnahmen lokaler Medien zeigten.

Die Verletzten kamen nach Angaben des Gesundheitsministeriums in umliegende Krankenhäuser in Bischkek. Etwa die Hälfte der 120 Verletzten seien "Vertreter der Strafverfolgungsbehörden", erklärte das Ministerium. Mehrere Menschen befanden sich demnach in kritischem Zustand. Unter den Verletzten sei auch Oppositionsführer Janar Akayew, teilte seine Partei Ata Meken der Nachrichtenagentur AFP mit.

Gemeinsam mit der Partei Bir Bol und anderen Oppositionsparteien scheiterte Ata Meken laut den vorläufigen Angaben der Wahlkommission an der Sieben-Prozent-Hürde und verpasste damit den Wiedereinzug ins Parlament. Am Tag nach der Wahl folgten daraufhin rund 5.000 Menschen den Aufrufen mehrerer Parteien, gegen das Wahlergebnis zu protestieren.

In Bischkek verlangten die Demonstranten den Rücktritt des Präsidenten: "Scheenbekow raus!", rief die Menge auf dem Ala-Too-Platz. "Der Präsident hatte ehrliche Wahlen versprochen. Er hat sein Wort nicht gehalten", rief der Kandidat von Ata Meken, Ryskeldi Mombekow, der Menge zu. Er forderte die Zentrale Wahlkommission auf, die Wahl "in den nächsten 24 Stunden" zu annullieren.

Auf Bildern, die in sozialen Netzwerken geteilt wurden, waren Polizeifahrzeuge nahe des Ala-Too-Platzes zu sehen. Der Platz war in der Vergangenheit Schauplatz politischer Auseinandersetzungen, die in den Jahren 2005 und 2010 zum Sturz von zwei autoritären Präsidenten führten. Im Zuge der Proteste rief am Montag ein Oppositionspolitiker den Demonstranten zu, "20.000 bis 30.000 Menschen zu versammeln und die Regierung friedlich zu stürzen".

Laut der Wahlkommission kamen die Birimdik-Partei von Scheenbekows jüngerem Bruder Asylbek sowie die Mekenim-Kirgistan-Partei auf jeweils rund 25 Prozent der Stimmen, nachdem 98 Prozent der abgegebenen Stimmen ausgezählt waren. Die Mekenim-Kirgistan-Partei ist mit der dem Präsidenten nahestehenden Familie Matraimow verbunden.

Laut der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) war die Parlamentswahl insgesamt gut organisiert, außerdem hätten die Kandidaten einen fairen Wahlkampf führen können. "Aber es gibt Grund zur Besorgnis wegen glaubwürdiger Anschuldigungen des Stimmenkaufs", sagte Thomas Boserup, Leiter der OSZE-Mission für die Wahlen in Kirgistan.

Das überwiegend muslimische Kirgistan mit seinen sechs Millionen Einwohnern gilt als das demokratischste Land in Zentralasien, zugleich aber auch als politisch besonders instabil.

Seit 2015 ist das zentralasiatische Land Mitglied der von Russland angeführten Eurasischen Wirtschaftsunion, hunderttausende Kirgisen verdienen ihren Lebensunterhalt in Russland. Scheenbekow hatte sich vor der Wahl mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin getroffen und vor Kräften gewarnt, die einen Keil in das Bündnis zwischen beiden Ländern treiben wollten. (AFP)