Bundeswehr in Mali: An der Grenze des Machbaren

Seit knapp zehn Jahren versucht eine internationale Militärmission, das westafrikanische Mali zu stabilisieren. Die Bundeswehr ist daran beteiligt. Nun steht eine erneute Verlängerung des Einsatzes an, doch die Lage hat sich kaum verbessert. Eine Analyse von Benjamin Dürr (epd)



Frankfurt a.M./Bamako. Mehrmals im Jahr wehen die Flaggen an den Kasernen der Militärmission Minusma auf Halbmast - immer dann, wenn ein Soldat oder Mitarbeiter getötet wurde. Seit dem Beginn des Einsatzes im westafrikanischen Mali im Jahr 2013 kamen fast 250 Soldaten und Mitarbeiter ums Leben. Minusma gilt damit als der gefährlichste Militäreinsatz der Vereinten Nationen - in einem komplexen Konflikt.



Die Friedenstruppe wurde 2013 vom UN-Sicherheitsrat geschaffen, um ein Abrutschen des westafrikanischen Landes ins Chaos zu verhindern. Das Militär hatte 2012 die Regierung gestürzt, die Soldaten waren unzufrieden über die schlechte Ausrüstung im Kampf gegen Aufständische. Nach dem Putsch nutzten islamistische Milizen im Norden des Landes die Schwäche des Staats, um die Kontrolle über Teile Malis zu übernehmen.



Der internationalen Gemeinschaft gelang es unter anderem durch eine französische Militärintervention zwar, die Islamisten zurückzudrängen und ein Auseinanderfallen des Landes zu verhindern. Terrorismus, Instabilität und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung dauern jedoch an, vor allem im Norden.



Im Zentrum Malis brechen zudem immer wieder Konflikte über den Zugang zu Land und Wasser aus. Laut dem Bürgerrechtszentrum Civic wurden im vergangenen Jahr mehr Zivilisten getötet als in allen Jahren vorher. Im August zwang das Militär zum zweiten Mal nach 2012 die Regierung zum Rücktritt. Seither ist eine Militärjunta an der Macht. Die Lage in Mali ist damit seit dem Beginn der Militärmission noch komplizierter geworden.



Auch die Bundeswehr ist an dem Einsatz in Mali beteiligt. Deutsche Soldaten unterstützen mit Frachtflügen die malische Armee bei der Versorgung und sammeln am Boden und in der Luft Informationen über die Entwicklung der Sicherheitslage. Nun steht eine Verlängerung des Mandats an. Das Kabinett beschloss Ende April bereits, die deutsche Beteiligung an Minusma und der Europäischen Trainingsmission (EUTM) bis zum 31. Mai 2022 zu verlängern. In der kommenden Woche soll der Bundestag darüber abstimmen.



Minusma soll vor allem die Umsetzung eines Friedensabkommens aus dem Jahr 2015 unterstützen und die durch den Konflikt geschwächten staatlichen Institutionen wiederherstellen. Die EUTM bildet hauptsächlich malische Streitkräfte und die Gemeinsame Einsatztruppe der G5-Sahel-Staaten Mali, Burkina Faso, Mauretanien, Niger und Tschad aus. Der Bundesregierung zufolge macht die Sicherheitslage eine Verlängerung notwendig. Terrorismus und organisierte Kriminalität drohen nicht nur Mali, sondern ganz Westafrika zu destabilisieren. Mit der anstehenden Verlängerung soll das Mandat der Bundeswehr deshalb auch auf die Nachbarländer Niger und Burkina Faso ausgeweitet und die Obergrenze von 450 auf 600 deutsche Soldaten erhöht werden.



Experten zweifeln jedoch zunehmend am deutschen Engagement in Mali. Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) kam in einer Analyse im Februar zu dem Schluss, dass die deutsche Beteiligung vor allem politischen Interessen außerhalb Malis geschuldet sei: Deutschland wolle damit seine Solidarität vor allem gegenüber Frankreich ausdrücken und seine Bereitschaft zeigen, international militärische Verantwortung zu übernehmen. «Vorrang genießt bei diesem Engagement, dass das Sicherheitsrisiko für Bundeswehrsoldaten auf ein absolutes Minimum reduziert wird», erläutert er. Wegen dieser Zurückhaltung hat Lacher zufolge der deutsche Einsatz kaum zur Stabilisierung vor Ort beigetragen.



In Mali wird viel von den beteiligten Ländern verlangt. Von einer UN-Mission mit dem Ziel, den Frieden zu wahren, wie es sie häufig in der Vergangenheit gab, kann in dem Land keine Rede sein: Der Einsatz ist eine «robuste Mission», bei der regelmäßig militärische Gewalt eingesetzt werden muss. Immer wieder werden Konvois und Kasernen von Minusma gezielt angegriffen. Anfang April starben vier tschadische Blauhelm-Soldaten, als schwerbewaffnete Terroristen ein Lager in der Region Kidal angriffen. Im Februar wurden bei einem ähnlichen Angriff etwa 20 Soldaten verletzt.



Für Ewan Lawson vom britischen sicherheitspolitischen Thinktank Rusi stellt sich angesichts der Zurückhaltung mancher Länder und der Komplexität der Lage zunehmend die grundsätzliche Frage, was eine internationale Militärmission für nachhaltigen Frieden leisten kann. Große UN-Missionen im Kongo und Südsudan sehen sich kaum in der Lage, die Länder zu stabilisieren. Auch in Mali wird dies deutlich. (epd)