Die Westsahara - ein uralter Konflikt

Der Sturm junger Marokkaner auf die spanische Enklave Ceuta gründet offenbar auf Spannungen zwischen Marokko und Spanien im Konflikt um die Westsahara. Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.

Von Kersten Knipp

Worum geht es bei der Krise zwischen Spanien und Marokko?

Das ist nicht ganz klar, da Marokko sich nicht eindeutig äußert. Der marokkanische Minister für Menschenrechte, Mostafa Ramid, kritisierte über Facebook das Verhalten Spaniens. Das Land habe einem Verantwortlichen einer Gruppe Zuflucht geboten, die die Waffen gegen Marokko erhebe. Damit dürfte der Chef der Polisario, der Unabhängigkeitsbewegung für die Westsahara, Brahim Ghali, gemeint sein. Die Regierung in Madrid hatte im Frühjahr einer medizinischen Behandlung des an COVID erkrankte Ghali in einem spanischen Krankenhaus zugestimmt. Der Ansturm junger Marokkaner auf Ceuta soll Spanien offenbar unter Druck setzen, Ghali nicht weiter zu behandeln. Nun hat Spanien ein altes juristisches Verfahren gegen den Polisario-Chef wieder aufgenommen.

Was fürchtet Marokko?

Die Regierung in Rabat ist derzeit wohl vor allem nervös, weil sie fürchtet, ihr Anspruch auf Souveränität über die Westsahara könnte durch die Behandlung Ghalis verstärkt in Zweifel gezogen werden. Auf die internationale Anerkennung ihrer Souveränität hatte sie gehofft, nachdem der damalige US-Präsident Donald Trump im Dezember vergangenen Jahres erklärt hatte, er werde diese Souveränität anerkennen. Damit hatte er Marokko dazu bewogen, volle diplomatische Beziehungen zu Israel aufzunehmen.

Wie steht Deutschland zu dem Konflikt?

Über den Status der Westsahara ist Marokko auch mit Deutschland zerstritten. Anfang Mai hatte Marokko seine Botschafterin aus Berlin zurückgerufen. Das marokkanische Außenministerium begründete den Schritt mit "feindlichen" Aktionen Deutschlands. Damit will die Regierung in Rabat nach eigener Auskunft gegen das deutsche Vorgehen im Westsahara-Konflikt protestieren. Sie wirft der Bundesregierung in der Angelegenheit eine "destruktive Haltung" vor. Deutschland hatte Trumps Entscheidung kritisiert und dazu eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats einberufen.

Westsahara Karte. Foto: DW
Auf dem von Marokko beanspruchten und teils annektierten Territorium wurde 1976 von der Frente Polisario eine Republik ausgerufen. Nach dem Willen der Vereinten Nationen soll ein Referendum Klarheit über die Legitimität Westsaharas schaffen. Da die Konfliktparteien allerdings keine Einigkeit darüber erzielen, wer an der Abstimmung teilnehmen darf, ist ein Termin dafür nicht in Sicht.

Was sind die Ursprünge des Konflikts?

Die Spannungen gehen auf das Jahr 1884 zurück. Im Rahmen der so genannten "Kongo-Konferenz" wurden damals weite Teile Afrikas unter den damaligen europäischen Kolonialmächten aufgeteilt. Dabei fiel das heute als "Westsahara" bekannte Gebiet unter den Einflussbereich Spaniens. 1976 begann Spanien seine Stellungen in der Westsahara zu räumen. Danach beanspruchten Marokko und Mauretanien das Gebiet. Mauretanien verzichtete 1979 auf seine Gebietsansprüche. Daraufhin besetzte Marokko auch den Süden der Westsahara.

Was ist die Polisario?

1973 gründete sich die Polisario (aus Spanisch "Frente Popular de Liberación de Saguía el-Hamra y Río de Oro", "Volksfront zur Befreiung von Saguía el-Hamra und Río de Oro"). Die beiden in dem Namen genannten Regionen bilden zusammen die Westsahara. Ziel der Organisation: die staatliche Unabhängigkeit der Region Westsahara. Nachdem Mitte der 1970er Jahre immer mehr Marokkaner in dem Gebiet siedelten, rief die Polisario im Februar 1976 die "Demokratische Arabische Republik Sahara" (DARS) aus. Kurz darauf begannen die bewaffneten Auseinandersetzungen mit der marokkanischen Armee. Unterstützt wurde und wird die Polisario von Algerien. Dort leben auch viele Flüchtlinge aus der Westsahara, vor allem in dem Flüchtlingslager bei Tindouf..

Warum ist die Westsahara so wichtig?

Die Westsahara ist aufgrund ihrer Bodenschätze ein wirtschaftlich sehr attraktives Gebiet. Ihre Phosphat-Vorkommen gelten als die größten weltweit. Rund 72 Prozent aller bislang bekannten Reserven befinden sich auf ihrem wie auch auf marokkanischen Gebiet. Vor dem Waffenstillstand von 1991 hatte Marokko mit dem Bau einer Schutzmauer begonnen. Durch sie liegen die rohstoffreichen Regionen nun auf dem Gebiet des Königreichs.

Was ist der rechtliche Status der Westsahara?

Die DARS wird derzeit von rund 50 Staaten wie auch der Afrikanischen Union (AU) anerkannt. Außerdem ist die DARS seit 1984 Mitglied der Afrikanischen Union (AU) - ein Umstand, der Marokko noch im selben Jahr dazu bewog, aus der AU auszutreten. Erst 2017 kehrte Marokko in die Reihen der AU zurück. Einen Sitz bei den Vereinten Nationen hat die DARS derzeit nicht. Im Herbst vergangenen Jahres verlängerte der UN-Sicherheitsrat das Mandat der Westsahara-Mission MINURSO. Doch in dem damit zusammenhängenden Text tauchte die bislang von den Vereinten Nationen geforderte Volksabstimmung nicht mehr auf.

Kersten Knipp

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