Ein Handelskrieg als Drahtseilakt

Donald Trump übt Druck auf China aus und droht, die Handelszölle bis zum Jahresende von 10 Prozent auf 25 Prozent anzuheben. Dies ist zwar nur eine weitere Maßnahme in einem eskalierenden Handelskrieg, allerdings eine, die insbesondere auf den fragilen Nahen Osten katastrophale Auswirkungen haben könnte. Von Stasa Salacanin

Von Stasa Salacanin

Einer der Dreh- und Angelpunkte im Handelsstreit dürfte der Iran sein. Das Land pflegt engste Verbindungen zu China und ist einer der wichtigsten chinesischen Rohöllieferanten. Nachdem die Vereinigten Staaten das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt haben, bleibt China der einzige maßgebliche Kunde des Iran, der es sich leisten kann, Sanktionen und Vergeltungsmaßnahmen der USA zu ignorieren.

Mit 25,6 Prozent der Importe und 19,7 Prozent der Exporte wurde Peking in letzter Zeit zum wichtigsten Handelspartner Teherans. China hat zudem klargestellt, dass man weiter iranisches Öl kaufen werde und die Handelsbeziehungen zu Teheran nicht auf Eis legen wolle, zumal China im anhaltenden Handelskrieg mit den USA die Importe von US-Rohöl zurückgefahren hat. Allerdings hat sich China auch verpflichtet, seine Ölimporte aus dem Iran nicht aufzustocken.

Die Chance nutzen

Mohammadbagher Forough, wissenschaftlicher Mitarbeiter am niederländischen Clingendael Institute und Assistant-Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Leiden, verwies im Gespräch mit Qantara.de auf drei Gründe, warum die US-Sanktionen gegen den Iran eine Chance für die Wirtschafts- und Energiepolitik Chinas sind.

Erstens kann China seine Beziehungen zum Iran als Druckmittel gegen die Vereinigten Staaten nutzen.

Zweitens können chinesische Unternehmen in den iranischen Energiemarkt einsteigen und dort die Lücken besetzen, die europäische Unternehmen aus Furcht vor US-Sanktionen hinterlassen haben. Chinesische Unternehmen sind besser abgeschirmt und können von den USA nicht so leicht belangt werden.

Drittens werden sich viele andere Länder aus Angst vor Sanktionen davor scheuen, mit dem Iran Energieabkommen abzuschließen. Dies bringt China gegenüber dem Iran auch bei Preisverhandlungen in eine bessere Ausgangslage.

Ein Stand der "China National Petroleum Corporation", der Muttergesellschaft von "PetroChina", während einer Ausstellung in Shanghai; Foto: picture-alliance/dpa/Z. Junxiang
When French giant Total pulled out of Iran following the de-certification of the JCPOA, China National Petroleum Corp (CNPC) was quick to take over the shares of French Total in an Iranian project involving the South Pars gas field. Total held a 50.1 percent stake in the South Pars field, the largest natural gas field in the world, with estimated reserves worth .9 trillion. CNPC originally held 30 percent and Iran's PetroPars 19.9 percent

Dennoch bleibt abzuwarten, in welchem Umfang und mit welchem Erfolg China seine Zusammenarbeit mit dem Iran fortsetzen wird und ob Peking dem Druck aus Washington auf Dauer standhalten kann. So hat Chinas führendes Erdgas- und Mineralölunternehmen Sinopec seine Ölimporte aus dem Iran seit September halbiert. Einige sehen darin ein Einknicken unter dem Druck der Vereinigten Staaten, die darauf abzielen, die iranischen Ölexporte vollständig zum Erliegen zu bringen.

Zwar hat sich Präsident Trump als unberechenbar und sprunghaft erwiesen, aber Andrea Ghiselli, Projektmanager bei ChinaMed und Wissenschaftler an der "School of International Relations and Public Affairs" der Fudan University in Shanghai, geht dennoch davon aus, dass die USA nicht gegen chinesische Banken vorgehen werden, die sich an Ölgeschäften mit dem Iran beteiligen. Dies würde seiner Meinung nach als direkter Angriff auf China gewertet und die chinesisch-amerikanischen Beziehungen hochgradig destabilisieren.

Laut Ghiselli könnte China zudem versuchen, sich vom iranischen Ölgeschäft auf Dollar-Basis zu lösen. Angesichts des Interesses an Rohöl-Futures an der "Shanghai International Energy Exchange" wäre dies keine Überraschung. Obwohl iranisches Öl nicht über die Shanghaier Börse erhältlich ist, dürfte es Umgehungsmöglichkeiten geben.

Jede Konjunkturabschwächung birgt Dominoeffekte

Da Erdöl ein wichtiger strategischer Rohstoff für Peking ist, sind die Golfstaaten auch die maßgeblichen chinesischen Energiepartner. Ausgerechnet sie könnten ins Kreuzfeuer eines globalen Handelskrieges geraten. Ein anhaltender Streit zwischen den USA und China könnte die chinesische Industriekonjunktur abkühlen und damit die Ölnachfrage verringern. Dies hätte entsprechende Auswirkungen auf die vom Öl abhängigen Golfstaaten.

China importiert zwischen 11 und 90 Prozent der in den jeweiligen Golfstaaten geförderten Rohöl- und Erdgasmengen, wie aus Ghisellis Forschungsbericht "China and the Middle East: Growing influence and divergent perceptions" (dt.: "China und der Nahe Osten: wachsender Einfluss und unterschiedliche Wahrnehmungen") hervorgeht.

Jede Teuerung chinesischer Produkte würde sich zudem erheblich auf die Golfregion auswirken. Immerhin beliefen sich die chinesischen Einfuhren in die Staaten des Golf-Kooperationsrats im Jahr 2017 auf 47,7 Milliarden Dollar, was 11,4 Prozent der gesamten Einfuhren in die Region entspricht, so die EU-Daten.

US-Präsident Donald Trump; Foto: picture-alliance/AP
Zu allem bereit: US-Präsident Donald Trump hat im Handelsstreit mit China mit der Androhung neuer Strafzölle abermals den Druck erhöht. Er erwarte einen "großartigen Deal" mit China, sagte Trump vor Kurzem dem US-Fernsehsender "Fox". Das sei auch nötig, denn China habe sein Land ausgepresst. "Und ich habe 267 Milliarden Dollar, die warten, wenn wir keinen Deal machen können", fügte Trump hinzu. Der US-Präsident hat wiederholt mit Importabgaben auf chinesische Produkte in diesem Volumen gedroht.

Nach Ansicht einiger Experten könnte der Handelskrieg die Nahostpläne Chinas beeinflussen. Vor allem das Projekt der Neuen Seidenstraße muss möglicherweise überdacht werden. Dies wäre ein schwerer Rückschlag für alle Beteiligten, da den Nahoststaaten eine gute Gelegenheit zur Intensivierung ihrer Diversifizierungsanstrengungen entginge.

Auch die Zukunft des chinesischen Darlehens für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region im Wert von 23 Milliarden Dollar, das auf dem "China Arab States Cooperation Forum" bekanntgegeben wurde, ist ungewiss, da der Handelskrieg China zum Überdenken seiner Investitionen zwingen könnte.

Dies wirft zudem die Frage auf, ob die aktuelle US-Regierung Druck auf die Golfstaaten ausüben wird, um künftige Geschäfte zwischen dem Nahen Osten und China auszuhebeln.

Stolpersteine für den Golf-Kooperationsrat

Es wäre nach Ansicht von Ghiselli nicht weiter verwunderlich, wenn die USA andere Länder drängten, Abstand zu China zu halten. Der größte Stolperstein auf dem Weg zu einer Festigung der Beziehungen zwischen den Golfstaaten und Peking liegt jedoch in den tiefen Rissen zwischen den Mitgliedern des Golf-Kooperationsrats selbst. So ist es kein Geheimnis, dass der Streit zwischen den Ländern des Kooperationsrats die Gespräche über das Freihandelsabkommen mit China zum Stillstand brachte.

Mohammadbagher Forough ist überzeugt, dass die USA versuchen werden, die Akteure zu zwingen, sich für eine Seite zu entscheiden. Er räumt jedoch ein, dass "China derzeit in Bezug auf das, was das Land der Region wirtschaftlich zu bieten hat, konkurrenzlos dasteht".

Trotz zunehmenden Drucks werden sich die Golfstaaten intensiv um ein Austarieren ihrer Beziehungen sowohl zu den USA als auch zu China bemühen müssen. Laut Ghiselli ist kaum anzunehmen, dass sie allein wegen China die Sicherheitsallianzen und -partnerschaften mit den USA aufgeben werden. Langfristig dürfte sie die Logik der wirtschaftlichen Diversifizierung aber nach Osten treiben.

Stasa Salacanin

© Qantara.de 2018

Aus dem Englischen von Peter Lammers