Schützenhilfe für die Radikalen

Von den Verbrennungen des heiligen Buches der Muslime profitieren die Radikalen sowohl in Schweden als auch im Irak.uf allen Seiten.
Von den Verbrennungen des heiligen Buches der Muslime profitieren die Radikalen sowohl in Schweden als auch im Irak.uf allen Seiten.

Von den Verbrennungen des heiligen Buches der Muslime profitieren die Radikalen auf allen Seiten. Birgit Svensson hat in Bagdad und Stockholm recherchiert. 

Von Birgit Svensson

Koranverbrennungen haben derzeit Konjunktur, vor allem in Schweden. Am Montag (14.8.23) ist in Schweden erneut das heilige Buch der Muslime in Flammen aufgegangen. Dieses Mal wieder vor dem Reichstag, dem Parlament in Stockholm.



Zuvor brannten Seiten eines Korans vor der türkischen Botschaft, einer Moschee, der iranischen Botschaft und auf dem Hötorget, dem zentralen Platz in der schwedischen Hauptstadt. Aber auch in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen wurden in letzter Zeit Korane verbrannt.

Heftige Reaktionen in islamischen Ländern waren die Folge. Die schwedische und dänische Botschaft im Irak wurden gestürmt, Fahnen der jeweiligen Länder angezündet. Dramatischer Höhepunkt der Proteste waren die Brandschatzung der schwedischen Botschaft in Bagdad am 20. Juli und die Ausweisung der Botschafterin.



Auch in anderen muslimischen Ländern gab es heftige Gegenreaktionen auf die Koranverbrennungen: in Iran, Pakistan, der Türkei und im Libanon. Die Organisation für islamische Zusammenarbeit (OIC), der 57 Mitgliedsstaaten angehören, verurteilte die Koranverbrennung aufs Schärfste.

Protestplakat gegen den schwedischen Außenminister Billström in Bagdad Ameer; Foto:  Al-Mohammedawi/dpa/picture alliance
Größte Krise der schwedischen Außenpolitik: Laut Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson haben die Koranverbrennungen die schwerste diplomatische Krise ausgelöst, die das Land jemals erleben musste. Der Sicherheitsdienst Säpo hat die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen und Großbritannien warnt seine Bürger vor Reisen nach Schweden.  Auf dem Bild ist ein Protestplakat gegen den schwedischen Außenminister Billström in Bagdad zu sehen.

Zwei Männer versetzen die Welt in Aufruhr

Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson spricht jetzt von der schwersten diplomatischen Krise, die sein Land je durchgemacht habe. Der Sicherheitsdienst Säpo hat die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen und Großbritannien warnt seine Bürger vor Reisen nach Schweden.   

Verantwortlich für die Situation sind vor allem zwei Männer aus dem Irak, die die Krise vom Zaun gebrochen haben. Beide sind christlicher Herkunft. Bereits fünf Aktionen haben Salwan Momika und Salwan Najem in Stockholm durchgeführt, angemeldet als Demonstration gegen den Islam. Über die Medien, vor allem die sozialen Medien, transportieren sie ihre Botschaft.

Salwan Momika ist inzwischen weltbekannt. Er gilt als Islamhasser und islamophob. Andere attestieren ihm ein Trauma, weil er als Christ im Irak zuerst von den extremistischen Sunniten von Al Qaida, dann des IS verfolgt wurde und schließlich in die Hände der nicht weniger gewalttätigen Schiitenmilizen geriet.



Er selbst sagte in einem Interview mit der ARD, dass er mit seinen Aktionen nicht aufhören werde, bis Schweden den Koran verbiete. Doch warum lässt man die beiden Männer gewähren, die die Welt in Aufruhr versetzen?



Warum lassen die schwedischen Behörden zu, dass der Koran unzählige Male geschändet und damit die Gefühle von gläubigen Muslime verletzt werden? Wer profitiert von den Aktionen?

Der designierte Regierungschef Ulf Kristersson (rechts) mit dem Parteichef der Schwedendemokraten, Jimmie Akesson; Foto: Jonas Ekströmer/TT/picture alliance
Auch in Schweden profitieren die Radikalen: Als der 37-jährige Iraker Salwan Momika 2018 nach Schweden kam, schloss er sich den Schwedendemokraten an, einer ultrarechten Partei, vergleichbar mit der AFD in Deutschland. Begrenzung der Einwanderung, Hetze gegen Ausländer, schnelle Abschiebungen sind die Themen der Partei. Bei den Reichstagswahlen in 2022 erhielten die Schwedendemokraten 20,5 Prozent der Wählerstimmen und sind seitdem das Zünglein an der Waage der rechtskonservativen Regierung von Premier Ulf Kristersson von der Moderaten Sammlungspartei.



In Bagdad gewinnt man den Eindruck, dass jemand nur auf eine Situation gewartet hat, um wieder ins Rampenlicht der Politik zu geraten: Moktada al-Sadr, der schiitische Kleriker, der schon so oft von sich reden machte. Zuletzt durch den Eklat im Parlament, als es ihm nicht gelang, trotz Wahlsieges eine Regierungskoalition zu schmieden.



Zornig zog er seine Abgeordneten aus der Volksvertretung ab, rief seine Anhänger zu Protesten auf den Straßen auf und verhinderte knapp einen Bürgerkrieg mit den anderen politischen Kräften, indem er seinen Rückzug aus der Politik ankündigte. Das ist genau ein Jahr her.



Nun gibt er den "Rächer der Muslime", indem er seine Anhänger aufrief, die schwedische Botschaft zu stürmen und den Koran zu verteidigen. Die gewaltvollen Proteste in Bagdad gehen eindeutig auf das Konto des für seine Radikalität bekannten Klerikers. Seine Botschaft lautet: "Seht her, ich bin noch da und kann nach wie vor Massen mobilisieren.“ Das ist vor allem ein Wink für seine politischen Gegner, die weiter mit ihm rechnen müssen.

Inzwischen ist der Bann der irakischen Regierung gegen schwedische Unternehmen aufgehoben worden, zu wichtig sind sie für die Versorgung des Landes. Der außenpolitische Berater des irakischen Premierministers, Farhad Alaadin, nannte vor allem die schwedische Firma Ericsson als unverzichtbar für das Kommunikationsnetz des Irak. Der Boykott schwedischer Firmen könnte sich als ein zu hoher Preis erweisen, schrieb er auf Facebook.  

Auch in Schweden profitieren die Scharfmacher

In Schweden ist die Lage komplizierter. Aber auch hier profitieren die Radikalen von den Aktionen von Salwan Momika und seinem Kompagnon. Als der 37-jährige Iraker 2018 nach Schweden kam, schloss er sich den Schwedendemokraten an, einer ultrarechten Partei, vergleichbar mit der AFD in Deutschland.

 

 

Begrenzung der Einwanderung, Hetze gegen Ausländer, schnelle Abschiebungen sind die Themen der Partei. Bei den Reichstagswahlen in 2022 erhielten die Schwedendemokraten 20,5 Prozent der Wählerstimmen und sind seitdem das Zünglein an der Waage der rechtskonservativen Regierung von Premier Ulf Kristersson von der Moderaten Sammlungspartei.



Als die schwedische Botschaft in Bagdad in Flammen stand, forderte der Vorsitzende des Rechtsausschusses in der Volksvertretung in Stockholm, der Schwedendemokrat Richard Jomshof, einen Dialog mit den muslimischen Ländern über Demokratisierung. Er verlangte einen Dialog über den Islam, "diese antidemokratische, gewalttätige und frauenfeindliche Religion, eine Ideologie, gegründet von einem Kriegsherrn, Massenmörder, Sklavenhändler und Räuber namens Mohammed“.

Statt zu deeskalieren, goss Jomshof noch mehr Öl ins Feuer. Einem Dekret zur Einschränkung der in Schweden uneingeschränkten Meinungsfreiheit, die die Partei des Regierungschefs jetzt anstrebt, um weitere Koranverbrennungen zu verhindern, stellen sich die Schwedendemokraten entgegen.

"Die schwedische Meinungsfreiheit ist für uns alle wichtig“, kommentiert Haider Ibrahim, Vorsitzender der Vereinigung der Schiiten Schwedens, die Situation. "Aber was hat es mit Meinungsfreiheit zu tun, einen Koran zu verbrennen? Damit trifft man nicht die Muslime am härtesten, sondern das Ansehen Schwedens im Ausland wird beschmutzt und die Glaubwürdigkeit untergraben.“



Als Momika, verantwortlich für die Koranverbrennung, kürzlich in einem Kiosk seines Wohnortes einen Softdrink kaufen wollte, verwies ihn der Besitzer aus dem Laden mit der Bemerkung, er verkaufe ihm nichts.

Protest gegen Koranverbrennungen in Pakistan: Foto: Raja Imran/Pacific Press/picture-alliance
Proteste in der islamischen Welt: In Pakistan (hier auf dem Bild) bringen Muslime ihre Empörung über die Koranverbrennungen in Schweden friedlich zum Ausdruck. Auch im Iran, in der Türkei und im Libanon gab es Proteste gegen die islamfeindlichen Aktionen. Die Organisation für islamische Zusammenarbeit (OIC), der 57 Mitgliedsstaaten angehören, hat die Verbrennung der heiligen Schrift aufs Schärfste verurteilt.

Geld für TikTok-Autritte



"Ich bin Iraker wie du“, sagte er, "Christ wie du, aber so etwas toleriere ich nicht“. Schweden habe sie beide großzügig aufgenommen und habe das alles nicht verdient. Interessant ist, dass Momika, der Assyrer ist und damit zu den Urchristen des Nahen Ostens zählt, selbst das Video der Szene im Kiosk ins Netz gestellt hat und damit zeigen will, dass er bedroht werde. 

Das alles zeigt, wie Koranverbrennungen den Radikalen in die Hände spielen, und Momika ist sich dessen durchaus bewusst. Im Interview mit der ARD, das der Qantara-Redaktion in voller Länge vorliegt, gibt er zwar an, nicht länger Mitglied der Schwedendemokraten zu sein, lächelt aber vielsagend, wenn die Frage nach seinen Unterstützern gestellt wird. Er würde Geld für seine TikTok-Auftritte bekommen, die er täglich postet.

Eine kugelsichere Weste habe neulich vor seiner Haustüre gelegen. Vorübergehend könne er nicht zuhause bleiben, er sei in ein Hotel gezogen. Der radikale schiitische Kleriker Moktada al-Sadr habe ihn mit dem Leben bedroht, ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Tatsächlich verlangt al-Sadr von Schweden die Auslieferung Momikas in den Irak.



Die schwedische Regierung hat nun angekündigt, den Aufenthaltsstatus Momikas zu überprüfen. Er hat eine dreijährige Duldung, die im April nächsten Jahres ausläuft. Für seinen Kompagnon Salwan Najem gilt das nicht: Er lebt bereits seit den 1990er Jahren in Schweden und ist schwedischer Staatsbürger.  

Birgit Svensson

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