"Die islamischen Länder müssten mehr leisten"

Mehr als 300 Millionen Euro haben die Deutschen für die Flutopfer in Asien bisher gespendet. Auch die Muslime in Deutschland sammeln in vielen Moscheen engagiert für die Opfer der Katastrophe. Vedat Acikgöz berichtet.

Spendensammlung beim Roten Halbmond in Malaysia, Foto: AP
Spendensammlung für Tsunami-Opfer beim Roten Halbmond in Malaysia

​​Mittagsgebet in der Al-Muhajirin-Moschee in Bonn. Mehr als hundert Gläubige, hauptsächlich aus den arabischen Ländern, haben sich hier versammelt. Wie in vielen anderen Moscheen wird auch hier für die Opfer der Flutkatastrophe in Asien gesammelt. Armen und Hilfsbedürftigen zu helfen - das gehört zu einer der fünf Grundsäulen im Islam. Dementsprechend groß ist auch die Spendenbereitschaft unter den Muslimen in Deutschland:

"Wir Muslime sind ein sehr großzügiges Volk. Und wir spenden in allen Variationen", sagt ein Moscheebesucher. "Ich z.B. habe jetzt in der Bank gespendet, in der Moschee gespendet - und wir haben auch Konten eingerichtet, wo die Gelder direkt nach Südostasien transferiert werden. Das verlangt der Islam. Im Koran steht: Spenden für hilfsbedürftige Menschen ist Pflicht."

Einige Gläubige in der Moschee sind jedoch enttäuscht von den arabischen und muslimischen Staaten, die sich anfänglich mit Spenden sehr zurückhielten und sogar von den UN dafür kritisiert wurden. So beklagt ein Student aus Libyen dass die meisten Menschen, die ihr Hab und Gut verloren hätten, Muslime seien - Muslime aus Indonesien: "Eigentlich müssten arabische und muslimische Länder mehr leisten, mehr geben und opfern. Denn das ist ein Teil unserer Religion, unseres Glaubens."

Opferfestgaben für Flutopfer

Die Muslime in Deutschland dagegen haben sich viel vorgenommen. Am 20. Januar wird eines der bedeutendsten Feste der islamischen Welt gefeiert, das Opferfest. Viele wollen an diesem Tag ihre Opferfestabgaben an die Menschen in Asien spenden.

Auch die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) startete in ihren 870 Moscheegemeinden in Deutschland eine Spendenkampagne. Mindestens einmal soll bis zum 2. Februar in jeder DITIB-Moschee für die Opfer in Asien gesammelt werden.

So ruft auch der Imam der Bonner DITIB-Moschee, Fehmi Güler, seine Gemeinde auf, dieses Mal nicht für den Bau einer Moschee in einer anderen Stadt oder für die eigene Moschee zu spenden, sondern für die Flutopfer in Asien:

"Liebe Gemeinde, wie Sie alle wissen, ist in Südasien eine Jahrhundertkatastrophe passiert. Hunderttausende haben ihr Leben verloren, Millionen von Menschen sind verarmt und müssen gegen Seuchen kämpfen. Sie brauchen Hilfe. Und heute wünschen wir uns Spenden für diese Menschen. Im Namen Gottes: Helft diesen Menschen, lasst uns gemeinsam helfen!"

Schnell gehen zwei Jugendliche durch die Reihen und sammeln in einer Pappschale für die Opfer in Asien. Der Vorsitzende der Moschee, Mustafa Akyül, ist mit dem Ergebnis zufrieden: Insgesamt kommen an diesem Tag 860 Euro zusammen.

Mehr als für den Bau der Moschee

"Wenn wir für unsere Moschee sammeln, kommen 500 bis 600 Euro zusammen. Dieser Betrag von 860 Euro zeigt uns, dass das Erdbeben in Asien hier eine Rolle spielt", erklärt Akyül.

Auch Imam Fehmi Güler freut sich über das Ergebnis. Man müsse keineswegs nur für muslimische Flutopfer, sondern für alle Hilfsbedürftigen spenden:

"Der Islam macht keine Rassen- oder Religionsunterschiede, wenn Menschen hilfsbedürftig sind", so Güler. "Bald werden wir das Opferfest feiern. Und auch, wenn mein Nachbar nicht muslimisch ist, muss ich nach dem Islam auch ihm einen Teil vom Fleisch des geschlachteten Tieres geben. Was zählt, ist nur der Mensch. Auch mein Nachbar ist ein von Gott erschaffener Mensch, kann dabei aber einen anderen Glauben haben. Wichtig ist, den Menschen ohne Unterschied zu helfen."

Mehmet Yildirim, Generalsekräter von DITIB, hofft, dass durch diese Spendenaktion seiner Organisation mehrere hunderttausend Euro für die Flutopfer zusammenkommen. Gerade Türken seien sehr sensibel geworden, seitdem auch die Türkei vor fünf Jahren im August 1999 durch ein Erdbeben mehr als 15.000 Menschen verloren hat.

Viele hätten damals Familienangehörige und Verwandte verloren. Das sei sehr schmerzhaft - und viele wüssten noch, wie ihnen damals geholfen wurde. "Die Menschen, die damals selbst betroffen waren, aber auch die anderen - sie haben aus diesem schweren Schicksal gelernt und sollten so mehr Hilfe leisten", betont Yildirim.

Vedat Acikgöz

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