Wulff sieht Migranten als Gamechanger im Kampf um Demokratie

Alt-Bundespräsident Christian Wulff
Alt-Bundespräsident Christian Wulff setzte sich in der Evangelischen Akademie in Tutzing dafür ein, Migranten stärker in die Parteien einzubeziehen. (Foto: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte)

Die Grundordnung in Deutschland ist massiv unter Druck. Auch Alt-Bundespräsident Wulff ruft zu ihrer Verteidigung auf. Nicht nur der Religion misst er dabei eine Schlüsselrolle zu.

Tutzing. Menschen mit Migrationsgeschichte werden nach Ansicht von Alt-Bundespräsident Christian Wulff bei künftigen Wahlen und damit bei der Verteidigung der Demokratie in Deutschland eine entscheidende Rolle einnehmen. «Menschen mit Einwanderungsgeschichte können ein Gamechanger der Bundestagswahl 2025 werden. Aber nur, wenn die demokratischen Parteien sie ernster nehmen und aktiver ansprechen», sagte der CDU-Politiker am Samstag bei einer Tagung in der Evangelischen Akademie Tutzing am Starnberger See.

Im Moment mache dies nur die AfD, obwohl diese programmatisch gegen Migranten sei. «Das ist ein perfides taktisches Spiel. Menschen mit Migrationsgeschichte sagen inzwischen: «Ich wähle die AfD - das haben die anderen Parteien davon, dass sie uns nie haben wollten», erklärte Wulff. Knapp 9 Millionen der rund 60 Millionen potenziell Wählenden in Deutschland hätten derzeit Migrationsbiografien. «Würden sie alle für eine einzige Partei stimmen, käme diese auf circa 15 Prozent.»

Das ehemalige Staatsoberhaupt rief zur Verteidigung der Demokratie auf: «Ohne bekennende Demokratinnen und Demokraten keine Demokratie; die Zivilgesellschaft muss die demokratische Ordnung bewahren wollen, ansonsten fällt sie auf kurz oder lang ihren Gegnern zum Opfer.» Allein ein Grundgesetz mache noch keinen Staat aus. «Auch die
Nationalsozialisten kamen nicht wegen Lücken in der Verfassung an die Macht. Es bedarf dazu vielmehr des Staatsvolkes, der Bürgerinnen und Bürger.»

Eine entscheidende Rolle für eine wehrhafte und widerstandsfähige Demokratie spielen aus Wulffs Sicht Religionen: «Eine Gesellschaft ohne Religion leidet aber an Blutleere. Es ist empirisch nachgewiesen, dass sich Menschen mit einem Bezug zu Religion stärker für Demokratie einsetzen, wählen gehen, sich stärker engagieren für die Gemeinschaft», sagte Wulff.

Religion fordere die Menschen auf, eine Haltung zu gesellschaftlichen und kulturellen Fragen zu entwickeln. Dabei sei es - so Wulff weiter - für eine multikulturelle und multiethnische Gesellschaft wichtig, allen Religionen und ihren Gläubigen Freiheiten zu geben und sie auch sichtbar zu machen: «Religionen, die in Hinterhöfe gedrängt werden, erleben die Verführungskünste von Fundamentalisten.» 

Wulff wiederholte in dem Kontext auch seine viel diskutierte Aussage aus dem Jahr 2010, dass der Islam auch zu Deutschland gehöre. «Dieser Satz hat heute genauso viel Relevanz wie vor 14 Jahren, nur dass ihn damals vielleicht eine größere Gruppe bejaht hat als heute. Dabei habe ich lediglich die Realität beschrieben. Und wer sich der Realität verschließt, macht es sich und anderen schwer.» (dpa)