Manfred Ewel (Rabat, Marokko), 4. Februar 2004

zu: Ein mutiger Schritt des marokkanischen Königs, von Martina Sabra

So sehr ich die Veröffentlichung dieses Artikels begrüße, fallen mir jedoch zwei sachliche Fehlbewertungen auf: Gegen Ende des Artikels schreibt die Autorin:

"Die weitgehende Gleichstellung der Frauen trägt zweifellos zur Demokratisierung der marokkanischen Gesellschaft bei. Doch das politische System Marokkos wird dadurch nicht automatisch demokratischer – im Gegenteil!"

Offenbar ist weder der Autorin noch der Redaktion aufgefallen, dass diese Sätze sich widersprechen: Ohne Zweifel tragen die Neuregelung des Familienrechts und die damit verbundenen sozialen, politischen und juristischen Innovationen zur weiteren Verwirklichung von Menschenrechten in Marokko bei.

Die Tatsache, dass die jahrelangen Forderungen der feministischen Bürgerinitiativen nun auch vom Monarchen, Regierung, Parlament und Jurisdiktion unterstützt werden und in der Praxis zu konkreten Verbesserungen führen, halte ich im Zusammenhang mit anderen politischen Verbesserungen der letzten Jahre für einen bedeutenden Zugewinn staatsbürgerlicher Freiheiten. - Wieso sollte man diese Entwicklung deshalb nicht als demokratischen Zugewinn im politischen System des Landes bewerten?

Zum zweiten sind die Islamisten in Marokko nicht deshalb "populär, weil sie als einzige politische Kraft radikal die politische Legitimität der Monarchie in Frage stellen.", wie Martina Sabra überraschenderweise behauptet. Ihr Einfluss auf breite Bevölkerungskreise lässt sich vielmehr vor allem durch eine konservativ-religiöse Grundhaltung ihrer Anhänger sowie ihrer intensiven Basisarbeit bei den politisch und sozial Marginalisierten erklären. - Mir sind jedenfalls keine seriösen Kenner der politischen Szene in Marokko bekannt, die behaupten würden, die Monarchie sei heutzutage nicht populär.

Kurz, schrittweise Demokratisierung ist, wie das marokkanische Beispiel zeigt, auch in einer Monarchie mit erstarkenden rechtsstaatlichen Institutionen möglich!