Enrique Sánchez, 17. Juni 2004

zu: Briefwechsel Charlotte Wiedemann - Ghazala Irfan

Liebe Frau Wiedemann

Ihren Brief habe ich mit viel Interesse gelesen, obwohl und auch weil er hauptsächlich aus Beschreibungen besteht - plus die anschließende, wesentliche Frage: "Aber welches Pakistan-Bild wäre zutreffend? Wohin entwickelt sich Ihre Gesellschaft, deren Widersprüche sich in der Situation der Frauen ja nur am auffälligsten spiegeln?". Obwohl - weil ich mir eine Interpretation, eine kleine Zukunftsvision, eine kleine geschichtliche Erklärung wünschte und auch erwartete. Weil - da ich Pakistan nicht kenne und solche Berichte mir eine Hilfe sind.

Ein zutreffendes Pakistan-Bild? Das Bild eines Landes ist immer komplex - außer wir lassen wichtige Bereiche außerhalb des Bildes. So wird jedes Bild Widersprüche enthalten. Sie selber entwerfen ein Bild Pakistans in Ihrem Brief. Daran können wir anknüpfen, denken, arbeiten. Unsere Aufgabe ist, die schmerzhaften Widersprüche zu mildern.

Die Widersprüche sind überall auf der Welt vorhanden, nur sind sie da größer, dort kleiner - in unserer individuellen Wahrnehmung. Zuerst sollten wir unsere individuelle Wahrnehmung im Dialog prüfen und versuchen, gemeinsame Wahrnehmungen der äußerlichen Tatsachen zu finden. Dann sollten wir damit fortfahren, gemeinsame Erklärungen und gemeinsame Zukunftsvisionen zu entwickeln und diese so einfach und prägnant wie uns nur möglich zu formulieren und so breit wie möglich zu streuen, damit möglichst viele einzelne Menschen, kleine und große Vereine, Organisationen, etc. an einem öffentlichen Dialog teilnehmen.

Ich bin sehr gespannt auf die Entwicklung Ihres Briefwechsels mit Ghazala Irfan.

Freundliche Grüße aus Zürich

Enrique Sánchez