Brückenschlag zwischen Ost und West

Leila Chammaa, Übersetzerin aus dem Arabischen, hat im vergangenen Jahr die Agentur Alif gegründet, die sich auf die Vermittlung von arabischer Belletristik im deutschen Sprachraum spezialisiert. Sie berichtet von ihrer Motivation und ihren Erfahrungen.

Leila Chammaa, Übersetzerin aus dem Arabischen, hat im vergangenen Jahr die Agentur Alif gegründet, die sich auf die Vermittlung von arabischer Belletristik im deutschen Sprachraum spezialisiert. Sie berichtet von ihrer Motivation und ihren Erfahrungen.

Vor mehr als zehn Jahren begann ich, arabische Literatur ins Deutsche zu übertragen. Dass sich damit ein sehr viel größeres Betätigungsfeld eröffnen würde, war - im Nachhinein betrachtet - vorprogrammiert. Zwangsläufig studierte ich über die Jahre hinweg die Sprachlosigkeit zwischen den beiden Verlagswelten.

Auf großen Bücherschauen wie der Frankfurter Buchmesse sind die deutsche und die arabische Region präsent, gemeinsame Projekte aber sind rar. Das hat zum einen institutionelle Gründe, denn die Verlagslandschaft in der arabischen Welt ist anders organisiert als die deutschsprachige. Es existiert für die arabischen Verlage kein finanzieller Anreiz, Werke international zu vermarkten. Die Verwertungsrechte liegen meist bei den einzelnen Autorinnen und Autoren.

Und die Sprachbarriere zwischen den Schriftstellern und Lektoren sowie die Berührungsängste sind immens. Auf literarische Entdeckungsreise im arabischen Sprachraum gehen fast ausschließlich die Übersetzer und Übersetzerinnen. Sie empfehlen den Verlagen arabische Bücher zur Übersetzung und Veröffentlichung und stellen den Kontakt zu den Autoren her.

Solche Projekte kamen bislang nur sporadisch zustande und waren auf wenige kleinere Verlage beschränkt. Also lag es nah, eine Literatur-Agentur - die Agentur Alif - zu gründen, um die Vermittlungsarbeit zwischen arabischen Literaten und deutschsprachigen Verlagen zu professionalisieren und zu institutionalisieren.

Die Agentur Alif vermittelt

Die Agentur Alif weitet die Aktivitäten aus, die bisher auf individueller Ebene und daher in geringem Maße erfolgt sind, bündelt und systematisiert sie. Sie stellt literarische Werke, die es wert sind übersetzt zu werden, kontinuierlich einer großen Bandbreite von Verlagshäusern vor - mit Autorenmappen, Gutachten und Übersetzungsproben.

Damit will die Agentur Alif erreichen, dass langfristig ein breiteres Lesepublikum angesprochen wird. Sie bezieht jüngere Autorinnen und Autoren mit ein, die innerhalb der Literaturszene ihrer Heimatländer neue Inhalte einbringen und innovative Stile prägen.

Ziel meiner Agentur ist, dass arabische Literatur in einem größeren Spektrum wahrgenommen wird - nicht als gesondert "orientalisch", sondern vorurteilsfrei mit ihrem Platz in der Weltliteratur.

Momentan vertritt die Agentur Alif Autorinnen und Autoren aus Palästina, Jordanien, dem Irak und Kuwait, die in verschiedenen Genres schreiben - (experimentelle) Erzählung, essayistische Reisestudie, biografische Fiktion etc.

Zu wenig Stoff für Leser arabischer Literatur

Im deutschsprachigen Raum ist arabische Literatur nach wie vor unterrepräsentiert. Ende 2003 waren insgesamt 476 belletristische Bücher von arabischen Autoren auf Deutsch erhältlich. Das entspricht weniger als 0,5 Prozent der auf dem deutschsprachigen Buchmarkt lieferbaren belletristischen Bücher, stellt die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika fest.

Bei dem überwiegenden Teil dieser Bücher handelt es sich nicht um Übersetzungen aus dem Arabischen, sondern um die Übersetzungen von Werken französisch- und englischschreibender arabischer Autoren.

Ein weiterer Teil dieser Bücher stammt von Autoren arabischen Ursprungs, die in der Bundesrepublik leben und auf Deutsch schreiben und von denen es inzwischen eine beachtliche Zahl gibt. Lediglich 170 von den erhältlichen Büchern arabischer Autoren sind aus dem Arabischen übersetzt. Dabei berücksichtigt diese Zahl nicht nur Erst-, sondern auch Neu- und Taschenbuchauflagen.

Es erscheinen im Jahr also nicht mehr als 10 bis 14 Titel "arabophoner" Literatur in deutscher Übersetzung.

Hindernisse für die Verbreitung arabischer Literatur

Ursache für diese Bilanz ist aber keineswegs Desinteresse an der arabischen Literatur, vielmehr trägt dazu eine Vielzahl von Gründen bei. Auf Buchmessen und in Gesprächen bekunden Lektoren aus großen Verlagshäusern immer wieder reges Interesse, zeitgenössische arabische Literatur in ihr Programm aufzunehmen.

Das Problem ist vor allem ein sprachliches. Es fehlt an den nötigen Arabischkenntnissen, um sich ein Bild von der Literaturlandschaft zu machen und eine Auswahl zu treffen. Ein Buch auf der Basis von Gutachten und Übersetzungsproben zu wagen, erscheint den Verlagshäusern oft zu riskant. Und so wird trotz des bestehenden Interesses kaum "arabophone" Literatur akquiriert.

Schon anders sieht es bei der frankophonen arabischen Literatur in deutscher Übersetzung aus. Sie erscheint häufiger, in größeren wie auch bedeutenderen Verlagen, dazu in wesentlich höheren Auflagen. Auf dem Markt ist sie demzufolge wesentlich besser repräsentiert.

Neben sprachlichen Hindernissen gibt es ein strukturelles Vermittlungsproblem zwischen Verlagen im arabischen und im deutschsprachigen Raum: die unterschiedlichen Rechtsverhältnisse und Lizenzpraktiken.

Anders als in Deutschland liegen die Übersetzungsrechte in arabischen Ländern üblicherweise nicht bei den Verlagen, sondern bei den Autoren. Folglich sind die Verlage weder befugt, Übersetzungsrechte zu verkaufen, noch haben sie ein geschäftliches Interesse daran. Aus diesem Grund treten arabische Verleger im Gegensatz zu ihren europäischen Kollegen nicht als Vertreter ihrer Autoren auf und setzen sich für diese kaum ein.

Als unmittelbare Konsequenz daraus folgt, dass arabische Verleger auf Messen wie der Frankfurter Buchmesse lediglich als Käufer und nicht als Verkäufer auftreten. Die meisten Übersetzungen arabischer Bücher ins Deutsche beruhen also nicht auf Verträgen zwischen zwei Verlagen, sondern auf Verträgen zwischen einem arabischen Autor und einem deutschsprachigen Verlag.

Beitrag zum west-östlichen Dialog

Mit der Agentur Alif wird diese Vermittlungsarbeit einfacher. Gleichzeitig wird einer größeren Anzahl von Autoren und Autorinnen die Chance gegeben, einen Zugang zum deutschsprachigen Buchmarkt zu bekommen.

Als Agentin arabischer Literatur habe ich mich in meiner Arbeit dem vermittelnden interkulturellen Verstehen verschrieben. Wie aufgezeigt ist die Bilanz ernüchternd. Vor allem angesichts der Tatsache, dass wir im Zeitalter der Globalisierung und der Entwicklung zunehmend multikultureller Gesellschaften leben, in dem es unerlässlich geworden ist, das kulturelle Schaffen und die Belletristik anderer Kulturen besser kennen zu lernen.

Insbesondere im Kontext der gegenwärtig äußerst schwierigen weltpolitischen Situation und der Gefahr der Spaltung zwischen "westlicher" und "östlicher" Welt sind Dialog und Kulturaustausch wichtiger denn je.

Das Interesse der Verlage an arabischer Literatur ist vorhanden, wie die starke Reaktion der letzten Monate auf die ersten Aktivitäten der Agentur Alif zeigt. Der Mut, Werke - jenseits orientalisierender Klischees - zu publizieren, darf noch wachsen.

Leila Chammaa wurde 1965 in Beirut/Libanon geboren. Sie hat an der Freien Universität Berlin Islamwissenschaft, Arabistik und Politologie studiert und arbeitete seit mehr als zehn Jahren als Übersetzerin arabischer Prosa und Lyrik ins Deutsche, bevor sie im vergangenen Jahr die Agentur Alif gründete. Als Expertin für arabische Literatur ist sie als Beraterin und Gutachterin für Verlage und Institutionen tätig.

Agentur Alif