Das Magazin "Hi" ist in Kairo nicht "in"

Mit neuen Medienprodukten suchen die Vereinigten Staaten ihren Einfluss auf die arabische Welt zu erweitern. Zum Radiosender Sawa gesellt sich seit kurzem die arabischsprachige Jugendzeitschrift "Hi". Das Interesse daran ist allerdings gering.

Mit neuen Medienprodukten suchen die Vereinigten Staaten ihren Einfluss auf die arabische Welt zu erweitern. Zum Radiosender Sawa gesellt sich seit kurzem die arabischsprachige Jugendzeitschrift "Hi". Sie umgeht heisse politische Eisen und preist die USA als multikulturelle Gesellschaft. Das Interesse daran ist allerdings gering.

Cover Hi-Magazin

​​Mit einem langgezogenen «Hiii» begrüssen sich die ägyptischen Studenten der American University Cairo (AUC). Hier treffen sich die Nachkommen von Ägyptens Elite und neureicher Oberschicht. Der American Way of Life ist scheinbar Trumpf, und Hamburger kauend sprechen die jungen Ägypter auf dem Campus einen Mischmasch aus Englisch und Arabisch. Das in diesem Sommer auf den Markt geworfene arabischsprachige Magazin «Hi» scheint für die jungen Frauen im knallengen Blüschen und die jungen Männer mit der coolen Frisur wie gemacht zu sein. «Ich lese keine arabischen Zeitungen», antwortet Marwa auf die Frage, wie sie «Hi» finde. Sie hat wie die meisten Studenten der AUC von klein auf eine englische Schule besucht. Damit hatten die Macher von «Hi», nämlich die Medienbeauftragten des amerikanischen Aussenministeriums, wohl kaum gerechnet, als sie planten, ihren Einfluss auf die arabische Medienlandschaft auszuweiten. Für die Kinder der Unterschichten, welche weiterhin rein arabische Schulen besuchen, kommt der Kauf des Magazins wegen des hohen Preises von 5 Pfund (Fr. 1.20) nicht in Frage.

Boykott wegen amerikanischer Politik

Die Sprache sei nur ein Grund, weswegen an der AUC niemand «Hi» lese, erklärt Ahmed, während er abschätzig das besser als die meisten arabischen Zeitschriften gedruckte und gebundene Magazin durchblättert. «Wir boykottieren amerikanische Produkte, solange die USA den Palästinensern nicht ihre Rechte geben.» Eine in dieser Woche veröffentlichte staatliche Studie der USA mit dem Namen «Change of minds and gain of peace» bestätigt Ahmeds Worte: Die arabische Welt sei heute trotz ihrer Verwestlichung von Hass und Wut auf die amerikanische Politik geprägt. Die Redaktoren von «Hi» - in der Mehrzahl Amerikaner - wissen anscheinend nichts vom dringenden Wunsch der Araber, Israel in die Schranken gewiesen zu sehen. Auch die neuen Beschränkungen für die Einreise nach Amerika gerade für Araber wurden in den bisherigen Nummern nicht angesprochen.

Die Themenwahl von «Hi» bleibt für die jungen arabischen Leser wiederum fern und irreal. «Hi» stellt die USA als Traumland dar, die arabischen Länder selbst kommen nicht vor. Das einzig Arabische in «Hi» sind glückliche arabische Einwanderer. In der jüngsten Ausgabe werden solche beschrieben, die es in den USA zu etwas gebracht haben. Roni aus Libanon ist erfolgreicher Basketballspieler, Sherif, Ahmed und Abdallah sind vielversprechende Komiker beim amerikanischen Fernsehen. Doch obwohl die amerikanische Gesellschaft in «Hi» als multikulturell geschildert wird, werden den Lesern keine praktischen Tipps für die Bewerbung an den Universitäten der USA oder die Erwerbung der Green Card gegeben. Auch die arabische Sprache, in der das Magazin gehalten ist, wirkt aufgesetzt. Eine Rubrik heisst «Al-qaima as-sakhina», was auf Arabisch keinen Sinn ergibt. Wer Englisch kann, kommt darauf, dass sie wohl als «Hot List» konzipiert und anschliessend übersetzt wurde.

Hitradio mit US-freundlichen Berichten

«Hi» ist das zweite grosse Medienprodukt, das die USA im arabischen Raum zu verbreiten suchen. Es erscheint monatlich in einer Auflage von 50 000 Exemplaren und wird in sämtlichen arabischen Ländern angeboten; natürlich ist es auch im Internet unter der Adresse «www.himag. com» zu erreichen. Im Frühling 2002 war ein Ableger der Voice of America, nämlich Radio Sawa (Radio Gemeinsam), in den Golfstaaten, in Jordanien, im Irak und in Ägypten auf UKW lanciert worden. Sein Rezept heisst Musik; die neusten arabischen Hits gehen gekonnt in die von Britney Spears über; kein Ansager und keine Reklame stören den Genuss der Discoliebhaber. Nachrichten kamen vor dem Irak-Krieg in Fünf-Minuten-Häppchen, mit den Angriffen wurden sie auf eine Viertelstunde ausgedehnt. Für die Kriegsberichterstattung wurden nur amerikanische Generäle zitiert; heute kommen auch Iraker des von den USA einberufenen Regierungsrats zu Wort. Glaubt man der amerikanischen Studie, welche den Rückgang der Sympathien für die USA in der arabischen Welt als «katastrophal» bezeichnet, sind Sawa und «Hi» trotz Verbreitung und hohen Investitionen wirkungslos geblieben.

Warum glauben ihre Macher dennoch, bald hohe Auflagen- und Hörerzahlen zu erreichen? «Das amerikanische Aussenministerium hat eine echte Marktlücke in der arabischen Welt entdeckt», meint Mohammed Moussa, ein Journalist, der in Kairo ein Jahr lang selbst eine arabische Jugendzeitschrift unter dem Namen «Aishrin» («Zwanzig») herausgab. Obwohl weit über die Hälfte der 70 Millionen Ägypter junge Leute unter dreissig seien, gebe es momentan nur drei Zeitschriften für sie am Nil. Sie seien in der Themenwahl oberflächlich, im Tonfall banal und im Layout unprofessionell.

Jugendliche nicht ernst genommen

Die Ursachen für die mindere Qualität seien die Zensur und die hiesige Hierarchie, in welcher Jugendliche nicht als eigenständige Persönlichkeiten wahrgenommen würden. «In hatte ich nur Frauen und Männer unter 23 Jahren, zumeist ohne Schreiberfahrung eingestellt. Gemeinsam formulierten wir unser Ziel, nämlich nur über das zu schreiben, was junge Leute wirklich interessiert», erläutert Moussa. Wie überall auf der Welt seien das Schule, Studium, Arbeit und natürlich Liebe und Sex. «Aishrin» sei diese Themen in der einfachen Sprache der Jugend von heute angegangen. Dem Tonfall, der ungewohnten Offenheit und dem raffiniertem Layout von «Aishrin» war Erfolg beschieden, und Zufallsleser wurden zu leidenschaftlichen Abonnenten. Dennoch ging die Zeitung nach knapp einem Jahr ein. «Wir fanden weder Sponsoren noch Firmen, die bei uns inserieren wollten», sagt Moussa. Diese würden in Ägypten zumeist von Abgängern der AUC gemanagt, welche aus sprachlichen Gründen den Wert von «Aishrin» kaum erfassten.

Kristina Bergmann

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 10. Oktober 2003

© NZZ 2003

Neue Zürcher Zeitung
Website des Jugendmagazins "Hi" (Arabisch)