Erbinnen der Macht

Von Indira Ghandi bis zur indonesischen Staatschefin Megawati: In Asien gibt es viele Frauen in politischen Führungspositionen. Haben sie deshalb mehr politische Macht als anderswo? Sybille Golte hat nachgefragt.

Von Indira Ghandi bis zur indonesischen Staatschefin Megawati: In Asien gibt es viele Frauen in politischen Führungspositionen. Haben Frauen in Asien deshalb mehr politische Macht als anderswo? Sybille Golte hat nachgefragt.

Foto:AP
Präsidentin Megawati Sukarnoputri

​​Frauen spielen eine nicht unerhebliche Rolle bei den bevorstehenden indonesischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Sie stellen - das ist nicht überraschend - gut 51 Prozent der Wähler, und bei dieser Wahl gibt es erstmals eine Frauenquote: 30 Prozent weibliche Kandidaten soll jede Partei aufbieten. Keine leichte Aufgabe in einem Land, in dem über Jahrzehnte das vom Militär gestützte Regime des Generals Suharto das Sagen hatte und in dem heute die islamisch-religiös gesteuerten Parteien an Boden gewinnen.

Im höchsten Staatsamt sitzt allerdings schon jetzt eine Frau. Seit den letzten Wahlen regiert Präsidentin Megawati, Tochter des charismatischen Staatsgründers Sukarno, das Land. Und auch ihre beiden Schwestern Sukmawati und Rahmawati greifen als Vorsitzende kleinerer Parteien nach der Macht. Da kann es kaum überraschen, dass bei den bevorstehenden Wahlen auch eine Tochter des abgesetzten Präsidenten-Generals Suharto an den Start geht, wenn auch mit geringen Chancen.

Frauen als Machthaber – eine lange Tradition

Was auf den ersten Blick nicht ins Bild passt, hat in Asien eine lange Tradition: Witwen und Töchter charismatischer Väter treten deren Erbe an. Bereits 1959 übernahm in Sri Lanka Sirimavo Bandaranaike nach der Ermordung ihres Mannes dessen Amt als Premier.

Indira Gandhi folgte in Indien ihrem Vater Nehru, Corazon Aquino auf den Philippinen ihrem ermordeten Mann Ninoy. In Pakistan beerbte Benazir Bhutto ihren gestürzten und später hingerichteten Vater Zulfikar Ali Bhutto, in Bangladesh Sheikh Hasina Wajed ihren ermordeten Vater und Staatsgründer Sheikh Mujibur Rahman.

Zu erwähnen sind ebenfalls Sonia Gandhi, bis zur Ermordung ihres Mannes Rajiv Gandhi eine eher unpolitische Ehefrau, und Aung San Suu Kyii, Tochter des birmanischen Unabhängigkeitshelden Aung San und Friedensnobelpreisträgerin.

Triumph des Feminismus?

Der Vormarsch der Frauen in führende Staatsämter Asiens - ein Triumph von Feminismus und Gleichberechtigung? Weit gefehlt! Ohne berühmten Vater oder Ehemann haben Frauen nach wie vor schlechte Karten in politischen Führungspositionen Asiens. Auch hat sich unter weiblicher Führung die Situation von Frauen in der Gesellschaft grundsätzlich nicht gebessert. In allen asiatischen Ländern waren Frauen die Hauptleidtragenden der allgemeinen Wirtschaftskrise. Arbeitslosigkeit, Inflation und die daraus folgenden Probleme wie Gewalt in Familien oder Gesundheitsprobleme treffen sie unverhältnismäßig hoch.

Dass einige wenige Frauen in politische Führungspositionen gekommen sind, hat viel mit taktischem Kalkül der jeweiligen machthabenden Parteien zu tun. In den jungen Demokratien Asiens sind dynastische Strukturen noch allgegenwärtig. Die Politiker der ersten Stunde - Vorkämpfer der Unabhängigkeit, oft gewaltsam ums Leben gekommen -
sind zu Märtyrern geworden. Ihr Charisma bleibt mit dem Namen verbunden. Im Machtvakuum nach einem Attentat - aber auch bei Wahlkämpfen - hat sich dies noch immer als kaum zu überbietende Trumpfkarte erwiesen.

Frauen als Instrument

Warum aber gerade die Töchter und Witwen - und warum nicht die Söhne? Auch dafür bietet sich eine Erklärung an: Die Königinnen-Macher und Drahtzieher in den Parteien können darauf bauen, mit den traditionell erzogenen Frauen ein leichteres Spiel zu haben. Dafür spricht, dass die meisten der Erbinnen vor ihrem Machtantritt nur selten im politischen Geschäft etwas zu sagen hatten. Zudem sind traditionell gerade die Töchter den Vätern zum Gehorsam verpflichtet. Kein Wunder also, dass sie die erste Wahl sind, wenn es gilt, die bisherigen Machtverhältnisse zu sichern.

Einmal ins höchste Amt gelangt, hat neben der Symbolik übrigens kaum eine der Erbinnen viel für ihre Geschlechtsgenossinnen getan. Kein Wunder - sie stehen nicht für die Politik der Frauenbewegung, die um mehr politischen Einfluss kämpft. Die Macht ist ihnen buchstäblich in den Schoß gefallen. Kein Grund also für eine große Sensibilität gegenüber dem Thema Gleichberechtigung. Zu den ersten Amtshandlungen von Präsidentin Megawati in Indonesien gehörte beispielsweise die Abschaffung des Frauenministeriums.

Was schließlich aus dem Erbe der Väter und Ehemänner wird, ist so keine Frage des Geschlechts, sondern der jeweiligen Persönlichkeit. Indira Gandhi war zweifellos eine herausragende Gestalt in der Geschichte ihres Landes. Präsidentin Megawati in Indonesien muss dies erst noch beweisen, Cory Aquino auf den Philippinen hat ihr Erbe weitgehend verspielt. Und eine wirkliche Gleichberechtigung in den asiatischen Demokratien ist wohl erst dann erreicht, wenn viele namenlose Frauen sich die Macht der politischen Institutionen mit den Männern teilen.

Sybille Golte

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