Proteste gegen Verurteilung Taisir Alunis in Spanien

Die arabische Fernsehstation al-Jazira hat die Verurteilung ihres Reporters Taisir Aluni in Spanien wegen der Unterstützung von Kaida-Militanten scharf kritisiert. Das Gericht ächtete mit einer exemplarischen Strafe den Verkehr mit dem Terrornetzwerk. Von Victor Kocher

Die arabische Fernsehstation al-Jazira hat die Verurteilung ihres Reporters Taisir Aluni in Spanien wegen der Unterstützung von Kaida-Militanten scharf kritisiert. Das Gericht ächtete mit einer exemplarischen Strafe den Verkehr mit dem Terrornetzwerk, den al-Jazira als geeignetes Mittel zu einer exklusiven Berichterstattung erachtet. Von Victor Kocher

Taisir Aluni mit Ehefrau; Foto: AP
Sieben Jahre Gefängnis für Taisir Aluni: offensichtlich wollte das Gericht mit einer harten Strafe unterstreichen, wie schwerwiegend es den Umgang mit der Kaida einstuft

​​Der in Katar beheimatete Fernsehkanal al-Jazira hat gegen die Verurteilung seines Afghanistan-Korrespondenten Taisir Aluni im Kaida-Prozess von Madrid protestiert. Er bezeichnete das Urteil als exzessiv und beteuerte die Unschuld seines Mitarbeiters.

Al-Jazira sprach von einem gefährlichen Präzedenzfall für die Pressefreiheit und kündigte Berufung gegen das Urteil an. Die Webseite der Fernsehkette führte auch eine ganze Reihe von Kritiken anderer Instanzen an dem Gerichtsentscheid an, von Reporters sans frontières bis zu einem Reigen arabischer und muslimischer Menschenrechtsgruppen.

Diese bemängeln je nachdem eine schwache Beweislage, Voreingenommenheit des Gerichts, Willkürjustiz und starken politischen Druck auf die Richter.

Solidaritätskampagne per Internet

Dass sich ein Massenmedium für einen prominenten Mitarbeiter in den Fängen der Justiz stark macht, ist eins, doch auf der anderen Seite begibt sich al-Jazira damit in einen Konflikt mit der Justiz eines europäischen Rechtsstaats, der sich mit legalen Mitteln gegen die manifeste Bedrohung durch den Kaida-Terrorismus wehrt.

Bei der ersten Verhaftung von Aluni vor zwei Jahren organisierte al-Jazira auf seiner Webseite eine Solidaritätskampagne, die in vielen Elementen den westlichen Unterstützungsaktionen für politische Gefangene in den Klauen diktatorischer Regime oder fanatischer Geiselnehmer glich.

Die Wirkung der Kampagne zeigt sich an einer Sofort-Umfrage unter den Webseite-Besuchern: 87,1 Prozent der Reaktionen unterstützen die Ansicht, dass die Pressefreiheit im Westen im Licht des Aluni-Urteils beeinträchtigt sei, und 81,9 Prozent reihen den Aluni-Prozess in den Zusammenhang einer allgemeinen westlichen Kampagne gegen al-Jazira ein.

Daraus ergibt sich die Botschaft, die al-Jazira in dieser Form natürlich nicht ausdrücklich äussert, dass die gerichtliche Verfolgung eines arabisch-muslimischen Starreporters, der seinerzeit die blutige Kehrseite des amerikanischen Afghanistan-Feldzugs mit der Kamera aufgedeckt hat, ein Teil des weltweiten Kriegs der westlichen Länder gegen die Muslime sei.

Eine Hand wäscht die andere

Ein Blick in die veröffentlichten Prozessakten mag den Freunden Alunis ausreichend Anlass zur Frage geben, ob eine immerhin siebenjährige Gefängnisstrafe seinen Taten angemessen sei. Das Gericht hält ihm vor allem vor, in Spanien und später in Afghanistan teilweise enge soziale und professionelle Kontakte mit Arabern gepflegt zu haben, die ihm als radikale Mitglieder in islamischen Terror-Netzwerken bekannt waren.

In diesem Rahmen unterstützte er sie etwa bei der Beschaffung von Aufenthaltspapieren in Spanien und einmal als Geldkurier, indem er 4000 Dollar überbrachte. Dies trug ihm das Privileg ein, der einzige ausländische Fernsehkorrespondent im Kabul der Taliban zu sein und ein Exklusivinterview mit Usama bin Ladin nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zu führen.

Das Gericht wollte offensichtlich mit einer harten Strafe unterstreichen, wie schwerwiegend es den Umgang mit der Kaida einstuft, die immerhin schon mehrere tausend Zivilpersonen umgebracht hat. Die nach spanischem Ermessen erforderliche scharfe Abgrenzung gegen Terrorgruppen liess al-Jazira vermissen; die Entsendung des einschlägig erfahrenen Aluni nach Kabul war für den Nachrichtensender eine äussert erfolgreiche Besetzung.

Man mag hinzufügen, dass manche amerikanische Fernsehkette wahrscheinlich bedeutend höhere Beträge in ein Exklusivtreffen mit dem Kaida-Chef investiert und auch die Beihilfe zwielichtiger Mittelsmänner nicht verschmäht hätte. Al-Jazira konnte 2001 auch mehrmals dreiminütige Auszüge aus Videos mit bin Ladin für jeweils 250.000 Dollar an westliche Fernsehketten weiterverkaufen.

Parteinahme für die Opfer

Al-Jazira ist seinerzeit direkt aus einem arabischsprachigen Projekt der BBC hervorgegangen. Seine Stärke lag in der Übernahme der in London geschulten Belegschaft mitsamt ihren westlichen Massstäben für guten Journalismus. Deren mit der amerikanischen Einäugigkeit kontrastierende Berichterstattung über die Intifada in Palästina und über die amerikanischen Militäraktionen im Irak, meist aus der Sicht der betroffenen arabischen Bevölkerung, hat die Station in eine wachsende Gegnerschaft zu den USA gebracht.

Im Frühjahr 2003 wurde bei einem amerikanischen Angriff auf das Jazira-Büro in Bagdad der dortige Korrespondent Tarek Ayub getötet. Nach dem Urteil unabhängiger arabischer Journalisten ist die Redaktion immer stärker unter den Einfluss der Muslimbruderschaft geraten, was die Parteinahme für die muslimischen Opfer fördert.

In dieser Situation bahnt sich leicht eine Osmose mit denjenigen an, die die muslimische Opferideologie zum Kriegsgrund für den Jihad mit allen Mitteln erhoben, nämlich mit der Kaida, und ähnlich mit der islamischen Guerilla im Irak. Die Lehre aus dem Madrider Urteil, dass eine solche militante Schlagseite nicht akzeptabel ist, wird wohl in der Jazira-Redaktion auch gezogen.

Doch ist das Richtmass nicht so unumstritten, wie das in Europa oder Amerika scheinen mag. Solange die westliche Justiz im Rahmen eines eminent politischen Konfliktes wie des westöstlichen Antiterrorkriegs aktiv werden muss, fällt auch das Akzeptieren eines Gerichtsurteils als unparteiliche Durchsetzung des für alle gleichen Rechts schwer.

Victor Kocher

© Neue Zürcher Zeitung, 28. September 2005

Qantara.de

Die mittelalterliche Sprache der irakischen Propaganda
Immer mehr arabische Satellitenfernsehsender machen US-Medien wie CNN Konkurrenz bei der Berichterstattung über den Nahen und Mittleren Osten. Doch wie sieht es aus mit der Neutralität dieser Fernsehsender? Eine Analyse von Ahmad Hissou.

Arabische Satellitenkanäle
Den arabischen Massen schmeicheln
Arabische und westliche Zuschauer konnten im Fernsehen den Krieg gegen den Irak live erleben. Sie hatten sogar die Wahl zwischen verschiedenen TV-Kanälen. Ein Gespräch mit dem libanesischen Journalisten Marc Sayegh über die Kriegsberichterstattung der arabischen Satellitensender.