Aufführung der "Metamorphosen" von Saadallah Wannus in Damaskus

Ein deutsch-syrisches Theaterprojekt bringt das provokante Stück des Syrers Saadallah Wannus nach neunjährigem Aufführungsverbot in Damaskus erstmals auf die Bühne. Auch in Deutschland soll es bald zu sehen sein. Ann-Katrin Gässlein war bei den Proben dabei.

Foto: Ann-Kathrin Gässlein
Die Prostituierte Warda (Fadwa Suleiman) muss in Wannus' Stück 'Metamorphosen' </wbr> um ihr Leben fürchten

​​"Das Theater muss am Leben bleiben, da die Welt ohne es einsamer, hässlicher und ärmer wäre." So schrieb 1996 der syrische Autor Saadallah Wannus anlässlich des internationalen Welttheatertags. Neun Jahre später kommt sein Werk "Metamorphosen" in Damaskus zu einer ersten Aufführung. Die deutsche Regisseurin Friederike Felbeck hat sich der Herausforderung des umstrittenen Stoffes angenommen und plant, das deutsch-syrische Theaterprojekt auch auf Deutschlands Bühnen zu bringen.

Zum Thema arabische Theaterkunst in Deutschland findet die Regisseurin Friederike Felbeck deutliche Worte: "Immer hat mich das Gefühl eines Phantomschmerzes gequält, weil dem Reichtum der arabischen Literatur so wenig Bedeutung beigemessen wird." Gespeist und gesättigt mit Klischeevorstellungen aus 1001 Nacht werde der arabischen Welt zu wenig Beachtung geschenkt – und auf Theaterbühnen so gut wie überhaupt nichts aus dieser Region gespielt.

Friederike Felbeck, die in Hamburg bei Jürgen Flimm Regie studiert hatte, war zuerst ein Jahr als Assistentin in Frankreich tätig, bevor sie 1994 nach Deutschland ans "Theater an der Ruhr" in Mülheim zurückkehrte. Seit 2000 arbeitet sie selbständig als freie Regisseurin und hatte bislang Aufführungen in Köln, Wiesbaden, Düsseldorf, Oberhausen und Bielefeld, aber auch in Kasachstan inszeniert und bei Gastspielen den Iran, Ägypten und die Türkei kennen gelernt.

Seit Jahren war Felbeck auf der konkreten Suche nach einem arabischen Autor, dessen Werk sie in deutscher Übersetzung dem Publikum in Köln oder in anderen Städten zugänglich machen wollte. Vor drei Jahren hatte sie dann Werke Saadallah Wannus' in der französischen Übersetzung kennen gelernt – und war von dem Stoff des syrischen Dramatikers begeistert. Eine erste Reise nach Damaskus brachte sie mit der Witwe des 1997 verstorbenen Saadallah Wannus zusammen, von der sie die Rechte erhielt. Von Regina Karashouli wurde fast das gesamte Werk unter dem Titel "Metamorphosen" ins Deutsche übersetzt.

Ein provokantes Stück

"Noch in Syrien kam mir dann ein neuer Gedanke: Warum nicht mit einer gemischten Gruppe arbeiten und 'Metamorphosen' als deutsch-syrisches Theaterprojekt erschaffen?" Vom gegenseitigen Austausch könnten, so die Überlegung, beide Seiten profitieren und neue Dimensionen des Stückes entworfen werden, die sonst verschlossen blieben.

Die Regieführung teilt sich Friederike Felbeck nun mit dem syrischen Regisseur Nawar Bulbul, der auch gleichzeitig die Rolle des Mufti im Stück übernimmt. Weiter unterstützt Nabil Haffar, der ehemalige Prorektor der Theaterhochschule und Chefredakteur der Zeitschrift für Theaterwissenschaft, das Team. Der Kostümbildner ist Syrer, das Bühnenbild dagegen stammt aus Deutschland.

Mit diesem Team will Felbeck im Herbst deutsche Schauspieler in Köln auf Saadallahs Stück einschwören. Doch ihre Vorstellungen gehen noch einen Schritt weiter: Die Regisseurin träumt von einem Gastspiel der syrischen Besetzung in Deutschland und einem anschließenden Workshop mit den deutschen Kollegen.

"Metamorphosen" ist eines der letzten Werke des syrischen Schriftstellers. Verfasst 1994 kam es 1997 in Beirut zur Uraufführung, die Saadallah Wannus noch erlebte. In seinem Heimatland selbst fand nur ein Gastspiel der Beiruter Inszenierung im Norden des Landes, in Latakiya, statt. Ins Zentrum des Geschehens, in die Hauptstadt Damaskus, auch Schauplatz von Saadallahs' Geschichte, hatte sich bislang kein Regisseur gewagt.

"Zweifellos ist das Stück sehr provokant", gibt Friederike Felbeck zu. Eine junge Ehefrau entscheidet sich gegen ein Leben mit gehobenem Status und Ansehen, fordert die Scheidung und wird zur Prostituierten. Ehemann Abdallah, einst ein Frauenheld und den diesseitigen Freuden des Lebens durchaus zugewandt, fällt der politischen Intrige eines Muftis zum Opfer. Je mehr er die Kontrolle über sein Leben verliert, wendet er sich der sufisch-religiösen Ekstase zu.

In einer Nebenhandlung begeht ein junger Mann, der in eine homosexuelle Beziehung verstrickt ist, aus Kummer über seine zurückgewiesene Liebe Suizid – Tabuthemen, die in der islamischen Welt höchst umstritten sind und daher dem Rotstift anheim fielen, zumindest für die syrische Aufführung.

Ein Anstoß für Reformen?

Die Buchausgabe des Stückes ist jedoch in Syrien frei erhältlich, unzensiert und ungekürzt. Warum für das Theater andere Regeln gelten, liegt, so Felbeck, im unterschiedlichen Charakter des Mediums: "Theater hat eine andere Brisanz, Papier ist hier im wahrsten Sinn des Wortes geduldiger."

Seit Januar ist die junge Regisseurin in Damaskus unterwegs und schwer beschäftigt, auf der Suche nach Schauspielern und geeigneten Räumlichkeiten. Die täglichen Proben finden entweder im Theater Al-Qabbani oder im Al-Hamra' statt – wo bereits der Dramatiker Wannus häufig probte und viele seiner Aufführungen inszenierte. Die Premiere ist für den 2. April geplant. Anschließend soll 15 Tage lang gespielt werden.

Regisseurin Felbeck sieht im dem Theaterstück einmalige Chancen und Möglichkeiten: "Ich hoffe, es gelingt uns, mit diesem Stück die Wünsche, Träume und Motivationen des Publikums anzusprechen." Theater spielen soll auch im beruflichen Alltag der Schauspieler, allesamt Absolventen der Theater-Hochschule, einen größeren Stellenwert einnehmen. Die meisten Akteure sind vorwiegend beim syrischen Fernsehen beschäftigt, was aber vor allem an den Arbeitsbedingungen der Bühne liegt. "Wenn diese Inszenierung einen Anstoß für Reformen im syrischen Theater geben könnte, wäre ein wichtiges Ziel erreicht."

Hoffnung für die junge Generation

Die bisherige Zusammenarbeit mit den syrischen Kollegen – Regisseuren und Schauspielern – beschreibt Felbeck als spannend und bereichernd: "Wir teilen alle die Sehnsucht nach Ernsthaftigkeit und hängen dem Traum nach, das Leben durch Kunst zu definieren."

Von syrischer Seite wird das Theaterprojekt "Metamorphosen" vom Nationaltheater und dem Kulturministerium finanziert; für die deutsche Übersetzung kam der Bundesfond für Darstellende Künste auf. Die Aufführungen in Köln, die für Herbst 2005 geplant sind, finanziert das Kulturamt der Stadt Köln sowie die "Stiftung Kunst und Kultur Nordrhein-Westfalen. "

Warum ist erst jetzt, oder ausgerechnet jetzt, im Frühling 2005, eine Aufführung des umstrittenen Stückes in der syrischen Hauptstadt möglich? Das Gewand einer internationalen Kooperation, so Felbeck, kann vielleicht als Anlass betrachtet werden, aber grundsätzlich sei dem Stück in Syrien der Boden bereitet: "Die Gesellschaft wandelt sich doch in rasendem Tempo," stellt sie fest. Vermutlich habe der Autor auch damit gerechnet, dass erst eine spätere Generation seine "Metamorphosen" aufnehmen und umsetzen könnte: "Saadallah widmete das Stück seiner Tochter – mit der er stellvertretend die junge Generation anspricht."

Ann-Katrin Gässlein

© Qantara.de 2005

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