Projekt in der Schwebe

Zwei Wochen nach den Stadtratswahlen steht der Bau der größten Moschee Europas in Sevilla bis auf weiteres in den Sternen. Über den Streit zwischen Befürwortern und Gegnern des Projektes informiert Martin Schneider.

Foto: KristaNonKrista/flickr
Moschee-Projekt auf Eis gelegt?

​​Das einzige, was an Los Bermejales europäisch ist, sind die Straßennamen. Hier kreuzt die Avenida Frankreich die Berliner Straße, die Avenida Deutschland trifft auf die Brüsseler Straße.

Doch eigentlich ist Los Bermejales, ein Viertel im Süden Sevillas, ein unauffälliger Ort. Vom Glanz, den die Hauptstadt Andalusiens im Zentrum verbreitet, ist hier, an ihrer südlichen Peripherie, nichts zu spüren. Quadratisch reiht sich Wohnblock an Wohnblock; einige Jugendliche in Trainingsanzügen sitzen rauchend auf Parkbänken. Man sieht eine Mutter, die ihren Kinderwagen durch die Häuserzeilen schiebt.

Warum die größte Moschee Europas ausgerechnet hier hätte entstehen sollen, kann niemand erklären. Der Anteil der Muslime in Los Bermejales ist verschwindend gering. Eigentlich sollte das riesige Gotteshaus der "Islamischen Gemeinschaft Spaniens" auf einer Fläche von 6000 Quadratmetern am Ende der Allee Europa gebaut werden.

Doch als bekannt wurde, dass die Stadtverwaltung das Projekt genehmigt hatte, schlugen die Wogen in Sevilla hoch. Und nun, zwei Wochen nach den Wahlen zum Stadtrat, plant der wieder gewählte sozialistische Bürgermeister Sánchez Monteseirín, das Projekt vorerst zu beenden und einen anderen Ort für die Moschee zu finden.

Kindergarten oder Moschee?

Verantwortlich für die Entscheidung des Bürgermeisters ist vor allem eine Frau: Conchita Rivas, die Vorsitzende des Nachbarschaftsvereins von Los Bermejales. "Die Moschee ist viel zu groß für unser kleines Viertel", klagt die rüstige 67jährige Andalusierin. Sie ist hörbar erbost darüber, dass die Stadtverwaltung das Gelände an die Islamische Gemeinschaft Spaniens vergeben wollte.

Als wir sie fragen, was statt der Moschee in Los Bermejales gebaut werden sollte, wird sie selbst für südspanische Verhältnisse äußerst laut: "Der Baugrund war eigentlich für öffentliche Einrichtungen vorgesehen! Wir sind davon ausgegangen, dass dort ein Kindergarten und ein Gesundheitszentrum entstehen werden".

Deshalb entschloss sich Rivas, gegen die Moschee zu kämpfen. Ihr Verein sammelte in Los Bermejales 3500 Unterschriften gegen das geplante Gotteshaus und zog schließlich gegen die Stadt Sevilla vor Gericht. Mit Erfolg: Die Richter kündigten an, zu überprüfen, ob die geplante Moschee dem gemeinnützigen Zweck des Grundstücks entspricht oder nicht.

Bis dahin untersagten sie alle Bauarbeiten. "Wir haben nichts gegen eine Moschee in Sevilla oder den Islam im Allgemeinen", erklärt sie. Aber eine Moschee dieser Größe könne sie in ihrem Viertel nicht dulden. "Man muss akzeptieren, dass Spanien kein muslimisches Land ist".

Wie es derzeit aussieht, war Rivas’ Kampf erfolgreich. Und Malik Ruiz Callejas muss sich als Verlierer fühlen. Der Präsident der Islamischen Gemeinschaft Spaniens hatte den Bau der riesigen Moschee in Los Bermejales vorangetrieben.

Referenz für alle Muslime und Nicht-Muslime?

Die Vorwürfe seiner Rivalin Conchita Rivas hält er für scheinheilig. "Der Nachbarschaftsverein von Los Bermejales ist in Wahrheit gegen den Islam, gegen die Muslime. Da geht es nicht um die Größe unserer Moschee." Außerdem verfüge das Viertel bereits über zahlreiche öffentliche Einrichtungen.

Man kann davon ausgehen, dass Ruiz Callejas dennoch versuchen wird, das geplante Gotteshaus in Sevilla zu verwirklichen. Für den zum Islam konvertierten Andalusier ist die Moschee kein Projekt, das an den Toren Sevillas halt mache, sondern "ganz Spanien und das ganze Abendland" betreffe. Dies erklärte er noch vor der Entscheidung des Bürgermeisters. "Die Moschee soll eine Referenz für alle Muslime und Nicht-Muslime werden", lautet sein ehrgeiziges Ziel.

Betende Muslime in der Albaicín-Moschee von Granada; Foto: dpa
Betende Muslime in der Albaicín-Moschee von Granada

​​Ruiz Callejas’ Gemeinschaft hat bereits die neue Albaicín-Moschee in Granada gebaut, die 2003 eröffnet wurde. Das Gotteshaus zählt zu den größten Moscheen Europas. "Wir wollten in Granada kein Ghetto bauen, sondern ein dynamisches Zentrum, das sich seiner Nachbarschaft öffnet".

Auch die neue Moschee in Sevilla sollte ein solches Zentrum werden – Ruiz Callejas plante einen "angenehmen, hellen, sauberen Ort". Die Gartenanlagen sollten allein 4000 Quadratmeter ausmachen, auf dem restlichen Gelände wollte die Gemeinschaft ein Kulturzentrum, eine Bibliothek und andere der Öffentlichkeit zugängliche Orte schaffen.

Konservative befürchten Terrorgefahr

Im Streit um die neue Moschee geht es aber auch um die Angst vor Terroristen. Die konservative spanische Tageszeitung ABC berichtete, dass die Moschee durch Gelder des Sultans Al-Qasimi, dem Regenten des Emirats Scharja, finanziert werden solle. Scharja ist eines der sieben Emirate der Vereinigten Arabischen Emirate.

Die Finanzierung der Moschee durch arabische Geldgeber stößt in Sevilla auf scharfe Kritik. Konservative Kreise, allen voran ABC und die "Partei Andalusiens", befürchten, dass dadurch islamische Extremisten in Andalusien Fuß fassen könnten.

Ruiz Callejas weist solche Vorwürfe weit von sich: "Unser Finanzsystem ist transparent. Der spanische Staat kennt alle unsere Geldtransfers, samt Absender und Empfänger". Nun hat er gegen ABC und die Partei Andalusiens Klage wegen Verleumdung eingereicht.

Andere islamische Organisationen in Spanien reagieren zurückhaltend auf die Diskussion um die Moschee in Sevilla. "Ich bin für den Bau der neuen Moschee", erklärt Mansur Escudero, Präsident der bedeutenden muslimischen Dachorganisation "Junta Islamica de Espana". Er gilt als moderater Muslim, da er sich für die Rechte der Frauen stark macht und eine Fatwa gegen islamistische Terroristen ausgesprochen hat.

"Jeder Bürger Spaniens hat das Recht, sich für den Bau eines Gotteshauses einzusetzen", betont er. Auch den Vorwurf, dass Terrororganisationen wie Al-Qaida hinter der Finanzierung der Moschee stünden, bezeichnet Escudero als eine "Dummheit" und fügt hinzu: "In diesem Fall hätte der spanische Staat die betreffenden Organisationen verfolgt".

Dennoch dringen in den Worten des moderaten Muslims auch Vorbehalte durch. "Eine kleinere Moschee wäre mir lieber", räumt er ein. "Der Staat sollte diese Gotteshäuser finanzieren, damit keine einzelne Gruppe bestimmt, was in der Moschee gepredigt wird".

Angst vor radikalen Einflüssen

"Sevilla braucht eine Moschee, aber nicht diese", glaubt auch der Islamwissenschaftler Emilio González Ferrín, der an der Universität von Sevilla lehrt. "Das soll eine Moschee zu Propaganda-Zwecken werden", so Ferrín. Er fürchtet, dass die Imame wie im Fall der neuen Moschee in Granada aus Marokko kommen werden, die eine radikalere Auslegung des Korans vertreten würden.

Und Mansur Escudero geht davon aus, dass es Interessensgruppen gebe, die durch den Bau riesiger Gotteshäuser in Europa Einfluss gewinnen wollten. "Saudi-Arabien verfolgt diese Politik. Indem sie gigantische Moscheen in den wichtigsten Städten der Welt finanzieren, werden sie zu einer Referenz für den Islam. Und das, obwohl sie in Wahrheit gar kein Gewicht in den muslimischen Gemeinden vor Ort haben."

Emilio Gonzales Ferrín weist darauf hin, dass die Islamische Gemeinschaft Spaniens nicht repräsentativ für die spanischen Muslime sei. Es gebe andere Gemeinschaften, die eine größere Zahl an Gläubigen vertreten würden, denen es aber am nötigen Geld für eine Moschee mangele. "Dabei brauchen die Muslime Sevillas eine Moschee – sie haben im Moment keine ausreichenden Gebetsräume in der Innenstadt."

Martin Schneider

© Café Babel 2007

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