Von der Faszination zum "Kampf der Kulturen"

Nach der Geiselnahme und dem anschließenden Blutbad in Beslan hat sich das Bild der Deutschen vom Islam weiter verschlechtert, so eine gerade veröffentlichte Studie. Peter Philipp stellt einige Ergebnisse der Studie vor.

Bilder von der Geiselnahme in Beslan, Foto: AP
Bilder von der Geiselnahme in Beslan

​​Das Bild des Islam in der deutschen Gesellschaft ist erschreckend schlecht. So ergab eine von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in Auftrag gegebene Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach, dass 93 Prozent der Befragten den Islam mit "Unterdrückung der Frau" assoziieren, 83 Prozent mit "Terror", 82 Prozent mit "Fanatismus und Radikalität" und immer noch 62 Prozent mit "rückwärtsgewandt". Diese Zahlen sind besonders drastisch angestiegen seit dem Blutbad in der Schule von Beslan.

Ein Zeichen dafür, dass die Deutschen die Ereignisse im Kaukasus doch mit sehr großem Entsetzen und auch Anteilnahme verfolgt haben, meint Dr. Thomas Petersen, einer der Autoren der Umfrage. Er ist sich aber nicht ganz sicher, ob die Deutschen nun unmittelbar befürchten, dass solche Dinge nun auch in Deutschland geschehen können.

"Also, der Glaube, dass so etwas in Deutschland stattfinden könnte, ist nach wie vor relativ gering", meint Petersen, "aber die Bevölkerung sieht die Ereignisse im Kaukasus schon im Zusammenhang mit der weltweiten Entwicklung – mit Terroranschlägen und mit dem Konflikt mit der islamischen Welt. Der Kaukasus an sich ist zwar nach wie vor fern, aber auf eine nicht näher bestimmbare, etwas vage Weise werden die Taten doch in einen größeren Zusammenhang gestellt".

Verschärfte Konfliktlage

Wie ist diese krasse Radikalisierung des Islam-Bildes in der Meinung der Deutschen zu erklären? Nur mit dem Terror der jüngsten Zeit, besonders seit dem 11. September, oder vielleicht doch mit tiefer liegenden Gefühlen und Vorurteilen?

Für Petersen ist es ein Kennzeichen dafür, dass sich die Konfliktlage verschärft habe. Die islamische Welt habe Europa trotz aller Kriege und Konflikte über Jahrhunderte hinweg fasziniert, angefangen von den gotischen Kirchenbauten über die Dresdner 'Tabak-Moschee' bis hin zum 'Sarotti-Mohr' (das Firmenzeichen einer Schokolade-Firma) oder dem Dieb von Bagdad.

Das aber, so Petersen "ist jetzt offensichtlich vollkommen überlagert vom Thema Terror. Und das heißt natürlich auch, dass der psychologische Konflikt sich verschärft hat: Eine Welt, die einen nicht mehr fasziniert, sondern die einem nur noch fremd und bedrohlich erscheint, ist natürlich auch in den Fronten klarer, als das wahrscheinlich noch vor Jahrzehnten der Fall war."

Vor dem Überfall von Beslan hatten 44 Prozent der Befragten erklärt, es sei ein "Kampf der Kulturen" im Gange, 35 % hatten dies noch verneint. Nach dem Überfall auf die Schule war die Zahl derer, die diesen Kampf sehen, bereits auf 62 Prozent angewachsen und die der Neinstimmen auf 25 % zurückgegangen.

Kampf der Kulturen?

Ist das vom amerikanischen Politologen Samuel Huntington bereits vor Jahren heraufbeschworene Szenario also zur Realität geworden? Laut Petersen hat sich die Lage zumindest verschärft, und, so glaubt er, auf Seiten der islamistischen Terroristen würde man diese These sicherlich bejahen.

Eine wachsende Mehrheit der Befragten ist auch dieser Meinung und tritt deswegen für härtere Kontrollen und notfalls auch härteres Durchgreifen schon gegen Verdächtige ein. Selbst wenn dadurch möglicherweise persönliche Rechte eingeschränkt werden sollten.

Thomas Petersen sieht hierin nicht unbedingt Lösungsansätze. Die seien viel eher im direkten Kontakt mit den Muslimen in Deutschland zu finden, meint er:

"Wenn man verhindern will dass das sich auf das tägliche Zusammenleben in Deutschland auswirkt, dann hilft dagegen nur der direkte, persönliche Kontakt zwischen islamischer Bevölkerung und nicht-islamischer Bevölkerung, das Aufeinanderzugehen durch persönliche Kommunikation. Das funktioniert auch relativ gut, denn es ist doch auffallend, dass die Ablehnung der islamischen Bevölkerungsteile in den Landesteilen Deutschlands relativ am geringsten ist, in denen es viele Türken gibt, in denen es viele Einwanderer gibt. Das heißt, der direkte persönliche Kontakt entschärft die Lage eher".

Peter Philipp

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