Juden und Palästinenser gemeinsam gegen Jüdischen Nationalfonds

Für israelische und arabische Menschenrechtler stellt die israelische Bodenpolitik eine Diskriminierung der palästinensischen Minderheit dar; jetzt klagen sie an Israels Oberstem Gerichtshof für eine Gleichbehandlung. Mehr von Joseph Croitoru

Israelische Flaggen markieren die Gründung einer Siedlung; Foto: AP
Für jedes Grundstück, das an israelische Araber veräußert wird, muss der Staat die verlorenen Landreserven wieder aufstocken. Woher, ist unklar.

​​Der Erwerb von Land in Palästina war seit jeher eine der Hauptmaximen des modernen Zionismus, in dessen Anfängen man gar von der "Erlösung des Bodens" sprach. Schon im Jahre 1907 wurde eigens dafür ein logistischer Zentralapparat geschaffen: "Hakeren Hakayemt Le-Israel" – der Jüdische Nationalfonds, der seit seiner Gründung nach der eisernen Regel verfährt: Einmal von Juden erworbenes Land muss für immer in jüdischer Hand bleiben.

Araber dürfen in Israel Land erwerben – theoretisch

Nach der Gründung des Staates Israel wurde diese Maßregel formell nur bedingt aufrechterhalten, da mit der Lenkung der staatlichen Bodenpolitik nunmehr zwei verschiedene Behörden betraut worden waren:

Zum einen das israelische Amt für die Verwaltung staatlichen Bodens, das offiziell zwar Land an Araber veräußern darf, was in der Praxis allerdings äußerst selten geschieht. Nicht nur, dass seit 1948 kein einziger neuer arabischer Ort in Israel entstanden ist, die israelischen Araber haben darüber hinaus aufgrund von Bodenkonfiszierungen durch den Staat immer mehr Land verloren.

Zum anderen der Jüdische Nationalfonds, der heute über rund dreizehn Prozent des gesamten staatlich-israelischen Bodenbesitzes verfügt. Dieser ist ausschließlich Juden vorbehalten und soll es nach Auffassung des Staates auch bleiben. Diese jüdischen Bodenreserven sind für Araber absolut tabu – sie dürfen sie nicht einmal nutzen, geschweige denn erwerben.

Benachteiligung einer Minderheit

Mit dieser Situation wollen sich israelisch-arabische Menschenrechtler nicht mehr länger abfinden. Für sie stellt die Bodenpolitik des israelischen Staates eine Diskriminierung dar, da sie innerhalb eines demokratischen Staates eine Minderheit benachteiligt.

In den vergangenen Jahren haben sich diese Aktivisten mehrmals an das Oberste Gericht des Landes gewandt. In einem Fall entschieden die israelischen Oberrichter sogar, dass in einer neuen israelischen Siedlung ein Grundstück an ein israelisch-arabisches Ehepaar verkauft werden müsse, was die Behörden zuvor zu verhindern versucht hatten.

Stärkung der israelisch-arabischen Menschenrechtler

Dieser Gerichtsentscheid, der einen ersten Riss in Israels strenger Bodenpolitik markierte, hatte zunächst kaum Folgen. Langfristig allerdings hat er aber zur Stärkung der israelisch-arabischen Menschenrechtler beigetragen, die nun das bestehende System kippen wollen.

Vor einigen Monaten haben ihre Vertreter, unterstützt von einer israelischen Menschenrechtsorganisation, in dieser Sache den Obersten Gerichtshof angerufen. Die Klage hat die israelische "Vereinigung zum Schutz der Bürgerrechte" (The Association for Civil Right in Israel, ACRI) initiiert, eine Menschenrechtsorganisation, die von einer Reihe vor allem kirchlicher Organisationen in Europa unterstützt wird – in Deutschland vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED).

Zu Hintergrund und Motivation dieser Unterstützung erklärt die Pressereferentin des EED, Ilonka Boltze: "Die Menschenrechtsorganisation ACRI wird bereits seit einigen Jahren vom Evangelischen Entwicklungsdienst gefördert, da sie sich für die rechtliche Gleichstellung aller Bürger Israels einsetzt; dazu zählt auch die arabische Minderheit in Israel."

Ein weiteres Thema ist laut Ilonka Boltze die israelische Besatzung in den palästinensischen Gebieten: "Die ACRI gibt Rechtsbeistand, betreibt Öffentlichkeitsarbeit zu völkerrechtlichen Verpflichtungen Israels und kritisiert Völkerrechtsverletzungen in und außerhalb der Besatzungszone. Der EED unterstützt Organisationen wie die ACRI in deren Bemühen, auf die Achtung des Völkerrechts hinzuwirken."

Israels Oberstes Gericht setzt Politik unter Zugzwang

Die Verfasser der Klage an das Oberste Gericht, israelische Juden wie Araber, wollen es nicht länger hinnehmen, dass Land aus dem Besitz des jüdischen Nationalfonds an israelische Araber nicht veräußert werden darf. Als die Oberrichter in dieser Frage eine Stellungnahme verlangten, konterte der Jüdische Nationalfonds, Aufgabe der Institution sei es seit jeher, dafür zu sorgen, dass zumindest ein Teil des israelischen Staatsgebiets für immer in jüdischer Hand bleibe.

Diese Einstellung ist heute jedoch aufgrund mehrerer Präzedenzurteile des Obersten Gerichts juristisch nicht mehr haltbar. Die israelische Regierung, der diese Sachlage nur allzu gut bekannt ist, versucht nun die Notbremse zu ziehen.

Im Gegenzug auf die beim Obersten Gericht eingereichte Klage bot der israelische Generalstaatsanwalt Mani Mazoz einen Kompromiss an, mit dem er hofft, die Situation zu entschärfen und einen für die Regierung nachteiligen Urteilsspruch zu verhindern.

Revolutionärer Kompromiss oder Augenwischerei?

Mazoz' Angebot hört sich geradezu revolutionär an: Künftig sollen an Ausschreibungen für Nutzung und Erwerb staatlichen Bodens aus den jüdischen Bodenreserven auch israelische Araber teilnehmen können.

Nach außen hin wird hier mit einem der heiligsten Tabus des sich als jüdisch definierenden israelischen Staates gebrochen: Araber dürfen nun formell der jüdischen Bevölkerung vorbehaltenes Land erwerben.

Doch die Sache hat einen Haken: Gleichzeitig hat der Generalstaatsanwalt zur Auflage gemacht, dass bei jedem Stück Land, das aus den jüdischen Bodenreserven an Araber veräußert werde, der israelische Staat die verlorenen Landreserven wieder aufstocken müsse. Woher diese kommen sollen, bleibt unklar.

Der vordergründige Tabubruch hat in konservativen Kreisen dennoch Empörung ausgelöst. Yehiel Leket, Vorsitzender des Direktoriums des Jüdischen Nationalfonds, sprach in diesem Zusammenhang sogar von "Raub": Man vergreife sich an dem Bodenbesitz, den Juden aus der ganzen Welt mit ihren Spenden über Jahrzehnte hinweg mühsam zusammengetragen hätten.

Die Entscheidung des Generalstaatsanwalts rüttele an dem jüdischen Fundament des israelischen Staates, so Leket, wer so verfahre, dem sei zuzutrauen, gleich auch noch das jüdische Rückkehrgesetz abzuschaffen.

Aber auch aus den Reihen arabisch-israelischer Menschenrechtler wird Kritik laut. Für sie ist Mazoz' Entscheidung lediglich Augenwischerei. Die Diskriminierung, meint der israelisch-arabische Menschenrechtler und Mitverfasser der Klage, Auni Bana, bleibe auch weiterhin bestehen, da durch die Auflage, die an arabische Bewerber veräußerten Bodenreserven wieder auffüllen zu müssen, ein Teil des Territoriums nach wie vor ausschließlich Juden vorbehalten sei.

Bana sieht die künftige Entwicklung skeptisch. Er fürchtet, dass der israelische Staat, der gemäß der Frist des Obersten Gerichts in einigen Wochen zu der Klage Stellung beziehen muss, die Entscheidung absichtlich hinauszögern werde – etwa durch die Gründung einer Fachkommission, deren Arbeit dann Jahre dauern könnte.

Joseph Croitoru

© Qantara.de 2005

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