Fragile Basis für Friedensinitiativen

Mit neuen Initiativen will Israel die Sicherheitslage an seinen Grenzen beruhigen. Mit der Hamas im Gaza-Streifen tritt ein Waffenstillstand in Kraft. Mit dem Libanon solle es Friedensgespräche geben. Doch diese Friedensinitiativen stehen auf fragiler Basis. Rainer Sollich kommentiert.

Man kann die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas auch zynisch deuten: Bis zu ihrem Beginn am Donnerstag (19.6.), 6 Uhr Ortszeit, darf weiter geschossen werden.

Einige militante Palästinenser machten sich diese Lesart zu Eigen und feuerten noch am Dienstagabend selbstgebaute Raketen ins israelische Grenzgebiet.

Der Vorfall demonstriert beispielhaft, auf welchem fragilen Grund sich alle derzeit laufenden Entspannungs- und Friedensbemühungen zwischen Israel und seinem arabischen Umfeld abspielen.

Fragile Basis für Friedensinitiativen

Auch auf israelischer Seite sind sie mit Unsicherheit befrachtet: So ist unklar, wie lange sich der mit Korruptionsvorwürfen konfrontierte israelische Premier Ehud Olmert überhaupt noch im Amt halten können wird. Er kämpft um sein politisches Überleben.

Aber die tatsächlichen Probleme im Verhältnis zu den Palästinensern, zu Syrien und zum Libanon sind viel zu komplex, um sie kurzerhand im Stil eines innenpolitischen Befreiungsschlags lösen zu können. Mögliche Rückschläge sind im Nahen Osten stets mit einzurechnen und würden Olmert dann zusätzlich angelastet.

Und auf einer Popularitätswelle reitet er mit seinen friedenspolitischen Initiativen auch schon jetzt nicht gerade: Die Zustimmung für Vereinbarungen mit der Hamas oder für eine Rückgabe der 1967 eroberten Golanhöhen an Syrien ist innerhalb der israelischen Bevölkerung in den vergangenen Monaten gesunken.

Waffenstillstand-Abkommen stärkt Hamas

Ismail Hania, ehemaliger Premierminister der Hamas in Gaza-Stadt, Foto: AP
In der Zukunft dürfte jede israelisch-palästinensische Friedensregelung ohne Einbeziehung der Hamas chancenlos sein.

​​Der von Ägypten vermittelte Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas wertet die bisher weitgehend isolierten Islamisten deutlich auf und schwächt damit indirekt die Fatah von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas.

Ob beide Seiten die Vereinbarungen wirklich durchsetzen können und wollen, wird sich erst in den nächsten Tagen zeigen. Dabei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: Die Hamas könnte eine Waffenruhe und eine partielle Öffnung des Gazastreifens für weitere militärische Aufrüstung nutzen und zudem andere bewaffnete Gruppen bewusst weiter gewähren lassen.

Sie könnte in der Waffenruhe aber auch eine Chance sehen, echte politische Verantwortung für das Schicksal der Menschen im Gazastreifen zu übernehmen und schrittweise aus ihrer internationalen Isolation auszubrechen.

Auf zweiteres lässt sich derzeit nur hoffen. Faktisch jedoch dürfte jede künftige israelisch-palästinensische Friedensregelung ohne Einbeziehung der Hamas chancenlos sein.

Schwierige Lage im Libanon

Israelische Friedensgespräche mit dem Libanon, sollten sie überhaupt zustande kommen, dürften nicht minder kompliziert werden - nicht nur wegen komplexer Territorialfragen und der großen palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon, die jeden Separatfrieden erheblich erschweren würden.

Zwar gestaltet sich die derzeitige Regierungsbildung aus pro-westlichen und pro-syrischen Kräften erwartungsgemäß schwierig. Aber die bitteren Verluste des Sommerkriegs 2006 einen die Libanesen über alle politische Lager hinweg.

Demonstrative Kompromissbereitschaft gegenüber Israel kann sich deshalb keiner der zerstrittenen libanischen Politiker erlauben, dies käme innenpolitisch einer Selbst-Entmachtung gleich. Die an der neuen Regierung beteiligte Hisbollah bezieht aus dem bewaffneten Kampf gegen Israel bisher sogar ihre Hauptlegitimation.

Neue Signale aus Syrien

Syriens Präsident Assa; Foto: AP
Für ein Friedensabkommen würde Syriens Präsident Assad eine Gegenleistung der USA erwarten - beispielsweise Wirtschaftshilfe, oder auch politische Unterstützung.

​​Bleibt die Hoffnung auf einen erfolgreichen Abschluss der bisher nur indirekten Friedensgespräche zwischen Israel und Syrien. Auch bis dorthin dürfte es ein langer Weg sein.

Aber es gibt immerhin Anzeichen, dass Syriens Präsident Bashar Al-Assad gewillt ist, sein Land behutsam zu öffnen und aus der einseitigen Anlehnung an den Iran herauszuführen. Aber Al-Assad ist aber auch für schwere Berechenbarkeit und kluges Taktieren in eigener Sache bekannt.

Für einen umfassenden Friedensvertrag mit Israel würde er wohl auch von den USA einen Preis einfordern, etwa in Form von wirtschaftlichen Hilfen oder Unterstützung für sein Herrschaftssystem. Fazit: Es bewegt sich etwas im Nahen Osten. Die Richtung stimmt. Aber der Ausgang ist völlig offen.

Rainer Sollich

© DEUTSCHE WELLE 2008

Rainer Sollich ist Leiter der arabischen Hörfunkredaktion der Deutschen Welle.

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