Al Kaida im Maghreb

Die Attentate von Algier finden in der Zivilbevölkerung zwar keinen Rückhalt, doch deren Unzufriedenheit mit dem Regime von Präsident Bouteflika treibt den Extremisten Unterstützer in die Arme, meint Peter Philipp.

Die Attentate von Algier finden in der Zivilbevölkerung zwar keinen Rückhalt, doch deren Unzufriedenheit mit dem Regime von Präsident Bouteflika treibt den Extremisten unweigerlich Unterstützer in die Arme, meint Peter Philipp.

Brennendes Fahrzeug nach den Anschlägen in Algier; Foto: dpa
Die Unzufriedenheit der algerischen Bevölkerung bietet den Nährboden für die Ausbreitung extremistischer Gruppierungen wie die "Salafisten-Gruppe für Gebet und Kampf" (GSPC)

​​Es ist seit dem 11. September 2001 wohlfeil geworden, Terroranschläge, gleich wo, der "Al Kaida" Osama Bin Ladens anzulasten. Oft ganz einfach deswegen, weil Tat und Hintermänner durch diesen Stempel weiter dämonisiert werden und man die eigene Machtlosigkeit ihnen gegenüber leichter erklären kann.

Inzwischen ist man – aus denselben Gründen - aber auch auf Täterseite dazu übergegangen, dieses Firmenzeichen einer weltweiten "Terror-GmbH" zu verwenden.

Und das, obwohl die eigentliche Truppe um Bin Laden längst nicht mehr das ist, was sie zur Zeit des 11. September noch war: "Al Kaida" ist nicht mehr ein zentralisiertes, internationales Terror-Netzwerk, sondern eher eine Art "Franchise"-Unternehmen, dessen Namen sich bedient, wer immer dies für opportun hält.

Seit Anfang des Jahres tun dies islamistische Gruppierungen im Maghreb: Die algerische "Salafisten-Gruppe für Gebet und Kampf" (GSPC) und mit dieser sympathisierende Gruppierungen in Marokko, Mauretanien und Tunesien nennen sich nun "Al Kaida Organisation für einen Islamischen Maghreb". Sie haben den bestehenden Regimen den Kampf angesagt, um sie durch eine islamisch orientierte Gesellschaftsordnung zu ersetzen.

Dieses Ziel ist nicht neu: In den 1990er Jahren versuchten diverse radikal-islamische Gruppen in einem blutigen Kampf, das algerische Regime zu stürzen, nachdem dieses 1992 den Wahlsieg der Islamisten durch die Annullierung der Wahlen sabotiert hatte.

Der harte Kern der Kämpfer setzte sich aus den so genannten "Afghanen" zusammen – Freiwilligen, die am Hindukusch gegen die sowjetische Besatzung der "Ungläubigen" gekämpft hatten und nun glaubten, ähnliche Ziele auch in ihrer Heimat erreichen zu können.

Afghanistan ist zwar das Bindeglied zu Osama Bin Laden und "Al Kaida". Die Gründe für den Kampf im Maghreb sind aber lokale, verbrämt mit der islamistischen Ideologie: Wirtschaftliche Misere und Perspektivlosigkeit besonders unter der Jugend, Repression durch das Regime und dessen wachsende Nähe zu den "Ungläubigen" – in erster Linie Frankreich und USA.

Präsident Abdelaziz Bouteflika hat zwar versucht, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, indem er den Islamisten eine Amnestie anbot. Ausgenommen waren die notorischsten Gewalttäter. Die Salafisten lehnten das Angebot ab.

Ihre einige Hundert Mann starke Truppe will den Kampf fortsetzen und ihn auf die Nachbarstaaten ausdehnen, in denen ähnliche Zustände ihnen Unzufriedene in die Arme treiben.

Aus den Anschlägen von Algier ein Scheitern der nationalen Versöhnung zu schließen, wäre indes falsch. Die Mehrheit der Bevölkerung will Ruhe und Frieden. Zweihunderttausend Tote des Bürgerkrieges waren mehr als genug. Die Menschen wollen aber auch ein wenig Wohlstand und Freiheit.

Solange ihnen dies vorenthalten wird, werden Radikale ihren Nährboden finden. In Algerien wie in den anderen Staaten des Maghreb. Und ihr Zorn wird sich nicht nur gegen die eigenen Herrscher wenden, sondern auch gegen deren Freunde jenseits des Mittelmeeres oder jenseits des Atlantik.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE 2007

Qantara.de

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