Heimvorteil für die Moscheebaugegner

Mehr als 20 Jahre dauerte der Konflikt um eine neue Moschee in der fränkischen Kleinstadt Wertheim. Der Dokumentarfilm "Heimvorteil" porträtiert die Protagonisten – und zeigt, wie durch den verhinderten Moscheebau auch die Integration scheitert. Von Klaus Heymach

Freitagsgebet in der neuen Moschee von Wertheim; Foto: SWR/Jan Gabriel
Nach langem Streit: Das erste Freitagsgebet in der neuen Wertheimer Moschee - eine umgebaute alte Gewerbehalle, die von außen nicht als Moschee erkennbar ist.

​​ Träge rinnt die Tauber entlang der mittelalterlichen Gassen, gesäumt von schmuck restaurierten Fachwerkhäusern und saftig grünen Wiesen. Weiße Schäfchenwolken zieren den strahlend blauen Himmel. Eine altfränkische Idylle, gekrönt von der einstigen Burg der Grafen von Wertheim.

Dort oben vor der wehrhaften Festung, mit Blick auf den Zusammenfluss von Tauber und Main, steht der Wertheimer Unternehmer Willi Schwend: "Das ist unsere Heimat, und die werden wir verteidigen und versuchen zu bewahren", sagt er, als er vor laufender Kamera den Muslimen seiner Stadt den Kampf ansagt.

Rigoroser Einsatz für den Status quo

Für seinen Abschlussfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg hat der Regisseur Jan Gabriel diesen Konflikt dokumentiert und zwei Jahre lang, von Anfang 2005 bis 2007, die Kontrahenten begleitet.

Im SWR lief "Heimvorteil" unter dem Titel "Moschee, nein Danke!". Ohne Partei zu ergreifen oder zu kommentieren, gelingt es Gabriel, die Gegenspieler vor der Kamera das sagen zu lassen, was sonst nur hinter vorgehaltener Hand oder am Stammtisch geäußert wird.

Alte Moschee in Wertheim; Foto: SWR/Jan Gabriel
Viele Wertheimer wussten noch nicht einmal, dass es in ihrer Stadt bereits einen muslimischen Gebetsraum gab - in diesem baufälligen Gebäude.

​​ Der Unternehmer Schwend verdient sein Geld mit dem Beschichten von Glas. Als die islamische Gemeinde neben seiner Fabrik ein Gebetshaus errichten will, geht er auf die Barrikaden. "Hier sieht alles wie aus dem Ei gepellt aus. So soll es auch bleiben."

Auch Ömer Akbulut verdient sein Geld in der Glasverarbeitung. Sein Vater kam 1969 als Gastarbeiter nach Baden-Württemberg, Wertheim brauchte ihn als Arbeitskraft für die neu angesiedelte Glasindustrie.

Die Krux: mangelhafte Kommunikation

Der kleine Ömer war damals zehn Jahre alt, sein Schulweg führte an einem Kruzifix vorbei. "Dieses Kreuz habe ich nie verstanden", erzählt er, als er fast vier Jahrzehnte später von der Kamera begleitet wird. "Welche Gewalt dahinter stecken muss, wie man einen Menschen dahin hängen kann. Als Zehnjähriger versteht man das nicht."

Es sind Missverständnisse, Vorurteile und Unwissen auf beiden Seiten, die – unbewusst oder mit voller Absicht – dafür sorgen, dass die türkischstämmigen Bewohner von Wertheim und die Alteingesessenen sich fremd bleiben.

Als die Muslime vom Gemeinderat ein Grundstück für eine neue, repräsentable Moschee forderten, hätten viele Wertheimer erst erfahren, dass es bereits einen baufälligen muslimischen Gebetsraum gibt in ihrer Stadt, erzählt Akbulut, der langjährige Sprecher der islamischen Gemeinde. Da sei ihm erst bewusst geworden, dass er für sein Vorhaben werben muss. Er ging in die Realschule und in den Kindergarten seiner Kleinstadt und erklärte, wie das muslimische Gebet funktioniert und was im Koran steht.

Die Gretchenfrage an das System

Während Schwend tausende Unterschriften sammelt und Ängste schürt, beharrt Akbulut auf einem prächtigen Gotteshaus:

"Eine Moschee ist auch ein Stück Heimat", sagt er. "Wenn ich als Muslim keine Moschee bauen kann, dann taugt das ganze System hier nichts." Beten im Hinterhof oder in der Fabrikhalle kommt für den Familienvater – mustergültig integriert, mit süddeutschem Akzent und offenem Wesen – deshalb nicht in Frage. Als Mitglied der Gesellschaft will er auch mit seiner Religion im Alltag präsent sein – mit Minarett und goldener Kuppel.

Ömer Akbulut; Foto: SWR/Jan Gabriel
Ömer Akbulut, langjähriger Sprecher der islamischen Gemeinde Wertheim, möchte als Mitglied der Gesellschaft auch mit seiner Religion im Alltag präsent sein – mit Minarett und goldener Kuppel.

​​ Doch Schwend vereitelt den Neubau neben seiner Fabrikhalle: "Das Baurecht bietet immer eine Chance, eine Moschee zu verhindern", versichert er im Film. Auch die Gemeinderäte finden einen solchen Weg.

Sie bieten den Muslimen schließlich ein Grundstück mit einem alten Schweinestall an, neben einer Diskothek, und machen zur Auflage, dass Hecken und Bäume als Sichtschutz zu pflanzen sind – damit die Moschee von der Bundesstraße aus nicht zu sehen ist. Als die islamische Gemeinde selbst das akzeptiert, zieht die Stadt ihr Angebot zurück.

Denn es geht nicht nur um Parkplatzprobleme und architektonische Fragen. Schwend hat gute Beziehungen in der Stadt. Dem Filmteam stellt er seinen Bruder Gerhard vor, ein Ehrenbürger Wertheims, der rund 40 Jahre für die CDU im Gemeinderat saß.

"Die müssen den ganzen Koran mal umschreiben", sagt der ehemalige Bürgermeister in die Kamera. Seine politische Arbeit führt heute sein Sohn Michael fort. "Ich könnte ja auch nach Afrika gehen und sagen, ich muss jeden Tag zehn Negerkinder umbringen, das ist mein Glaube", sagt der in der gleichen Szene, die nicht im Film, sondern nur online (http://heimvorteil-film.de) zu sehen ist. Der Staat müsse verhindern, dass Zuwanderer vergleichbare "radikale Vorstellungen" in Deutschland auslebten.

Diplomatische Sprechblasen

Zu radikal war manchen Wertheimern vielleicht auch Akbuluts Vorstellung von einer großen Moschee an der Tauber. Am Ende lassen ihn auch seine eigenen Leute fallen, die Gemeinde leiten nun Männer, die kaum Deutsch sprechen und nicht sonderlich integriert sind.

Moscheebaugegner Willi Schwend; Foto: SWR/Jan Gabriel
Moscheebaugegner in Wertheim: Willi Schwend, Mitglied der "Bürgerbewegung Pax Europa", die vor der "schleichenden Islamisierung" Deutschlands und Europas warnt.

​​Sie bauen eine alte Gewerbehalle zum Gotteshaus um, von außen nicht als Moschee erkennbar – und ziehen sich auf diplomatische Sprachblasen zurück: "Wir sind mit der Stadt Wertheim zufrieden, und die Stadt Wertheim ist mit uns zufrieden."

Und Willi Schwend, der Gegner von Minarett und Kuppel, ist weiter als "Handlungsreisender in Sachen 'Kampf dem Islam'" unterwegs, wie Gabriel das in seinem Film formuliert: als Vorsitzender der "Bürgerbewegung Pax Europa", die vor der "schleichenden Islamisierung" Deutschlands und Europas warnt.

Eine Lektion in Sachen Integration

In Wertheim selbst hat der Dokumentarfilm manchen erst die Augen geöffnet, vor welchen Karren sie sich da spannen ließen, wie Gabriel erzählt.

So ist sein Film auch ein Dokument des Scheiterns: Kirchen, Lokalpolitiker, Medien und Zivilgesellschaft, aber auch der türkische Dachverband DITIB, hätten es versäumt, um Integration bemühte Kräfte der Islamgemeinde zu unterstützen, sagt der Regisseur.

"Auch Muslime können aus dem Konflikt lernen", ist Gabriel überzeugt. "Wenn sie eine Moschee bauen wollen, müssen sie etwas tun dafür." Sonst könne ein solches Projekt – zumal in der Provinz – auch "Irritationen" bei jenen auslösen, die keine Islamfeinde seien. In Wertheim beten die Türken jetzt wieder draußen im Gewerbegebiet, dort sind sie unter sich.

Klaus Heymach

© Qantara 2009

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