Eine Baustelle unter freiem Himmel

Algerien als ein zweites Dubai? Wie am Persischen Golf spült der hohe Ölpreis Milliarden in die Staatskasse, die für den Ausbau der Infrastruktur genutzt werden. Die Regierung will so Investoren und Touristen anlocken. Von Martina Zimmermann

Algerien als ein zweites Dubai? Wie am Persischen Golf spült der hohe Ölpreis Milliarden in die Staatskasse des Maghrebstaats, die für den Ausbau der Infrastruktur genutzt werden. Die Regierung will so Investoren und Touristen anlocken. Martina Zimmermann berichtet.

Erdgas- und Erdölgewinnungsindustrie in Hassi Messaud; Foto: dpa
Die Erdgas- und Erdölgewinnung in Algerien boomt, doch vor allem die niedrigen Einkommenschichten sind vom Reichtum weiterhin ausgeschlossen.

​​Algerien will im großen Tourismus-Geschäft mitmischen, das im letzten Jahr weltweit ein Wachstum von sechs Prozent verzeichnete. Das Land hat einiges zu bieten: Der größte und landschaftlich interessanteste Teil der Sahara liegt in Algerien – die Wüste macht vier Fünftel der Gesamtfläche des Landes aus.

Algerien bietet römische Ruinen und unberührte Natur. Doch trotz 1200 Kilometer Küste empfängt das Land bisher nur ein Prozent der Mittelmeertouristen.

Elf Millionen sind das Ziel von Tourismusminister Cherif Rahmani, der auch für Umwelt und Landbebauung zuständig ist - allerdings erst in relativ ferner Zukunft: 2025.

Die südliche Sahara in Algerien; Foto: dpa
Neu entdecktes Touristenziel - die südliche Sahara in Algerien

​​"Unser Land ist im Aufbau begriffen, wir können nicht im kommenden Juni hunderttausende von Touristen herholen", sagt Rahmani. "Wir wollen heute geduldig die Grundlage schaffen, es braucht Infrastruktur und Personal und keine großen Ankündigungen oder auffällige Werbung ohne was dahinter."

Kontrollen wie am Flughafen

Die bestehenden Hotels sind heute schon ausgebucht, vor allem im Sommer, wenn die Algerier selbst im eigenen Land Urlaub machen. Aus dem Ausland kamen 2007 rund 1,7 Millionen Urlauber.

Die meisten davon sind im Ausland lebende Algerier und ihre Familien. Etwas mehr als eine halbe Million Europäer wagten sich nach Algerien; meist Geschäftsleute, die in den Hotels von internationalem Standard absteigen.

Das Sheraton liegt im sogenannten Club des Pins von Algiers, eine Zone am Meer, in der besondere Sicherheitsvorkehrungen gelten. Während des Terrors der 90er Jahre wohnten hier Minister, Journalisten und sonstige bedrohte Prominenz.

Am Eingang des Hotels müssen Besucher und Gepäck durch

Hochhäuser in Algier; Foto: DW
Wachstum nach jahrelangem Bürgerkrieg - neu errichtete Hochhäuser in der Hauptstadt Algier

​​Sicherheitsschleusen wie am Flughafen. "Das ist nichts Neues, ob das Hotel in Europa steht oder in Asien oder hier", sagt Hans-Jörg Kreitner, der österreichische Chef des Sheratons. "Es gibt gewisse Sicherheitsstandards, und die haben wir hier voll eingeführt."

Auf dem über 30 Kilometer langen Weg vom "Club des Pins" ins Stadtzentrum von Algier gibt es immer wieder Polizeisperren, aber vor allem sieht man Baustellen: Hochhäuser werden errichtet, an der Metro wird gebaut, die Bucht von Algier wird renoviert, die Kasbah, die Altstadt restauriert, eine Straßenbahn ist in Planung.

"Mit den Erdöl-Einnahmen bauen wir die nötige Infrastruktur für Investoren", sagt Djamel Zenguine von der Nationalen Agentur für ausländische Investitionen. "Algerien ist heute eine Baustelle unter freiem Himmel."

Wachstum zum Himmel

Tourismus, Industrie, Landwirtschaft, Fischfang und auch der Umweltsektor sind in Algerien aufzubauen. Ausländische Investoren geben sich in den Kabinetts der Ministerien die Klinke in die Hand. Die Europäer sind die zweitgrößten Invostoren.

Die größten Summen kommen von Firmen aus den Golfstaaten: Milliardenschwere Immobilienprojekte für luxuriöse Hotelkomplexe am Meer, deren Modelle an die neue Architektur in Dubai erinnern - kolossal und mit viel Beton.

Frauen in Südalgerien; Foto: AP
Es bleibt fraglich, ob auch die einfache Bevölkerung vom gegenwärtigen wirtschaftlichen Aufschwung profitieren wird.

​​"Wir lassen überall 80 Prozent für Grünflächen. Ob Ihnen das gefällt oder nicht: Alle Großstädte der Welt bauen in die Höhe, schauen Sie die Projekte in Paris, New York oder London an", sagt Minister Rahmani. "Aber ich betone: dieses Wachstum zum Himmel muss unbedingt von Qualität und auf bestimmte Orte begrenzt sein."

Wird das Volk etwas haben von dem Aufschwung? Allein der Tourismus soll 200.000 Arbeitsplätze schaffen. Für den Bau des neuen Stadtparks in Algier, der größer sein wird als der Central Park in New York oder der Hyde Park in London, werden 24.000 Menschen eingestellt, heißt es von offizieller Seite. Und es bleibt noch viel zu tun.

"Algerien hat die Phase des Freiheitskampfes hinter sich, der 1,5 Millionen Tote gefordert hat. Es hat die Phase der Arabisierung hinter sich mit verheerenden Folgen für das Ausbildungssystem", sagt Hans Karpe, Leiter des Büros der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Algier.

"Es hat die Phase des Sozialismus und die Phase des Fundamentalismus hinter sich - und Relikte davon sind überall noch in irgendeiner Form vorhanden."

Dennoch klingt die Zukunftsmusik so vielversprechend, dass auch die deutsche Wirtschaft immer mehr Interesse zeigt. 2006 wurde die Deutsch-Algerische Handelskammer in Algier eingeweiht.

Sie rechnet mit einem enormen Wachstumspotenzial, einem gigantischen Nachholbedarf und einer rasant steigenden Nachfrage bei Konsumgütern. Vor allem im Umweltbereich genießt "Made in Germany" hohes Ansehen. Mit deutscher Hilfe hat sich Algerien die modernste Umweltgesetzgebung von ganz Afrika gegeben.

Martina Zimmermann

© DEUTSCHE WELLE 2008

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