Eine Ikone der Gegenkultur

Muhammad Ali, der wie kein anderer den Boxsport weltweit populär gemacht hat, ist 65 Jahre alt geworden. Robert Misik zeichnet die wichtigsten Stationen seiner Karriere nach.

Muhammad Ali, der wie kein anderer den Boxsport weltweit populär gemacht hat, ist 65 Jahre alt geworden. Von seinem Siegeszug im Ring, seinem Bekenntnis zum Islam bis zu seinem gesellschaftlichen Engagement zeichnet Robert Misik die wichtigsten Stationen des Sportlers nach.

Muhammad Ali auf einer Pressekonferenz in Berlin im Dezember 2005; Foto: AP
Der Künstler mit der Eisenfaust, der sich immer wieder für soziale und gesellschaftliche Belange engagierte - Muhammad Ali

​​Für das Kind, das ich war, war er die erste Celebrity, die in mein Leben trat. Mit krakeligen Strichen zeichnete ich am Küchentisch, ich muss damals vier oder fünf Jahre gewesen sein, den boxenden Muhammed Ali.

Seine Boxkämpfe zählten zu den ersten großen Fernsehereignissen. Im Pantheon der Legenden der 60er Jahre hat er einen fixen Platz, gemeinsam mit der Mondlandung, den Beatles oder den Rolling Stones – ein Monument seiner Zeit.

Heute ist Mohammed Ali 65 Jahre alt, und man kennt ihn nur mehr als motorisch schwer gehandikapten Mann, gezeichnet von der Parkinsonschen Krankheit, an der er seit mehr als 25 Jahren laboriert. Die Krankheit hat ihn in sein Gegenteil verwandelt – einen der schnellsten Männer der Welt zu einem der langsamsten, den Inbegriff der Virilität zu einem, der Leid und Gebrechen mit Würde trägt.

Ein Popstar des Sports

Er war, als die Populärkultur ihren Siegeszug antrat, der erste Popstar des Sports – und sollte bis heute dessen größter bleiben. Als Boxer unerreicht, wurde er doch als Showman und öffentliche Figur zur Legende.

Boxkampf Muhammad Ali gegen Sonny Liston; Foto: AP
K.O. durch Alis "Phantomschlag" - Herausforderer Liston liegt bereits in der 1. Runde beim Rückkampf der Weltmeisterschaft 1965 am Boden.

​​Sein Boxstil selbst war Show. Das leichtfüßige Tänzeln im Ring, die herabhängende Deckung, die die Gegner provozierte und demütigte, die Beweglichkeit, mit der er Schläge auspendelte. "Float like a butterfly, sting like a bee", war sein Kampfspruch. "Der boxt mit den Beinen", sagte man seinerzeit.

"Ich bin der Größte", so prahlte er schon zu einer Zeit, als ihn noch niemand kannte – was dazu beitrug, dass ihn bald alle kannten. Als "Großmaul", bezeichnete man ihn daraufhin. Seine Provokationen stieß er in einem spontanen Sprechgesang aus – Rap-Zeilen "avant le lettre":

"I'm so fast, man / I can run through a hurricane and don't get wet. / When George Foreman meets me he'll pay his debt. / I can drown the drink of water and kill a dead tree, / wait till you see Muhammad Ali." (Ich bin so schnell, Mann / Ich renne durch den Wirbelsturm, und bleibe trocken. / Wenn George Forman es mit mir zu tun bekommt, ist für ihn Zahltag! / Ich kann das Wasser zum Ertrinken bringen, ich kann noch einen toten Baum killen, / eines Tages werdet ihr mich kennen lernen - Ich bin Muhammad Ali!)

Für die "Nation of Islam" und gegen den Vietnamkrieg

Ali wurde zu einer Ikone der Gegenkultur. Das liegt daran, dass er sich Autoritäten nicht unterordnete. Seinen Geburtsnamen Cassius Clay legte er ab – "das ist mein Sklavenname". Er wandte sich der "Nation of Islam" von Malcom X zu und verweigerte den Dienst in Vietnam, mit der legendären Begründung, er habe keinen Streit mit dem Vietcong.

Dafür wurde ihm sein erster Weltmeistertitel aberkannt. Erst 1974 holte er ihn sich beim "Rumble in the Jungle" in Kinshasa gegen George Foreman zurück. Noch ein drittes Mal sollte er 1978 den alten Boxerleitspruch "They never come back" widerlegen.

Aber vielleicht sind es nicht nur diese politischen Gründe, die Ali zu einem Monument der Gegenkultur machten. In der Gegenkultur wurde der Dandystil kultiviert oder das Hippietum, Poesie und Zartheit waren hohe Werte.

Der Künstler mit der Eisenfaust

Aber doch ließ sich diese "intellektuelle" Welt immer auch gerne faszinieren vom Boxen. Von der Virilität, der Vitalität, vom Atavismus der rohen Gewalt. Schon Brecht war ein Boxfan und nicht wenige Dichter in Berlin sind angezogen von Kampf und "Miljöh". Im Boxer sieht der Intellektuelle auch immer das Andere der eigenen Verzärteltheit.

Aber nur in Ali konnte man das Andere der Poesie und die Poesie zugleich sehen: den Künstler, aber einen mit der Eisenfaust. Der schöne Schläger. Der Beste einer Gewaltsportart, der sich doch immer wieder für soziale und gesellschaftliche Belange engagierte – bis heute übrigens. 65 ist er erst alt und gut zwei Drittel seines Lebens hat er als Legende verbracht.

Wenn ich mir heute noch gelegentlich – nur mehr selten, zugegeben – den Wecker stelle, um mir um vier Uhr früh einen Boxkampf anzusehen, dann wohl nur deshalb, weil Muhammed Ali und seine Kämpfe sich tief in das Gedächnis des Kindes, das ich war, eingebrannt haben.

Robert Misik

© Qantara.de 2007

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