Shayan Arkian, 22. April 2010

zu Die Spirale des Misstrauens überwinden von Volker Perthes

Lob und Kritik

Prof. Dr. Perthes hat sicherlich Recht, wenn er ausführt, dass Sanktionen den aktuellen Atomkonflikt nur weiter problematisieren werden und eigentlich niemand mehr in den westlichen Hauptstädten von einer konkreten signifikanten Auswirkung auf die Atomfrage ausgeht. Die Frage stellt sich dann doch, wieso der Westen eine verschärfte Sanktionspolitik verfolgt. Bis vor der Wiederwahl Ahmadinejads zeichnete sich eine Entspannung zwischen Iran und der USA. Ahmadinejad gratulierte schriftlich Obama zu seiner Wahl und Obama gab in seiner ersten Nowruz Rede zu erkennen die Staatsform der islamischen Republik anzuerkennen. Praktische Schritte wurden von Obama nicht unternommen, in Hinblick auf die iranischen Präsidentschaftswahlen 2009. Die Nachereignisse der Wahlen haben den Annäherungsversuch Obamas torpediert. Im Gegensatz zu seinen Amtskollegen in Großbritannien und Frankreich hielt sich anfangs Obama mit Verurteilungen und Forderungen hinsichtlich der blutigen Unruhen sichtlich zurück. Aus Furcht wohl nicht auf der falschen Seite der Geschichte zu landen, verschärfte sich jedoch allmählich - bei anhaltenden Unruhen im Iran - die Rhetorik der USA, begonnen mit der Außenministerin Hillary Clinton über Vize-Präsident Joe Biden zu dem Präsident selbst. Im Iran ist der Vorwurf an Mousavi - von seinen Gegnern und Anhängern – daher begründet, er habe die nationalen Interessen Irans dramatisch ramponiert. Hierbei muss man wissen, dass 80 % der Iraner – in Anbetracht des Versäumnisse Mousavi und Karoubi Beweise gegen die Authentizität der Wahlen vorzulegen – Ahmadinejad, gemäß mehreren repräsentativen Umfragen wie die des renommierten US-Instituts für Meinungsforschung World Public Opinion, als den legitimen Präsidenten des Irans anerkennen. Von einer Legimitationskrise entscheidenden Ausmaßes dürfte keine Rede sein. Die Strategie der US-Administration zielt aber unbeachtet darauf ab, gezielte Sanktionen für einen Regime Change. Hintergrund ist, dass in den westlichen Iran-Debatten nicht versucht wurde, Differenzierungen zwischen der grünen Opposition im Iran und der grünen Exil-Opposition mit deren wenigen aber vergleichsweise radikalen Anhängern im Iran vorzunehmen. Zwar hat man festgestellt, dass die weiteren Demonstrationen im Spätsommer und Herbst Forderungen weit über die von Mousavi und Karoubi stellten, man hat jedoch nicht erkannt, dass die Demonstrationsteilnehmer kleiner und nicht mehr identisch mit denen vom Sommer 2009 waren. Der Tod von Großayatollah Muntezari und die darauf folgenden Demonstrationen in seiner Heimatstadt Najafabad und Isfahan (Provinzhauptstadt von Najafabad, im Iran gibt es Populationswanderungen von den kleinen Städten hin zu den Provinzhauptstädten) täuschte den Eindruck einer ernstzunehmenden religiösen Opposition innerhalb des religiösen Regimes vor. Der Einfluss Muntezaris wurde im Westen, mangels kulturellen Austauschs mit den Religiösen im Iran, dramatisch überhöht. Muntezari war unter den Reformern Zweijahrzehnte isoliert, erst durch die hysterische Massen-Mobilisierung der gesamten iranischen Opposition (innerhalb und außerhalb Irans), hervorgerufen wegen der vermeintlichen Wahlfälschung, gewann er vorübergehendes Ansehen und Resonanz. Der Revolutionsgründer Khomeini brachte Muntezari zu seinem Rücktritt als designierter Revolutionsführer, in dem er ihn verbat jemals wieder sich politisch zu äußern. Die Elite der Reformopposition beruft sich mehrheitlich gerade eben zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele und Ideale auf den Staatsgründer Khomeini (Khomeini hatte die schiitische Rechtswissenschaften modernisiert, etwas was in der westlichen Rezipierung wegen der politischen Zerwürfnisse mit dem Iran selten wahrgenommen wird). Die Macht und Einfluss eines schiitischen Gelehrten rührt von seiner Anzahl an Nachahmer her. Liberale und unorthodoxe Muslime jedoch, die Muntezari hochschätzen verwerfen dagegen das schiitischen Prinzip von Taqlid (Nachahmung eines Großgelehrten). Auch deshalb waren die Trauerzeremonien nur auf seine Heimatstadt begrenzt und schwappten nie nach Teheran über. Was die religiösen Schiiten betrifft, ahmen sie religionsgesetzlich den Großmeister nach, nie seinen Schüler, Muntezari galt bis Khomeinis Tod als sein Schüler, und durch das Zerwürfnis mit ihm galt er ohnehin für die Religiösen, die Khomeini nachahmten, nicht mehr als „Nachahmungswert“. Bei der Beerdigung in Qum nahmen aber – entsprechend der schiitischen Tradition Großgelehrten unabhängig ihrer politischen Linie zu ehren – auch Staatsführer und –anhänger an der Trauerzeremonie statt. Nicht aufgrund der besseren Vorbereitung der iranischen Sicherheitskräfte in Qum konnten Youtube Videos und grüne Bannern der tausenden Trauernden effektiv verboten werden, sondern wegen dieser Konstellation gab es sie kaum. In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert zu sagen, dass die Trauerveranstaltungen der Regimeloyalen Großgelehrten Lankarani und Behjat vor einigen Jahren weitaus mehr Massen von ganz Iran und Ausland mobilisierten. Muntezari ist hingegen in der schiitischen Welt außerhalb des Irans sogar eine unbekannte Person. Der Westen entzieht sich dieser Erkenntnisse und bewertete Muntezaris Tod bis heute als Höhepunkt der grünen Bewegung, weil die Bewertungen und Analysen der inner-iranischen Verhältnisse eine Monopol-Domäne der exilischen iranischen Iran-Experten sind. US-Vizepräsident Joe Biden sagte als erster hoher Verantwortlicher der USA am 2. Februar 2010 im amerikanischen Nachrichtensender MSNBC, dass die erwünschten Ziele der Sanktionen ein Regime-Change seien. Nach den klanglosen Ereignissen am 11. Februar auf den Straßen Irans, verstummten die Rufe nach Sanktionen nicht, es scheint dass die USA in einer Trotzhaltung verhaftet ist. Dagegen versucht Mahmud Ahmadinejad auf die Aussicht vor den iranischen Wahlen anzuknüpfen und schickte kürzlich wieder einen Brief an Präsident Obama. Das Regime der islamischen Republik ist stabil geblieben, sie ist politisch, kulturell und wirtschaftlich handlungsfähig. Im Jahre 2009 konnte der Iran trotz der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise und aller Isolationsbemühungen des Westens als einziger Staat am Persischen Golf ein Wachstum in der Wirtschaft verzeichnen. Economist Intelligence Unit prognostiziert dem Iran gar eine Verdoppelung seins BIP’s in den nächsten fünf Jahren. Dabei hat der BIP schon Rekordergebnisse erzielt. Alle internationalen Wirtschaftsstatistiken, wie die von Weltbank oder IWF ermitteln unisono positive Zahlen. Daher ist es realitätsnah, dass der Westen sich die potentielle atomare Bedrohung Irans, wie Prof. Dr. Perthes es vorschlägt, jenseits von Sanktionen annimmt. Sein Vorschlag allerdings im Zuge des Dialoges den Iran ernsthaft und vermehrt zur Aufrechterhaltung der Menschenrechte aufzurufen, könnte sich im Hinblick auf die Atomverhandlungen als kontraproduktiv erweisen, sofern eben diese Aufforderungen nicht an Saudi-Arabien, Ägypten oder Jordanien gestellt werden. Generell sind die Menschenrechte und Demokratien in Europa und USA nicht durch Ermahnungen und Forderungen von äußeren Mächten eingepflanzt worden, sondern entstanden durch die eigene innere Tradition und Dynamik. In diesem Sinne können Aufrufe nach mehr Demokratie und Menschenrechte alleine nie einen wesentlichen Fortschritt erzielen, sondern nur punktuelle temporäre Akzente setzen. Demokratie und Menschenrechte setzen Rechtsstaatlichkeit voraus, die wiederum eine Geisteshaltung in der Gesamtgesellschaft benötigt, diese kann man nicht gesetzlich fest schreiben und schon gar nicht im Rahmen von Handelsabkommen zu diktieren.