Dänemarks Chefrabbiner kritisiert Netanjahus Aufrufe zur Auswanderung

Netanjahu stößt mit seinen Aufrufen an europäische Juden, vor der Terrorwelle in Europa nach Israel zu fliehen, auf Widerstand. Man dürfte sich nicht vom Terror einschüchtern lassen, meinen jüdische Repräsentanten. Zudem sei auch Israel nicht gerade ein sicherer Hafen.

Dänemarks Chefrabbiner Jair Melchior hat Aufrufe an die Juden Europas kritisiert, nach den Anschlägen in Kopenhagen und Paris nach Israel auszuwandern. «Wir haben keine Angst», sagte Melchior dem israelischen Rundfunk am Montag. Es sei das Ziel von Terrorismus, den Menschen Furcht einzuflößen. «Wir lassen uns nicht von Terroristen dazu zwingen, unser tägliches Leben zu ändern, in Angst zu leben und an andere Orte zu fliehen», sagte Melchior.

Juden könnten nach Israel auswandern, weil sie den jüdischen Staat liebten, «aber nicht, weil sie Angst haben, in Dänemark zu leben», sagte der Oberrabbiner.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte europäische Juden nach den Anschlägen in Kopenhagen und Paris dazu aufgerufen, nach Israel auszuwandern. Israels Regierung bereitet sich mit einem Sonderplan auf die Aufnahme zahlreicher jüdischer Einwanderer aus Frankreich, Belgien und der Ukraine vor. «Israel erwartet euch mit offenen Armen», sagte Netanjahu am Sonntag. Israel will 180 Millionen Schekel (rund 41 Millionen Euro) in das Aufnahmeprogramm investieren.

Melchior sagte dagegen: «Jetzt müssen jüdische Gemeinden überall gestärkt werden. Weil Juden überall dort bleiben und leben können, wo sie sind.» Er nannte Vergleiche des heutigen Europas mit der Situation vor dem Zweiten Weltkrieg «ärgerlich und unangemessen».

«Dies sind keine Nazis. Dies sind keine Pogrome. Dies sind bösartige Terroristen, die es nicht verdient haben, uns vorzuschreiben, wie wir zu leben haben.»

«Die Situation in Europa ist nicht so schlimm, das Leben in Europa ist nicht so katastrophal», sagte Melchior. «Auch in Israel gibt es Terroranschläge und man lernt, damit umzugehen.»

Melchiors Vater Michael, ein früherer Politiker in Israel, kritisierte den Aufruf Netanjahus ebenfalls. «Ich denke, es ist keine angemessene Reaktion», sagte der ehemalige Sozialminister der israelischen Zeitung «Haaretz». «Wir haben einen Regierungschef, der sagt, Israel stehe kurz vor einem Angriff schrecklichen Ausmaßes, und der gleichzeitig erklärt, alle sollten von dort wegrennen, wo sie sind, und hierher kommen», sagte Melchior angesichts der ständigen Warnungen Netanjahus vor einer atomaren Aufrüstung des Irans. «Ich will gar nicht erst anfangen, auf diese Art zu denken. Meiner Meinung nach ist die richtige Antwort auf den Terror, ihn überall dort zu bekämpfen, wo er ist.» (dpa)