Seltener Sieg der Diplomatie - historische Einigung im Atomstreit mit dem Iran

Es ist vollbracht: Ein großer Konflikt der Weltpolitik ist gelöst. US-Präsident Obama feiert einen seltenen außenpolitischen Erfolg. Aber es ist eine Einigung mit Vorbehalten. Von Matthias Röder und Ivonne Marschall

Das 15-minütige Telefonat im September 2013 zwischen US-Präsident Barack Obama und dem neu gewählten iranischen Präsidenten Hassan Rohani war eine politische Sensation. Zwei Erzfeinde sprachen auf höchster Ebene wieder miteinander. Seitdem haben die USA, die anderen UN-Vetomächte und Deutschland ein diplomatisches Feuerwerk gezündet, um den Atomstreit mit Teheran beizulegen und so die Entwicklung iranischer Nuklearwaffen zu verhindern.

Mit heute seltener Einigkeit zogen die USA, China und auch das wegen des Ukraine-Konflikts ins Abseits geratene Russland an einem Strang. Am Ende eines zermürbenden Verhandlungsmarathons in Wien ist der Streit mit einem historischen Abkommen besiegelt - ein seltener Sieg der Diplomatie. 

Es gebe eine «einmalige Chance» für eine Lösung des seit 13 Jahren schwelenden Konflikts, hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier zuvor alle Seiten beschworen. Das Ziel der 5+1-Gruppe (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) war: den krisengeschüttelten Nahen und Mittleren Osten sicherer zu machen. Teheran muss sein Atomprogramm so begrenzen, dass es keine Nuklearwaffen entwickeln kann. Zugleich befreit die schrittweise Aufhebung der Sanktionen den Iran aus seiner internationalen Isolation.

Das kann positive Folgen haben weit über den Iran und das Nuklear-Thema hinaus: Zum Beispiel für den Kampf gegen die Terrormiliz IS, ein gemeinsames Interesse des Westens und des Irans. «Meine Hoffnung ist, dass ein Erfolg der Atomverhandlungen einen Impuls für die Lösung anderer Konflikte in der Region liefert», deutete Steinmeier mögliche neue Chancen an. 

Insgesamt 18 Monate hat die 5+1-Gruppe mit Teheran verhandelt. Die vergangenen zwei Wochen in Wien waren eine Achterbahn-Fahrt der Gefühle und Erwartungen - zwischen großem Optimismus, Ratlosigkeit und der Angst, ein hochkomplexes Abkommen zu schließen, das leicht angreifbare Punkte haben könnte. 

Vor allem für die USA und den Iran ist das Abkommen ein Meilenstein - seit der Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran im Jahr 1979 hatte Eiszeit geherrscht. Doch nun saßen Außenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohammed Dschawad Sarif am selben Tisch.

Den Reformern im Iran gibt der Deal Auftrieb und für US-Präsident Obama ist es - neben der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Kuba - ein seltener außenpolitischer Erfolg.

Doch mit einem Händedruck zum Abkommen vor laufenden Kameras ist es nicht getan. Die Übereinkunft hat viele Gegner - im US-Kongress und natürlich auch in Israel. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete einen Deal als «Pfad zur Atombombe» für den Iran. Und so schwierig die Verhandlungen waren, die Umsetzung wird kaum leichter werden, meinen Experten.

«Ich glaube, Schwierigkeiten werden vor allem in der Phase der Umsetzung beginnen», sagt Oliver Meier von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) soll die Vertragstreue des Irans überwachen. Teheran muss den IAEA-Inspekteuren über sehr lange Zeit sehr weitreichenden Zugang gewähren. «Es gibt für Gegner eines solchen Abkommens Möglichkeiten, das zu erschweren», meint Meier.

In Washington gibt es vor allem bei den Republikanern viele Gegner eines Abkommens. Der Kongress kann den Deal ablehnen, aber Obama könnte ein solches Votum überstimmen. Das Ende der Sanktionen im Finanzbereich und des Öl-Embargos könnte die Wirtschaft des Irans ankurbeln - und davon dürften auch deutsche Firmen erheblich profitieren.

Im Iran mit seinen fast 80 Millionen Menschen haben Waren «made in Germany» einen guten Ruf, schließlich war Deutschland in einigen Bereichen einst der wichtigste Handelspartner Teherans. Mittelfristig hält der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) eine Vervierfachung des aktuellen Exportvolumens von 2,4 Milliarden Euro für realistisch. 

Das Geld dafür wird der Iran haben. Denn mit dem Fall der Sanktionen erhält er Zugriff auf weit mehr als 100 Milliarden Dollar (90 Milliarden Euro) eingefrorener Gelder auf Konten ausländischer Banken. Damit könnten aber nicht nur zivile Waren, sondern auch Waffen gekauft werden, fürchten die Kritiker des Deals. Der Iran könnte seine Unterstützung für Gruppen wie die libanesische Hisbollah-Miliz oder die Palästinenserorganisation Hamas gar noch ausbauen.

So war der eigentliche Knackpunkt der äußerst zähen Verhandlungen, dass sich beide Seiten immer noch tief misstrauen. Aber schon im Fall der neuen US-Politik gegenüber Kuba hatte US-Außenminister Kerry gesagt, dass die Erzfeinde sich nun auf die Zukunft konzentrieren wollen. «Dinge können sich ändern, Führungskraft kann gestalten.» Gesagt, getan - fürs Erste. (dpa)

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