Was Ikea mit der Westsahara zu tun hat - Ärger um alten Konflikt

Ein langjähriger Konflikt sorgt derzeit in Marokko für Wirbel. Das Land sieht sich in seiner Souveränität bedroht. Und die lange geplante Eröffnung eines Ikea-Kaufhauses fällt ins Wasser. Von Mey Dudin

Ein langjähriger Streit um ein großes Stück Wüste hat derzeit in Marokko skurrile Auswirkungen: Hunderte Jugendliche protestieren mit einer Sitzblockade vor dem Gebäude des französischen Fernsehsenders «France 24» in Rabat gegen die «feindselige Haltung» des TV-Kanals; vor die schwedische Botschaft ziehen aus demselben Grund gar Tausende Demonstranten. «Die Sahara ist marokkanisch und Marokko in der Sahara», steht auf Transparenten. Eine lange geplante Eröffnung des ersten Kaufhauses des schwedischen Möbelriesen Ikea wird kurzfristig verschoben. Was ist passiert?

Das große Stück Wüste ist eigentlich ein Land: die Westsahara. 1975 marschierte Marokko in die spanische Ex-Kolonie ein und hält seitdem den größten Teil unter Missachtung des Völkerrechts besetzt. Der südliche Wüstenstreifen ist arm an Vegetation, aber reich an Phosphat. Die Gewässer der dortigen Atlantikküste sind besonders fischreich. Einige Abschnitte gelten als Surferparadies.

Die sozialistische Organisation Polisario kämpfte gegen die marokkanische Besetzung an, bis für 1991 ein Referendum vereinbart wurde - auf das die gut 500.000 Einwohner noch heute warten. Die Polisario verwaltet einen Streifen im Osten, an der Grenze zum marokkanisch kontrollierten Gebiet sind Minen ausgelegt. Eine UN-Friedensmission überwacht seit 24 Jahren die Einhaltung des Waffenstillstands.

Immer wieder versuchen die Vereinten Nationen Bewegung in den festgefahrenen Konflikt zu bringen. Im September reiste der UN-Sondergesandte Christopher Ross durch den Maghreb und führte informelle Gespräche. Marokko reagierte gereizt: Vor der UN-Generalversammlung warnte der marokkanische Vertreter Prinz Moulay Rachid davor, dass Rabat jede «unverantwortliche und riskante Vorgehensweise» im Bezug auf die Westsahara zurückweisen werde. «Unrealistische Pläne» und «fehlerhafte Vorschläge» würden die Region gefährden.

Der Konflikt betrifft längst nicht nur Marokko und die Bewohner der Westsahara, die Sahrauis. Auch Algerien setzt sich offen für die Unabhängigkeit der Westsahara ein. Wegen dieses Streits ist die algerisch-marokkanische Grenze seit fast 20 Jahren dicht. Die Krise verhindert, dass die Maghreb-Staaten zu einem Wirtschaftsraum zusammenwachsen.

Um den Anspruch auf die Westsahara zu unterstreichen, hat Marokko bis zu 120.000 Mann permanent dort stationiert, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag vom Frühjahr hervorgeht. Das seien ungefähr zwei Drittel der marokkanischen Landstreitkräfte. Mit wirtschaftlichen Anreizen versucht Rabat, Marokkaner zum Umzug in die Westsahara zu bewegen - eine Taktik, die bereits Ergebnisse zeigt. Rund 165.000 Sahrauis sollen in Flüchtlingslagern im Südwesten der algerischen Wüste unter schwierigen Umständen leben.

Schweden zieht nun wegen einer «internen Analyse» der Regierung zur Westsahara-Politik den Zorn der Marokkaner auf sich. Das skandinavische Land falle auf «algerische Propaganda» herein und unterstütze die Unabhängigkeitsbestrebungen, so lauten die Vorwürfe im Königreich. Medien verbreiten Gerüchte, dass Stockholm eine Boykott-Kampagne plane.

Das schwedische Außenministerium sah sich schon zu einer Klarstellung veranlasst: «Schweden hat die Westsahara nicht als Staat anerkannt.» Und außerdem: «Die Regierung hat weder einen Warenboykott beschlossen noch zu einem Boykott aufgerufen.» Die Ikea-Eröffnung scheiterte, wie das Außenamt in Stockholm von Vertretern des nordafrikanischen Landes erfuhr, an «Genehmigungen lokaler Behörden». Ein neuer Termin war zunächst nicht bekannt. Und der Ärger in Marokko ist noch längst nicht verflogen. (dpa)

Mehr zum Westsahara-Konflikt auf unserer auf unserer Qantara-Themenseite