Muslimische Bundeswehrsoldatin kämpft gegen Vorurteile

Nach den Kölner Übergriffen wurde Nariman Reinke mit schlechten Witzen über arabische Männer und Islamfeindlichkeit konfrontiert. Irgendwann reichte es der Bundeswehrsoldatin: Sie postete einen Beitrag gegen Rassismus auf Facebook, der hohe Wellen schlug. Von Christina Sticht

Früher hat sich Nariman Reinke oft vergeblich bemüht, Aufmerksamkeit für die Projekte ihres Vereins «Deutscher.Soldat.» zu erlangen. Er wurde von Offiziersanwärtern aus Migrantenfamilien gegründet. Jetzt kann sich die Bundeswehrsoldatin vor Anfragen kaum retten. Die 36-Jährige mit marokkanischen Wurzeln ist ein gefragter Talkshow-Gast, seit sie im Internet ein flammendes Plädoyer gegen Rassismus gehalten hat. Auslöser für ihren Facebook-Beitrag waren gehässige Kommentare in ihrem Bekanntenkreis nach den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht.

«Ausschlaggebend war, dass ein ehemaliger Freund auf meiner privaten Pinnwand einen Speck-BH gepostet hat, mit dem man sich vor Muslimen schützen könne», erzählt Hauptfeldwebel Reinke in ihrer Wohnung in Hannover. Über solche Witze könne sie nicht lachen. «Für mich ist es ganz schrecklich, dass der Islam für Köln verantwortlich gemacht wird.»

In ihrem inzwischen tausendfach geteilten und kommentierten Posting schreibt die Soldatin: «Wenn ich höre, dass manche der Verbrecher von Köln aus Marokko kommen sollen, wird mir schlecht!» Dafür gebe es aber weder eine marokko- noch islamspezifische Entschuldigung oder Erklärung. «Vergewaltigung ist auch in Marokko strafbar und die Entehrung einer Frau ist für Muslime eine sehr schwerwiegende und schlimme Tat.»

Der Beitrag wurde inzwischen ins Arabische übersetzt und auch in Marokko veröffentlicht. Nariman Reinke weiß das von ihren Eltern, die vor 52 Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, den Winter aber in ihrer Heimat verbringen. Schlucken musste ihre Familie lediglich bei dem Satz: «Ich bin stolz, Deutsche zu sein.» Sie nimmt ihn nicht zurück, denn dies sei auch für ihre Eltern immer klar gewesen. «Ich bin auf vieles stolz. Ich bin auch stolz darauf, dass ich Soldatin bin und so tolle Kameraden habe.»

Im Internet erfährt Nariman Reinke viel Zuspruch, gleichzeitig aber auch böse Kommentare und Anfeindungen. «Das lese ich nicht mehr», sagt sie. Vorgeworfen wird ihr etwa, die Situation von Frauen in der arabischen Welt zu verniedlichen. Ein anderer Kommentator hält der Soldatin vor, sich von der Bundesregierung als ihrem Arbeitgeber einspannen zu lassen, denn sie verteidigt in ihrem Posting auch Angela Merkels Flüchtlingspolitik.

Derzeit gehört die 36-Jährige zum Bataillon Elektronische Kampfführung, das im rheinland-pfälzischen Daun stationiert ist. Zweimal war sie als Übersetzerin in Afghanistan im Einsatz. Das Land, aus dem viele Menschen flüchten, kennt sie aus eigener Anschauung.

Bei einem Einsatz für das Landeskommando Bremen sprach sie im Sommer mit vielen traumatisierten Neuankömmlingen aus Syrien. Mit ihrem Verein «Deutscher.Soldat.» engagiert sich die Hannoveranerin zudem für Flüchtlingskinder in ihrem Stadtteil.

«Es müssen Lösungen in der Flüchtlingspolitik her, es muss System reinkommen und wir müssen unsere Willkommenskultur schützen», sagt Nariman Reinke. «Wer möchte jetzt auf dem Stuhl der Bundeskanzlerin sitzen? Dass sie positiv denkt und sagt «Wir schaffen das», finde ich genau richtig.»

Politisch engagiert sich die Soldatin auch als Mitglied der Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe im niedersächsischen Landtag. Die Kommissionsvorsitzende Filiz Polat (Grüne) ist dankbar für Nariman Reinkes Facebook-Posting. Sie habe Einblick gewährt, welche Folgen eine so emotionalisierte Debatte für sie persönlich als deutsche Muslima mit marokkanischen Wurzeln hat, sagt Polat. Damit übernehme Nariman Reinke eine sehr verantwortungsvolle Botschafterinnenfunktion. (dpa)