Schriftsteller Martin Walser würdigt Merkels Flüchtlingspolitik

Der Schriftsteller Martin Walser (88) hat erneut die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigt. Deren Satz «Wir schaffen das!» stimmt Walser ausdrücklich zu: «Es ist doch klar, wir haben doch gar keine andere Möglichkeit mehr, als es zu schaffen», sagte er dem Nachrichtenmagazin «Focus». «Alles andere wäre viel schlimmer.»

Walser erinnerte an den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg: «Wir haben nach 1945 viel mehr schaffen müssen und wir haben es geschafft in einer viel, viel schlechteren wirtschaftlichen Lage.»

Was die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende in der Flüchtlingsfrage getan habe, sei «ganz großartig» gewesen: «In Deutschland wurde zum ersten Mal weltbewegend menschlich reagiert.»

Walser ist sich sicher, dass sich das Land durch die Flüchtlinge verändern werde, er sieht darin Chancen: «In 20 Jahren wird es Romane und Gedichte dieser Menschen geben in einer deutschen Sprache, die es zuvor noch gar nicht geben konnte, und das wird ein Reichtum sein.»

Dagegen sieht der Philosoph Peter Sloterdijk Europa und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf einem falschen Weg. «Die Politik der offenen Grenzen kann final nicht gut gehen. Merkel wird zurückrudern», sagte er in einem Interview der neuesten Ausgabe des in Berlin erscheinenden Magazins «Cicero». Man dürfe die Kanzlerin allerdings nicht in eine Situation drängen, in der sie ihr Gesicht verliere. Zugleich erteilte der Philosoph dem Ziel einer immer enger zusammenwachsenden EU eine Absage.

Die Bundesregierung habe sich «in einem Akt des Souveränitätsverzichts der Überrollung preisgegeben», kritisierte er mit Blick auf die Flüchtlingskrise. Notwendig sei eine striktere Trennung zwischen Asyl- und Einwanderungsrecht.

Sloterdijk sieht allerdings auch langfristige Ursachen für den mangelnden Grenzschutz: Die Deutschen hätten sich schon seit Jahrzehnten im «Schlaf der Gerechten» befunden und Grenzen nur noch als touristische Hindernisse begriffen. Da das 21. Jahrhundert ein Zeitalter der Migration werde, müsse Europa zwangsläufig eine wirksame gemeinsame Grenzpolitik entwickeln. «Auf die Dauer setzt sich der territoriale Imperativ durch. Es gibt schließlich keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung.» (KNA/dpa)