Keine Waffenruhe in Sicht - Assad spottet über den Westen und die Opposition

Die Einigung von München sieht eine schnelle Waffenruhe für den syrischen Bürgerkrieg vor. Davon aber ist nichts zu erkennen. Machthaber Assad spricht wie jemand, der sich als Sieger wähnt. Von Jan Kuhlmann

Staffan de Mistura ist um seine Mission wahrlich nicht zu beneiden. Seit Monaten ringt der UN-Syrienvermittler darum, den blutigen Konflikt in dem Bürgerkriegsland zu entschärfen. Ende Januar feierte der 69-Jährige einen Erfolg, als Regime und Opposition in Genf zu Friedensgesprächen zusammen kamen - die dann nach nur wenigen Tagen auf unbestimmte Zeit verschoben wurden. Am Dienstag reiste der erfahrene de Mistura auf seiner mühsamen Mission nach Damaskus, um für eine Wiederaufnahme der Treffen am Genfer See zu werben. Seine Erfolgsaussichten? Sehr gering.

Statt weniger Gewalt erlebt das von fünf Jahren Krieg geschundene Land eine Eskalation der Kämpfe. An nur einem Tag wurden fünf Kliniken und zwei Schulen getroffen. Dutzende starben. Die UN wollen ermitteln, ob es sich um Kriegsverbrechen handelt. Von einem gezielten Angriff auf eine Klinik in der Provinz Idlib sprach die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF). Deren Chef in Frankreich, Mego Terzian, bezichtigte Russland «der gleichen Zerstörungspolitik wie in Grosny in Tschetschenien: einer Politik massiver Bombardierungen ohne Unterschiede. Das ist eine Politik der verbrannten Erde.»

Moskau weist zwar jede Verantwortung zurück. Für Regimegegner und Aktivisten ist dennoch klar, dass Russland oder das Regime selbst für die Bombardierungen verantwortlich sind - schon allein, weil in den beschossenen Gebieten normalerweise niemand sonst Luftangriffe fliegt. Die USA und ihre Verbündeten sind gewöhnlich weiter östlich im Einsatz, wo die IS-Terrormiliz ihre Hochburgen hat.

Russland scheint gewillt, dem Regime mit seiner Luftunterstützung zum Sieg im Bürgerkrieg zu verhelfen - anders lassen sich die intensivierten Luftangriffe der vergangenen Tage kaum erklären. Mit Moskaus Hilfe gelangen Syriens Armee und ihren Verbündeten in den vergangenen Wochen vor allem im Norden des Landes wichtige Erfolge. So konnten sie die wichtigste Nachschubroute der Rebellen aus der Metropole Aleppo Richtung Türkei kappen.

Die Regimegegner in und außerhalb der Stadt stehen massiv unter Druck. Zehntausende Menschen sind vor der neuen Welle der Gewalt Richtung Türkei geflohen, hängen aber jetzt an der Grenze fest. Und die Rebellen in Aleppo laufen sogar Gefahr, völlig von der Außenwelt abgeschnitten zu werden.

Auch die Ende vergangener Woche getroffene Vereinbarung von München konnte die Lage bisher nicht beruhigen. Dabei hatten sich die beteiligten Staaten darauf geeinigt, innerhalb von einer Woche eine Feuerpause zu erreichen. Auch Assads engste Verbündete Russland und der Iran stimmten dem Papier zu. Dass die Waffenruhe tatsächlich wie angedacht im geplanten Zeitraum beginnt, scheint derzeit unmöglich.

Der Machthaber selbst machte am Montag in einer langen Rede vor Anwälten in Damaskus nicht den Anschein, als sei er an einer schnellen Waffenruhe interessiert. Im Gegenteil: Da sprach ein Präsident, der sich auf der Siegerstraße wähnt. Sämtliche Forderungen der Opposition wies er zurück und bezeichnete deren Vertreter stattdessen als «Verräter und Terroristen», die von Saudi-Arabien gelenkt seien.

Eine Übergangsregierung? Könne nur über den Weg der Verfassung erreicht werden, sprich: nicht über Verhandlungen in Genf. Eine Feuerpause? Davon wolle der Westen nur etwas wissen, wenn die von ihnen unterstützten Rebellen litten «und (ihre) Niederlagen beginnen», spottete Assad. Überhaupt unterstütze der Westen doch den Terrorismus. Wen er für einen Terroristen hält, machte er auch deutlich: Jeden, der den syrischen Staat und sein Volk bekämpfe. Dazu gehören für ihn folglich auch moderate Regimegegner.

Niemand kann Assad derzeit stoppen. Der Westen bombardiert den IS, will aber keinen Krieg mit dem Regime und schon gar keine eigenen Bodentruppen. Damit droht die türkische Regierung, was kaum mehr als kräftiges Klappern sein dürfte. Ankara will Assad stürzen und die syrischen Kurden stoppen, die die Schwäche der Rebellen nutzen, um mehr Gebiet an der Grenze unter Kontrolle zu bringen.

Doch ein Einsatz türkischer Truppen in Syrien liefe Gefahr, zu einem Desaster zu werden. Sollten Ankaras Soldaten einen Fuß auf syrischen Boden setzen, dürften sie von Moskaus Jets bombardiert werden – aus Rache für den Abschuss eines russischen Flugzeugs durch die türkische Luftwaffe im vergangenen Jahr. Ohnehin will Ankara eine Operation am Boden nur zusammen mit internationalen Verbündeten. Außer Saudi-Arabien dürfte sich dafür jedoch kein Partner finden lassen. (dpa)