Neuer Plan in der Flüchtlingskrise - Türkei will alle Syrer aus Griechenland zurücknehmen

Die EU und die Türkei haben sich bei ihrem Gipfel in Brüssel darauf verständigt, einen neuen Kurs in der Flüchtlingspolitik zu prüfen. Dem vorläufigen Plan vom Montagabend zufolge würde die Türkei künftig sämtliche Migranten zurücknehmen, die auf irreguläre Weise nach Griechenland gelangen. Im Gegenzug sollen syrische Flüchtlinge direkt aus der Türkei nach Europa kommen dürfen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte den Plan, der bis zum nächsten EU-Gipfel in zehn Tagen weiter beraten werden soll. Dieser sei «ein Durchbruch, wenn er realisiert wird», sagte Merkel.

Es gehe darum, «alle aus der Türkei neu auf den griechischen Inseln ankommenden irregulären Migranten zurückzuführen», heißt es in einer Erklärung der 28 EU-Staats- und Regierungschefs. Dies beträfe also auch Flüchtlinge, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, nicht nur sogenannte Arbeitsmigranten oder Menschen, die in Europa ein besseres Leben suchen. Damit verknüpft soll es eine besondere Regelung ausschließlich für syrische Flüchtlinge geben. Für jeden in die Türkei zurückführten Syrer würde ein anderer syrischer Flüchtling aus der Türkei legal in die EU kommen dürfen. Damit würde es der Türkei erleichtert werden, Migranten zurückzunehmen.

Generell soll der vom türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu offenbar überraschend vorgeschlagene Mechanismus laut Merkel dazu dienen, Menschen vom illegalen und gefährlichen Weg über das Meer nach Europa abzuschrecken und stattdessen auf die legale und sichere Umsiedlung zu setzen. Es gehe darum, die Kette aufzubrechen zwischen dem Besteigen eines illegalen Bootes, um als Ergebnis einen Aufenthalt in Europa zu bekommen, sagte Merkel.

Rechtliche Bedenken wies die Kanzlerin zurück. Die Flüchtlinge könnten schließlich auf legalem Wege in die EU kommen, sagte sie. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, der Mechanismus sei generell mit dem EU-Recht vereinbar.

SPD-Chef Sigmar Gabriel begrüßte die Vereinbarungen auf dem EU-Flüchtlingsgipfel mit der Türkei. «Endlich gibt es konkrete Fortschritte für eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik», erklärte der Vizekanzler am Dienstag in Berlin. Gabriel hob dabei das Rücknahmeabkommen mit der Türkei für Flüchtlinge und die Kontingente hervor, durch die Geflüchtete auf legalem Weg nach Europa kommen könnten. Das sei «der beste Weg, um den Menschenhändlern und Schleppern das Handwerk zu legen», sagte Gabriel. Die SPD erwarte, dass sich nun in Deutschland «alle politischen Kräfte hinter diese gemeinsame europäische Politik» stellten. Alle «außenpolitischen Querschüsse» müssten eingestellt werden, forderte Gabriel.

Bereits als sich der neue Mechanismus abzeichnete, hatte Pro Asyl Kritik geübt. «Nicht nur Syrer sind Flüchtlinge. Hier soll die Herkunft bestimmen, ob ein Mensch Schutz findet. Dieser Vorschlag ist menschenverachtend», urteilte die Flüchtlingshilfsorganisation. Die menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament, Barbara Lochbihler, erklärte: «Es ist ein Tiefpunkt europäischer Einigungsgeschichte, wenn unsere Antwort auf millionenfache Not allen Ernstes lautet, möglichst viele Menschen in die Hände einer Regierung übergeben zu wollen, die die Menschenrechte mehr denn je mit Füßen tritt.» In der Türkei hat unter anderem die Genfer Flüchtlingskonvention nur eingeschränkte Geltung.

Der Gipfel bekräftigte daneben die Umsetzung und zum Teil die Beschleunigung von bereits zuvor vereinbarten Schritten, darunter die an Bedingungen geknüpfte Aufhebung des Visazwangs für Türken bei EU-Reisen und die Verbesserung der Lage der Flüchtlinge in der Türkei mit EU-Finanzhilfen. Dabei will die Union möglicherweise über die für 2016 und 2017 veranschlagten drei Milliarden Euro hinausgehen.

Beim innereuropäischen Umgang mit Flüchtlingen wurde eine verstärkte Hilfe für Griechenland vereinbart. Ein umstrittener Passus in der Gipfel-Erklärung, wonach die westliche Balkanroute geschlossen sei, wurde entfernt. (epd/Reuters)

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