Anschläge in Saudi-Arabien: Gegen König und Staat - nicht gegen den Islam

Drei Anschläge haben Saudi-Arabien zum Ende des Ramadan schwer getroffen. Doch was als verzweifeltes Aufbäumen des Islamischen Staates dargestellt wird, ist genau durchdacht. Denn die Anschläge galten nicht den Heiligen Stätten. Von Simon Kremer

Kaum war der Anschlagsort in der Nähe der Propheten-Moschee in Medina in Saudi-Arabien geräumt, gingen die Gebete weiter. In den sozialen Netzwerken riefen Muslime weltweit dazu auf, jetzt für die zweitheiligste Stadt des Islam zu beten, untermalt mit Fotos, die tausende Gläubige in Gebetshaltung zeigen - nur einige hundert Meter vom Ort des Attentats entfernt. Dazwischen immer wieder Videos, die dicken schwarzen Rauch hinter einem der Minarette zeigen.

Das Selbstmordattentat in Medina, bei dem auch vier Sicherheitsleute starben, war das letzte einer Serie von Anschlägen, die Saudi-Arabien am Montag innerhalb weniger Stunden trafen. Alle Ziele wurden symbolträchtig ausgewählt: in der Nähe einer der wichtigsten Moscheen Saudi-Arabiens, unweit des US-Konsulats in Dschidda und mit Katif eine Stadt im Osten des sunnitischen Landes, die überwiegend von Schiiten bewohnt wird. Damit griffen die Terroristen gleich an drei zentralen Stellen der saudischen Gesellschaft an.

Internationale Medien analysierten den Anschlag zwar schnell als «Angriff auf den Islam selbst», arabische Kommentatoren sprachen den Attentätern ab, wahre Muslime zu sein. Allerdings dürften die Attentate vom Montag eher ein anderes Ziel verfolgt haben: den saudischen Staat und sein Königshaus zu treffen.

«Saudi-Arabien bezeichnet sich gerne als 'Diener der Heiligen Stätten'», schreibt der US-Historiker und Professor Juan Cole direkt nach den Anschlägen. «Der Angriff in Medina sollte zeigen, dass König Salman und Kronprinz Mohammed bin Najif keine guten Diener sind.» Der Angriff auf das US-Konsulat habe auf die guten Beziehungen des saudischen Königshauses zum Westen gezielt. Und durch den Anschlag in Katif könnte der Frust der Schiiten angestachelt werden. Sie fühlen sich durch die erzkonservativen sunnitischen Machthaber ohnehin unterdrückt und nicht richtig geschützt.

Die Anschläge reihen sich ein in eine Terrorserie, die zuvor Istanbul, Dhaka und Bagdad getroffen hat. Experten schreiben die Attentate in Saudi-Arabien der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu. Das saudische Innenministerium sprach im Zusammenhang mit den Attentätern von «herumstreunenden Elementen», einer üblichen Bezeichnung der Behörden für Anhänger des IS oder des Terrornetzwerks Al-Qaida.

Tatsächlich bekämpft der IS schon seit Langem das Königshaus in Riad, dem er vorwirft, mit «Ungläubigen» zu paktieren. Offiziell bekannt hat sich die Terrormiliz bislang jedoch nicht zu den Attentaten im Königreich - was auch nicht zu erwarten ist. Schon in den vergangenen Jahren gab es in Saudi-Arabien immer wieder Anschläge auf Einrichtungen wie Konsulate oder schiitische Moscheen.

Öffentliche Bekenntnisse blieben aber zumeist aus. Ähnlich wie bei dem blutigen Anschlag auf den Flughafen in Istanbul, für den die Regierung in Ankara ebenfalls die Terrormiliz verantwortlich macht. Wie in der Türkei wollen die Extremisten offenbar auch in Saudi-Arabien nicht die Sympathien verlieren, die sie in erzkonservativen Kreisen genießen. Die Dschihad-Ideologie des IS und der im Königreich vorherrschende Wahhabismus, eine radikal-konservative Lesart des Islam, sind eng miteinander verwandt.

In Saudi-Arabien unterstellen Sicherheitsexperten, dass der IS von einflussreichen Geldgebern finanziert wird, weil er unter anderem auch Anschläge gegen Schiiten verübt. Das will die Terrormiliz wohl nicht aufs Spiel setzen.

Kronprinz Mohammed bin Naif besuchte noch in der Nacht die verletzten Sicherheitskräfte im Krankenhaus und betonte, wie gut diese reagiert hätten und wie viel schlimmer die Anschläge hätten ausfallen können. Trotzdem wird durch die Abfolge der Terrorangriffe deutlich, dass sich Attentäter kaum stoppen lassen. Damit steigt der Druck auf das Königshaus, zumal mit weiterem Terror zu rechnen ist.

Denn die Angriffe des IS sind eine Reaktion auf militärische Rückschläge in Syrien und im Irak, wo Saudi-Arabien die US-geführte internationale Koalition unterstützt.«Der IS sieht sich seinem letzten Jahr als «Staat» gegenüber», schreibt Historiker Cole auf seiner Internetseite. «Während er untergeht beißt er um sich, wie ein tödlich verletztes Krokodil.» (dpa)