Vollverschleiert als Talkshow-Gast: «Nikab-Nora» sorgt für Debatten

Manchmal zeigt Nora Illi Humor: Beim Suppenessen könne ein Nikab schon störend sein, erklärte sie augenzwinkernd. Öfter aber löst die Schweizerin mit vollverschleierten Medienauftritten Empörung aus. Von Thomas Burmeister

Eine Frau in Vollverschleierung, zur besten Sendezeit im deutschen Fernsehen. Obendrein eine, die anscheinend Werbung macht für einen radikalen Islam? Was Deutschland aufregt, hat die Schweiz längst abgehakt. Eher schmunzelnd nimmt man zur Kenntnis, dass «die Nikab-Nora» im Ausland mal wieder Furore macht. Kürzlich im österreichischen Fernsehen und nun in der ARD-Talkshow «Anne Will».

Erst kürzlich hat das Parlament in Bern mit knapper Mehrheit dem Antrag der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) zugestimmt, ein landesweites Burkaverbot gesetzlich zu verankern. Das haben auch die TV-Auftritte von Nora Illi (32) nicht verhindern können.

Vor einigen Jahren sorgte die vierfache Mutter aus dem Berner Multikulti-Stadtviertel Bümpliz freilich noch für mediale Schockwellen. «Mein Schleier gibt mir ein Gefühl von Freiheit», erklärte sie 2010 in der Talksendung «Club» des Schweizer Fernsehens (SRF) - und löste Proteste von Frauenrechtlerinnen aus.

Illi war damals gerade Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS) geworden. Rasch stieg sie zur Symbolfigur der Islam-Debatten auf. Eine wortgewandte Frau mit Vollschleier und Schweizer Pass, das hatte es vorher noch nicht gegeben. Neben ihrem unerschütterlichen Bekenntnis zur konservativen Ausprägung des Islams bewies die Konvertitin gelegentlich auch Humor.

Als Illi in einem Online-Chat der Zeitung «Blick» gefragt wurde, ob sie ihren Schleier auch mal ablege und wie sie sich dann fühle, sagte sie: «Nur beim Suppenessen mit Nikab kann es Schwierigkeiten geben.»  Wenn sich in der Schweiz kaum noch jemand über Illi aufregt, liegt das auch an der Erkenntnis, dass sie lediglich eine kleine Minderheit muslimischer Frauen vertritt. Der IZRS ist keineswegs eine Art Dachorganisation für die rund 400.000 Muslime in der Schweiz, wie der hochtrabende Name vermuten lassen könnte. Vielmehr handelt es sich um einen radikal-islamischen Verein, der vom Nachrichtendienst beobachtet und vom Mainstream der Muslime gemieden wird.

Immerhin hat der 2009 im Zuge der Schweizer Debatten über das damalige Verbot des Baus von Minaretten gegründete IZRS rund 3.000 Mitglieder. Die meisten sind Schweizer. Der Genfer Islamwissenschaftler Tarik Ramadan spricht von «Sektierern ohne Basis».

Warum Massenmedien einer solchen Randgruppe ein Forum bieten, fragt sich mancher in der Schweiz. Auch Nora Illis Ehemann Abdel Azziz Qaasim - er stammt aus Schaffhausen und heißt eigentlich Patric Jerome Illi - ist immer wieder mal medial präsent. Er ist der Sprecher des IZRS. Und wann immer es in Europa einen Terroranschlag gibt, fragen Reporter an, ob sich sein Verein davon distanziert.

Das geschah bislang eher zurückhaltend, ja nahezu abweisend: Als vor einem Jahr bei den Anschlägen in Paris 130 Menschen getötet wurden, fragte Illi laut «Wochenzeitung» zurück, «warum er sich distanzieren solle, er selbst habe ja nicht geschossen und zur Gewalt aufgerufen habe er auch nicht».

Vorstellbar ist, dass eine gewisse Faszination für das schwer fassbare Unheimliche das Interesse an schillernden Konvertiten wie den Illis beflügelt. Beide wuchsen in bürgerlichen Verhältnissen auf.

Nora - Tochter eines Psychotherapeuten aus Deutschland und einer Sozialpädagogin - war als Jugendliche in der Punkszene unterwegs, ließ sich als Teenager auf eigenen Wunsch katholisch taufen und wandte sich später zunächst dem Buddhismus zu. Bei einem Urlaub mit dem Vater - die Eltern sind geschieden - soll ein islamischer Geistlicher in Dubai die damals 17-Jährige bekehrt haben. Ihren späteren Mann soll die ausgebildete Drucktechnikerin bei einer Solidaritäts-Aktion für Palästina getroffen haben.

«Der Islam ist nicht einfach eine Religion, er ist das ganze Leben», sagte Nora Illi 2011 in einem Zeitungsinterview in Kairo, wo sie Arabisch lernte. Frauenrechtlerinnen brachte sie damals mit einem Plädoyer für die Mehrehe auf die Palme. «Es liegt in der Natur des Mannes, dass er sich irgendwann nach einer anderen Frau sehnt.» Deshalb sei es gut, dass der Koran die Ehe mit mehreren Frauen erlaube, was sie natürlich auch ihrem Mann zugestehen würde. (dpa)