Islamwissenschaftler Michael Kiefer: Ähnliche Radikalisierung bei Salafisten und Rechtsextremen

Der Islamwissenschaftler Michael Kiefer sieht Parallelen zwischen der Radikalisierung von jungen Salafisten und Rechtsextremisten. In beiden Fällen gebe es charismatische Führungspersonen oder Prediger, denen die Anhänger nachfolgen wollten, sagte Kiefer am Dienstagabend auf einer Diskussionsveranstaltung in Düsseldorf. Attraktiv am Salafismus sei für viele Anhänger auch, dass er vermeintlich feste Bezugspunkte und Orientierung liefere. Es gebe eine Form von Ritualisierung, die nach Erlaubtem und Verbotenem unterscheide.

Gegenüber der christlichen Religion gaukle der Salafismus eine Klarheit und Eindeutigkeit vor, die bei Anhängern auch zu einer «Selbsterhöhung» führe, sagte Kiefer, der am Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück lehrt. Zugleich machte er aber auch Ähnlichkeiten zwischen Salafisten und christlichen Fundamentalisten aus. Beide hätten Probleme mit Demokratie und Volkssouveränität, weil Souveränität nach ihrem Verständnis nur Gott zukomme.

In Deutschland radikalisieren sich anscheinend immer mehr muslimische Mädchen. So verzeichnet etwa die Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen starken Anstieg der Beratungen, in denen es um die religiöse Radikalisierung von Mädchen geht.

Waren in der Vergangenheit in etwas mehr als einem Viertel der Beratungsfälle Mädchen betroffen, seien es 2015 bereits knapp die Hälfte aller Fälle gewesen, heißt es. Der Trend setze sich in diesem Jahr fort. Seit der Freischaltung ihrer Hotline 2012 seien bei der Beratungsstelle mehr als 2.500 Anrufe eingegangen.

Nach Einschätzung von Michael Kiefer vom Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück sind «bereits 13-Jährige unter den Mädchen, die sich radikalisieren". Die Altersgrenze verschiebe sich immer weiter nach unten, sagte Kiefer der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Anders als bei Jungen, die häufig provozierten und konfrontativ seien, vollziehe sich die Radikalisierung von Mädchen im Stillen, erklärte Kiefer. «Wir sprechen von einer Kinderzimmerradikalisierung», sagte der Islamwissenschaftler.

Immer wieder reisen die radikalisierten Muslime aus Deutschland in die von islamistischen Terror-Organisationen beherrschten Regionen im Irak und in Syrien aus. Rund 850 solcher Ausreisen hat das Bundesamt für Verfassungsschutz seit 2013 registriert. Ein Fünftel davon waren Frauen. (epd/KNA)

Lesen Sie hierzu auch unser Qantara-Interview mit Michael Kiefer