Warum führt Saudi-Arabien Krieg im Jemen?

Saudi-Arabien hat für seine führende Rolle im Krieg gegen die Huthi-Rebellen im Jemen in letzter Zeit viel Kritik einstecken müssen. Manche spotten, das Königreich, der reichste arabische Staat, kämpfe gegen den ärmsten. Andere behaupteten, der Kampf gegen die Huthis sei nur ein Baustein eines vermeintlich größeren Krieges Saudi-Arabiens gegen die Schia. Ali al-Shihabi kommentiert.

Von Ali al-Shihabi

Doch eben diese Behauptungen sind zu stark vereinfachend und spiegeln ein grundlegendes Missverständnis über die Rolle des Königreichs im Jemen – und, in der Tat, in der gesamten arabischen Welt – wider.

Saudi-Arabien hat es nicht auf die Zaiditen abgesehen. Tatsächlich hat das Land im jemenitischen Bürgerkrieg der 1960er Jahre aktiv die zaiditische Königsfamilie unterstützt. Wogegen das Königreich im Jemen reagiert, sind die zynischen Bemühungen des Iran, Jemens internen Konflikt dazu zu nutzen, ein Militärbündnis mit den Huthi-Rebellen zu schließen – eine Allianz mit nur einem erkennbaren Ziel: Saudi-Arabien.

Als saudische Politiker allerdings versuchten, die internationale Gemeinschaft vor den iranischen Aktivitäten im Jemen zu warnen, wurden sie ignoriert. Insbesondere westliche Kommentatoren haben verzweifelt versucht, die iranische Beteiligung am Konflikt zu leugnen, sogar als die Beweise dafür überhand nahmen.

Schulterschluss mit der Hisbollah

In den letzten 18 Monaten hat die US-Navy vier Waffenlieferungen vom Iran in den Jemen abgefangen. Der Iran selbst hat viele Male erklärt, er kontrolliere vier arabische Hauptstädte, darunter auch Sanaa. Auch haben die Huthis inzwischen enge Verbindungen zur Hisbollah aufgebaut, dem politischen und militärischen Stellvertreter des Iran im Libanon.

Saudische Luftangriffe auf Huthi-Stellungen in Sanaa; Foto: Getty Images/AFP/M. Huwais
Neue Spannungen im amerikanisch-saudischen Verhältnis: In einem ungewöhnlichen Schritt haben die USA Anfang Dezember 2016 die Lieferung von Munition an den traditionellen Sicherheitspartner Saudi-Arabien gestoppt - Grund ist der Konflikt im Jemen. Ein hochrangiger Regierungsvertreter in Washington kritisierte die Art und Weise, in der Saudi-Arabien in dem Bürgerkriegsland militärisch vorgeht. Er ließ durchblicken, dass sich die USA wegen der hohen Zahl von Zivilopfern durch die Luftangriffe sorgten.

Tatsächlich hat der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah die Sache der Huthis für seine eigene erklärt. Er hat es Huthi-Medienvertretern gestattet, sich in den südlichen Randbezirken Beiruts niederzulassen, und Huthi-Kämpfer öffentlich zu gemeinsamen Übungen mit seinen Streitkräften eingeladen. Das politische Motto, die Propaganda und die Vorgehensweise der Huthis, wurden allesamt von der Hisbollah übernommen.

Die saudische Regierung ist offenen Auges in den Jemenkrieg hineingestolpert. Nach dem Kampf gegen die Huthis war ihr bereits 2009 klar, dass dieser Konflikt wohl kein Zuckerschlecken werden würde. Außerdem erwarteten die Saudis nicht, mit einer "Shock-and-Awe"-Taktik sofortige Erfolge zu erzielen, wie dies ein ehemaliger US-Botschafter im Jemen behauptet hatte. Saudi-Arabien musste mit einem schmutzigen, langwierigen und teuren Krieg rechnen – und dieser Fall ist denn auch eingetreten.

Die Tatsache, dass Saudi-Arabien überhaupt in den Jemenkonflikt eingegriffen hat, verdeutlicht das Dilemma, vor dem das Land gestanden hätte, wenn die Huthis den gesamten Jemens beherrscht hätten. Hätte der Iran sein Bündnis mit den Huthis ungehindert stärken können, wäre der Nordjemen wohl zu einem zweiten Südlibanon geworden, wo ein Stellvertreter Irans aktiv daran arbeitet, die nationale Sicherheit Saudi-Arabiens zu gefährden.

Klar definierte Ziele

Saudi-Arabien hatte im Jemen zwei klar definierte militärische Ziele. Das erste war, die Waffenlieferungen zu behindern und die Versorgung der Huthis durch den Iran schwieriger und teurer – oder idealerweise unmöglich – zu machen. Das zweite Ziel bestand darin, den Huthis und ihren Verbündeten zu signalisieren, dass sie ein Bündnis mit dem Iran teuer zu stehen kommen würde.

Beide Ziele hat Saudi-Arabien erreicht. Die jemenitischen Flughäfen wurden geschlossen, und die Häfen des Landes sind blockiert. Da der Iran nun Mühe hat, Waffen in den Jemen zu schmuggeln, ist die Bewaffnung deutlich zurückgegangen. Unterdessen fliegt Saudi-Arabien massive Luftangriffe gegen die Huthis. Der Preis, den die Rebellen für das Bündnis mit dem Iran zahlen müssen, könnte nicht höher sein.

Aber Erfolge im Krieg kosten immer auch Opfer. Und leider haben die jemenitischen Zivilisten mit schätzungsweise 10.000 Toten seit Kriegsbeginn einen sehr hohen Preis bezahlt. Für einen Luftkrieg, der seit fast zwei Jahren andauert und gegen eine irreguläre Armee geführt wird, ist diese Zahl nicht außergewöhnlich hoch. Im Vergleich zu Syrien beispielsweise, wo den Luftangriffen der russischen, iranischen und syrischen Streitkräfte innerhalb weniger Wochen 10.000 Menschen zum Opfer fallen, nehmen sich diese Verluste geradezu als gering aus.

Saudische Soldaten in der jemenitischen Marib-Provinz; Foto: picture-alliance/dpa
Krieg gegen die vom Iran gestützte Huthi-Miliz: Saudi-Arabien ist seit März 2015 in den Jemen-Konflikt involviert. Das von dem Land angeführte Militärbündnis fliegt Luftangriffe gegen die schiitischen Huthis. Diese vom Iran unterstützten Rebellen halten dem ehemaligen Staatschef Ali Abdallah Saleh die Treue. Saudi-Arabien steht dagegen auf der Seite des ins Exil geflüchteten sunnitischen Präsidenten Abd-Rabbu Mansour Hadi.

Saudi-Arabien in der Aufbaupflicht

Darüber hinaus konnten Behauptungen, die saudische Koalition habe bewusst Zivilisten – oder Infrastruktur – angegriffen, von neutralen Beobachtern nicht bestätigt werden. Alle, denen der Zugang zum Schlachtfeld gewährt wurde, standen unter der Kontrolle der Huthis. Und in Wirklichkeit liegt es nicht im Interesse Saudi-Arabiens, den Jemen einfach zu zerstören. Immerhin wird das Königreich, wenn der Jemenkrieg wirklich zu Ende gehen sollte und die Welt ihre Aufmerksamkeit auf andere Themen richtet, den Löwenanteil der Wiederaufbauhilfe leisten müssen.

Doch nichts davon steht im Verhältnis zu den tragischen Verlusten innerhalb der Zivilbevölkerung. Es ist eine wirklich schreckliche Lage, die es noch dringender macht, die Huthis zu besiegen und den Konflikt im Jemen zu beenden. Aber es ist kaum sinnvoll, allein Saudi-Arabien für die Gewalteskalation zu beschuldigen, das dem Krieg nicht beigetreten ist, um Macht auszuüben, sondern um eine akute – oder gar existenzielle – Bedrohung der Sicherheit abzuwenden.

Um sich selbst zu schützen, muss Saudi-Arabien auch in Zukunft dafür sorgen, dass sein Embargo gegen die iranische Militärhilfe für die Huthis im Jemen bestehen bleibt. Würden beispielsweise die Vereinten Nationen diese Verantwortung übernehmen, könnte der Krieg im Jemen sehr schnell beendet und Zivilisten vor weiteren Massakern geschützt werden. Wenn aber die Welt das militärische Engagement des Iran im Jemen und die Bedrohung Saudi-Arabiens weiterhin ignoriert, hat das Königreich nur die Wahl, im Jemen zu bleiben.

Ali al-Shihabi

© Project Syndicate 2016

Ali al-Shihabi ist geschäftsführender Direktor der "Arabia Foundation", ein Think Tank, der sich insbesondere mit der Geopolitik der arabischen Halbinsel beschäftigt. Al-Shihabi ist Autor des BuchesThe Saudi Kingdom: Between the Jihadi Hammer and the Iranian Anvil and Arabian War Games”.