Israel streitet über Abschiebepläne für 40.000 Flüchtlinge

Israels Regierung droht bis zu 40.000 afrikanischen Flüchtlingen mit Haft - oder der Abschiebung in afrikanische Drittländer. Holocaust-Überlebende kritisieren die Pläne. Eine Oppositionspolitikerin schimpft: «Ihr seid Freunde der Nazis.» Von Stefanie Järkel

Für Teklit Michael ist klar: Bevor er sich aus Israel abschieben lässt, geht der eritreische Flüchtling lieber ins Gefängnis. «Wenn ich im Gefängnis bleiben muss, müssen die mich ernähren, das ist nicht schlecht», sagt der 29-Jährige mit der schlaksigen Figur und den widerspenstigen Haaren in einem Sozialzentrum in Tel Aviv. «Mein Plan ist zu bleiben und nicht nach Uganda und Ruanda zu gehen.»

Michael ist einer von bis zu 40.000 afrikanischen Migranten, denen die israelische Regierung von April an mit Gefängnis droht - oder der Abschiebung in afrikanische Drittländer. Nach Medienberichten hat die Regierung Vereinbarungen mit Uganda und Ruanda abgeschlossen. Der größte Teil der Flüchtlinge stammt aus Eritrea, der Rest vor allem aus dem Sudan. Aber in diese Länder schiebt Israel nicht ab.

Teklit Michael kam 2007 nach Israel, er war vor dem unbefristeten Militärdienst in seiner Heimat geflohen, den die Vereinten Nationen mit «Versklavung» vergleichen. Er arbeitete in Israel als Putzmann und als Koch, zahlte Steuern, mietete eine Wohnung, so erzählt er. Die Regierung erlaubte Eritreern allerdings erst 2013, einen Antrag auf Asyl zu stellen. Michael hat bisher keine Antwort erhalten. «Ich hänge in der Luft», sagt er. Monatlich muss er ein neues Arbeitsvisum beantragen. Staatliche Hilfen bekam er keine.

Seit Anfang Januar fordert die Bevölkerungs- und Einwanderungsbehörde nun «Eindringlinge» aus dem Sudan und Eritrea zur freiwilligen Ausreise auf. Wer bis Ende März das Land verlasse, erhalte umgerechnet rund 2800 Euro und ein Flugticket, heißt es auf der entsprechenden Internetseite. Danach solle gegen die Afrikaner vorgegangen werden. Die Behörde verteilt seit Anfang Februar Ausweisungsbescheide an unverheiratete, kinderlose Männer, die ihre Aufenthaltsgenehmigung verlängern wollen.

Anfang Januar schrieb Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf Facebook: «Heute hat die Regierung einen Aktionsplan gebilligt, der jedem Eindringling die Wahl zwischen zwei Dingen ermöglicht: ein Flugticket oder Gefängnis.» Uganda und Ruanda haben allerdings bereits erklärt, dass sie Flüchtlinge nur aufnehmen wollten, wenn diese freiwillig kämen.

Olivier Nduhungirehe, Staatsminister im ruandischen Außenministerium, schrieb auf Twitter: «Ruanda wird niemals einen afrikanischen Migranten aufnehmen, der gegen seinen Willen abgeschoben wird.»

Bis zum Bau eines Zauns an der Grenze zu Ägypten sind nach Angaben Netanjahus rund 60.000 Migranten aus Afrika nach Israel gekommen. 20.000 seien bereits abgeschoben worden. Israel betrachtet die Afrikaner als illegale Einwanderer. Asylanträgen wird nur in extrem seltenen Fällen stattgegeben. Bereits 2015 hatten die Behörden den Migranten mit Gefängnis gedroht, sollten sie nicht ausreisen.

Israel weist alleinlebende Einwanderer auch in das umstrittene Internierungslager Cholot in der Negev-Wüste ein. Das Höchste Gericht Israels entschied 2017, dass Israel Migranten nicht unbegrenzt in der Einrichtung festhalten kann, nur weil sie nicht ausreisen wollen.

Teklit Michael wurde nach eigenen Angaben mehrfach aufgefordert, sich in Cholot zu melden. Aus gesundheitlichen Gründen habe er die Einweisung letztlich vermeiden können. Israel will Cholot im Zuge der Abschiebepläne schließen.

Dror Sadot, Sprecherin der Hotline für Flüchtlinge und Migranten, bezeichnet wiederum Uganda und Ruanda als nicht sicher für die Abgeschobenen - und verweist auf Berichte von Betroffenen. Einige versuchten, von dort nach Europa zu fliehen.

«Israel kann natürlich 40.000 Menschen aufnehmen, das sind weniger als 0,5 Prozent der Gesellschaft», sagt Sadot. Doch in der Regierungskoalition gibt es Stimmen, die um den jüdischen Charakter des Staates Israel fürchten. Die Eritreer sind vor allem Christen und die Sudanesen Muslime.

Innenminister Arie Deri sagt: «Es ist eine jüdische Verantwortung, die Eindringlinge abzuschieben.» Doch in den vergangenen Wochen hat sich in Israel Widerstand gegen die Pläne formiert. Holocaust-Überlebende appellierten an die Regierung, sich angesichts der Geschichte des eigenen Volkes menschlich zu zeigen. Rabbiner erklärten, sie wollten Flüchtlinge verstecken, so wie das jüdische Mädchen Anne Frank zu NS-Zeiten. Die Abgeordnete der linksliberalen Partei Merez, Tamar Sandberg, schimpfte auf die Regierung: «Ihr seid Freunde der Nazis.»

Teklit Michael träumte von einer Karriere als Läufer in Eritrea, als ihn die Armee einzog. Distanzen von 400 Meter bis 10 Kilometer waren seine Stärke. «Mein Leben änderte sich total, von einem Athleten mit Visionen zu einem Zwangssoldaten», sagt er. «Ich habe das Land verlassen, weil ich gesehen habe, dass ich keine Chance auf ein Leben habe.» Noch einmal von vorne anfangen, will der 29-Jährige nicht. (dpa)