Iran, Syrien, Hamas: Israel stellt sich auf «explosiven Mai» ein

Seit Wochen kommt es an der Gaza-Grenze zu Konfrontationen mit vielen Toten. Auch Israels Konflikt mit dem Iran heizt sich immer weiter auf. Doch im Monat Mai ticken noch weitere gefährliche Zeitbomben. Von Sara Lemel

Auf den ersten Blick erscheint im israelischen Frühsommer alles wie immer: Die Menschen sitzen in Tel Aviv entspannt in Cafés, bei bereits heißen Temperaturen. Aber ist es nur die Ruhe vor dem Sturm? Israels Ex-Militärgeheimdienstchef Amos Jadlin erwartet, dass es in diesem Mai «einen Gewaltausbrauch geben könnte, wie wir ihn seit langer Zeit nicht mehr erlebt haben».

Dabei verweist er auf brandgefährliche Entwicklungen bei mehreren Konflikten Israels - mit dem Iran, Syrien und den Palästinensern.  «Ich nenne es den explosiven Mai», sagt der Leiter des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv. Im Verlauf des Monats seien eine ganze Reihe von Ereignissen zu erwarten, von denen jedes einzelne großes Eskalationspotenzial berge. «All diese verschiedenen Ereignisse beeinflussen sich gegenseitig», sagt Jadlin.

ATOMABKOMMEN MIT DEM IRAN: US-Präsident Donald Trump muss bis zum 12. Mai entscheiden, ob die USA in dem Atomabkommen mit Teheran verbleiben. Der iranische Präsident Hassan Rohani hat Trump im Fall eines Ausstiegs mit ernsthaften Konsequenzen gedroht. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu warf der Führung in Teheran außerdem in einer dramatischen Präsentation vor, sie habe umfangreiches Know-how zum Atomwaffenbau heimlich aufbewahrt – für einen möglichen künftigen Gebrauch.

Der Iran hat Israel mit Zerstörung gedroht. Deshalb sieht der jüdische Staat eine Aufrüstung Teherans mit Atomwaffen als derzeit größte Bedrohung seiner Existenz. In der Vergangenheit hatte Israel dem Iran immer wieder indirekt mit der Bombardierung seiner Atomanlagen gedroht. Ohne das Atomabkommen wäre ein solches Szenario wieder wahrscheinlicher. Zwischen Israel und dem Iran herrschen auch wegen der Situation in Syrien starke Spannungen. «Der Iran hat eine offene Rechnung mit Israel», sagt Jadlin. Teheran hat Israel eine Strafe für die Bombardierung seiner Stellungen in Syrien angedroht, bei der auch Iraner getötet wurden. Israel stellt sich deshalb auf einen möglichen Angriff von syrischem Boden aus ein.

«Israel ist fest entschlossen, es dem Iran nicht zu erlauben, sich militärisch in Syrien festzusetzen», sagt Jadlin. Eine dauerhafte Präsenz seines Erzfeinds im Nachbarland Syrien würde Israel «auf  ähnliche Weise bedrohen, wie Nordkorea Südkorea bedroht - wenn auch mit konventionellen Waffen wie Raketen und Artillerie», sagt Jadlin. Beide Seiten wollten in der Frage nicht nachgeben und befänden sich daher auf einem gefährlichen Kollisionskurs.

JERUSALEM-TAG: Israel feiert am 13. Mai die «Wiedervereinigung» Jerusalems, also die Eroberung des arabisch geprägten Ostteils im Sechstagekrieg 1967. Die Palästinenser beanspruchen diesen Teil der Stadt jedoch als Hauptstadt eines künftigen unabhängigen Staates.

ERÖFFNUNG DER US-BOTSCHAFT IN JERUSALEM: Zu der Zeremonie am 14. Mai, dem 70. Jahrestag der Gründung Israels, wird eine Riesendelegation aus den USA erwartet. Sogar Präsident Trump hatte angedeutet, er werde vielleicht kommen. Israels Führung ist zwar hocherfreut über den historischen Schritt, stellt sich aber auf neue schwere Unruhen in den Palästinensergebieten ein.

NAKBA-TAG: Die Palästinenser begehen am 15. Mai den Tag der Nakba (Katastrophe), an dem sie der Flucht und Vertreibung Hunderttausender Palästinenser im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948 gedenken. Mitte des Monats beginnt auch der Fastenmonat Ramadan, ohnehin eine sehr sensible Zeit, in der es häufig mehr Gewalt gibt. Außerdem ist es der Höhepunkt der sechswöchigen Proteste im Gazastreifen, bei denen es schon Dutzende palästinensische Tote und Tausende Verletzte gab. Zum Ende des «Marschs der Rückkehr» am 15. Mai ist eine weitere Eskalation mit der Hamas zu befürchten. Hamas-Chef Ismail Hanija hat die Palästinenser dazu aufgerufen, am Nakba-Tag wie eine «Menschenflut» die Grenzen zu Israel zu stürmen.

«Der «Marsch der Rückkehr» wird den Stacheldraht und die Grenze überwinden, und wir werden in das Land Palästina zurückkehren.»  Schon am vergangenen Freitag hatten Hunderte von Palästinensern versucht, im Norden des Gazastreifens die Grenze zu stürmen. Sicherheitsexperte Jadlin sagt: «Falls die Palästinenser beim «Marsch der Rückkehr» wieder versuchen, die Grenze in Massen zu durchbrechen, könnte es Hunderte Tote geben.» (dpa)